Rudolf „Rudi“ Brunnenmeier

Der Sturz aus Giesings Höhen

Biografie
Geboren am:
11.2.1941 in Olching
bei München
Gestorben am:
22.4.2003 in München
Grabstätte: München
Ostfriedhof
St.-Martins-Platz 1
Sektion 36 b; Reihe 2
Stationen der Karriere
als Fußballer

Position: Mittelstürmer
Vereine: SC Olching (1953-1959)
TSV München 1860 (1960-1968)
Xamax Neuchatel (1968-1971)
FC Zürich ( 1971-1973)
SW Bregenz (1972-1975)
FC Balzers (1975-1977)
FC Tuttlingen (1977-1978)
5 Länderspiele (1964-1965); 3 Tore
Bundesliga-Torschützenkönig 1965
(24 Tore)
Deutscher Meister 1966
Deutscher Pokalsieger 1965

Als Helmut Schön am 4. November 1964 im Berliner Olympiastadion mit einem Qualifikationsspiel für die Weltmeisterschaft 1966 in England das schwere Erbe von Sepp Herberger als neuer Nationaltrainer antrat, verhalf er Rudi Brunnenmeier, der neben Uwe Seeler stürmen sollte, zum Debüt in der deutschen Nationalmannschaft.

Es ging gegen die seit längerer Zeit in Hochform spielenden Schweden, die immer ein unangenehmer Gegner waren. Mittelstürmer Rudi Brunnenmeier spielte mit 1860 München gerade eine starke Bundesligasaison und war auf bestem Weg, Torschützenkönig zu werden. Mit einem Kopfballtor bedankte sich der „Münchner Löwe“ bei Schön für die Nominierung und verhalf Deutschland zum wichtigen 1:1. Ohne dieses Tor von Brunnenmeier hätte das deutsche Team die Qualifikation für die WM in England 1966 wahrscheinlich nicht geschafft, es hätte kein „Wembley-Tor“ gegeben, und Franz Beckenbauer wäre nicht so spektakulär in das Rampenlicht der Fußball-Weltöffentlichkeit getreten.

Im für die Qualifikation entscheidenden Rückspiel in Schweden am 26. September 1965, das Deutschland nicht verlieren durfte, entschied sich Schön erneut für Rudi Brunnenmeier als Sturmpartner für den nach einer Achillessehnen-Operation gerade genesenen Uwe Seeler. Mit Brunnenmeier und Peter Grosser standen zwar zwei Münchner „Löwen“ auf dem Platz, die Aufmerksamkeit der Medien galt aber einem anderen Bayern. Der gerade zwanzig Jahre alt gewordene Franz Beckenbauer machte sein erstes Länderspiel und tat damit den ersten großen Schritt in seiner legendären Fußballlaufbahn, die er nahtlos als Trainer und Lichtgestalt des deutschen und internationalen Fußballs fortsetzte.

Deutschland gewann das wichtige Spiel im Rasunda-Stadion von Stockholm mit 2:1 und war de facto qualifiziert. Trotzdem strich Helmut Schön Brunnenmeier ein paar Monate später aus dem WM-Aufgebot. „Um Brunnenmeier hat es mir leid getan“, gestand Schön später in seinen Memoiren über die Ausbootung dieses sensiblen Spielers.

Es gibt viele Interpretationen, warum die Karriere des Vollblutstürmers in der Nationalmannschaft nach fünf Länderspielen bereits zu Ende war. Sie reichen vom Formtief kurz vor der WM über Eskapaden, die Schön nicht gefallen haben, bis hin zu dem rein sportlichen Grund, dass Uwe Seeler im Sturm gesetzt war und die beiden Dortmunder Emmerich und Held als frischgebackene Europapokalsieger rechtzeitig vor der WM stärker spielten.

Was auch immer der tatsächliche Grund für die Nichtnominierung war, Brunnenmeier war ein großartiger Stürmer: gut aussehend, kraftvoll und beidfüßig schießend. Im Frühjahr 1965 machte ihm der AC Turin aufgrund seiner starken Leistungen im Europapokal, die 1860 München bis ins Endspiel gegen West Ham United (0:2) am 19. Mai 1965 führten, ein Vertragsangebot, das ihn zum bestbezahlten Fußballprofi Deutschlands gemacht hätte. Er verzichtete und blieb in München, wo er sich heimisch und geschützt fühlte.

1966 stand Brunnenmeier im Zenit seines Könnens, machte allein im WM-Jahr 16 Tore, wurde mit 1860 Deutscher Meister und war für die Fans die Identifikationsfigur des Arbeitervereins aus dem Münchner Stadtteil Giesing. Aber die ersten Anzeichen labilen Lebenswandels deuteten sich an. Sein Mitspieler Manfred Wagner drückte es intuitiv so aus: „Wenn ich zu dem gesagt hab’, da vorne musst du links gehen, und er hat unterwegs einen getroffen, der zu ihm gesagt hat, ach was, geh mit mir rechts, dann ist der Rudi mit dem gegangen.“ Meistens einen heben.

Rudi Brunnenmeier mit Bobby Moore vor dem Endspiel zum Europapokal der
Pokalsieger am 19. Mai 1965 im Wembley-Stadion, London zwischen West
Ham United und dem TSV 1860 München (2:0).

Aus dieser Zeit kursiert in München die Geschichte von einem Trainingsspiel der Sechziger, das Trainer Max Merkel zwischen den Alkohol trinkenden und den mehr oder weniger abstinenten Spielern anordnete und das mit 7:1 für die Freunde eines gelegentlichen guten Schluckes endete. Daraufhin Merkel an das Siegerteam: „Sauft’s weiter!“

„Das hat mir das Genick gebrochen“

Brunnenmeier hielt sich daran, aber seine Torbilanz sank rapide. Er blieb hängen im Dunst verräucherter Kneipen und Bars und trank sich Bier um Bier in die Abhängigkeit. Mit der Übernahme des Nachtlokals „Pik Dame“ tauchte er endgültig ins Milieu ein. „Das hat mir das Genick gebrochen“, gab er später offen zu. Als er 1968 München in Richtung Xamax Neuchatel verließ, galt er nur noch als versoffenes Fußballgenie. Die Schlagzeilen begleiteten ihn in die Schweiz und später nach Österreich: „Brunnenmeier betrunken am Steuer“, „Brunnenmeier im Gefängnis“. Und gutmütig, wie er war, gab er sich immer sehr großzügig gegenüber seinen Saufkumpanen, bis er in der Schuldenfalle steckte.

Mit Gelegenheitsjobs versuchte er sich über Wasser zu halten. Er arbeitete in der Münchner Großmarkthalle als Aushilfe, auf dem Bau oder als Türsteher von Stripteaselokalen. „Ich habe Arbeit gesucht, war für alles offen. Ich brauchte doch Geld“, blickte Brunnenmeier auf seine schwärzeste Zeit zurück. Aber er fand keinen Halt, vermochte sein Leben nicht mehr selbständig zu gestalten. Die letzten Jahre lebte er von der Sozialhilfe. Dennoch mied er die Öffentlichkeit nicht, ging des Öfteren zu den Heimspielen seiner Sechziger: „Dank Karl-Heinz Wildmoser, der mir jedes Jahr eine Ehrenkarte zukommen ließ. Ich konnte mir den Eintritt sonst nicht leisten“, freute sich Rudi, der bis heute der Stürmer ist, der die meisten Tore für 1860 erzielt hat. Seine Fans wussten das und gaben ihm immer wieder zu erkennen, dass sie ihn und die glorreichen Zeiten des TSV 1860 München nicht vergessen würden.

Grabstätte von Rudi Brunnenmeier:
München, Ostfriedhof, St.-Martins-Platz 1,
Sektion 36 b; Reihe 2.

Als Rudi Brunnenmeier am Karfreitag 2003 mit 62 Jahren an Krebs starb, war es der damalige Präsident von 1860, eben Karl-Heinz Wildmoser, der ihm eine würdige Grabstätte verschaffte. Über 4000 Trauergäste – darunter alle früheren Mitspieler und viele ehemalige Kontrahenten vom FC Bayern – begleiteten den „Löwen“ auf seinem letzten Weg und hörten die Worte des Pfarrers: „Die ihn in den Himmel gehoben haben, haben ihn aus dem Auge verloren. Wir sollten uns Rudi Brunnenmeiers Schicksal immer vor Augen halten und daraus die Botschaft ableiten: Spielt Euer Leben so, dass Ihr stets guten Gewissens Euer Spiel aus der Hand geben könnt.“ †

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