František Plánička

Der König der Robinsonaden

Biografie
Geboren am: 2.7.1904 in Prag
Gestorben am: 20.7.1996 in Prag
Grabstätte: Prag
Olsanske Hrbitovy
(Friedhof Olsany)
Vinohradska 1835
Sektion 10-11 UH, Nr. 61
Vom Haupteingang 100 m links zur Mauer
Stationen der Karriere als Spieler
Position: Torhüter
Vereine: SK Bubenec (1918-1923)
Sparta Prag (1923)
Slavia Prag (1923-1939)
73 Länderspiele (1926-1938)
WM-Teilnehmer 1934, 1938
Vizeweltmeister 1934
Tschechischer Meister 1925, 1929, 1930, 1931,
1933, 1934, 1935, 1937

Der für seine mit Wiener Schmäh artikulierten Fußballweisheiten bekannte Ernst Happel urteilte einstmals über die Torhüter: „Wenn’ st samt Großhirn und Kleinhirn zwischen den Stangerln herumfliegst, hast an Schaden.“ Den müsste dann aller Wahrscheinlichkeit nach auch František Plánička gehabt haben und ein paar körperliche Defekte noch dazu, denn das Torhüterdasein vor dem zweiten Weltkrieg war höchst gefährlich. Das Regelwerk betrachtete den Schutz des letzten Mannes als ziemlich unwichtig und definierte den Strafraum eher als Jagdterrain für Stürmer. Nur mit Kamikaze-Einstellung ließ sich das Leben als Torwart ertragen. Brüche irgendwelcher Knochen, wenn es nicht gerade die Beine waren, galten nicht unbedingt als Grund, das Spielfeld zu verlassen, zumal Auswechslungen in jenen Jahren des „Wilden Westens“ im Fußball nicht erlaubt waren. Andererseits bekam auch mancher Stürmer schwerste Adrenalinschübe und Furcht vor dem drohenden Krankenhausaufenthalt, wenn ihm ein Geschoß in der Gestalt eines jegliche Rücksicht missachtenden Torhüters entgegen flog.

Eine Hommage an die Torhüter der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und ihre Seelenlage zwischen „Hosianna“ und „kreuzigt ihn“ kommt nicht ohne Einbezug einer tragischen Figur aus, des brasilianischen Torwartes Barbosa. Sein Drama fand am 16. Juli 1950 vor 200.000 Zuschauern im Maracana-Stadion von Rio de Janeiro statt, beim entscheidenden Spiel um die Fußball- WM 1950 zwischen Brasilien und Uruguay. Brasilien genügte in dieser letzten Begegnung der Finalrunde ein Unentschieden. Ein kleiner Stellungsfehler Barbosas aber ermöglichte Uruguay die Führung zum 2:1 und damit den Weltmeistertitel. Für Barbosa begann ein Martyrium. Er wurde zur Unperson eines jeden Brasilianers, sein Name war mit einem Fluch behaftet. Als er 44 Jahre nach diesem Desaster im Rahmen von Drehaufnahmen von BBC anlässlich der Fußball-WM 1994 das brasilianische Trainingscamp aufsuchte, verwehrte ihm Trainer Parreira den Zutritt: Nur ja kein Kontakt mit Torhüter Taffarel!, war die Devise. Alle fürchteten den Barbosa-Fluch, was den armen Hund zu der bitteren Erkenntnis brachte: „In Brasilien sind dreißig Jahre die Höchststrafe für ein Verbrechen. Ich büße lebenslänglich.“ In den Augen der Brasilianer war es eine richtige Entscheidung von Parreira, denn Brasilien wurde 1994 Weltmeister.

Welch ein Unterschied zur Verehrung František Pláničkas, dem Idol des tschechoslowakischen Fußballs über alle Generationen hinweg!

Als im Jahr 2000 all die Wahlen zu den bedeutendsten Sportlern des gerade ablaufenden 20. Jahrhunderts stattfanden, fehlten bei der Wahl zum „Torhüter des Jahrhunderts“ nie die Namen Plánička und Ricardo Zamora aus Spanien. Beide landeten meistens ziemlich weit vorne. Mit ihrer Weltklasse standen sie für die Generation von „letzten Männern“, die vor dem Zweiten Weltkrieg die Idole der Massen und die Vorbilder für die Nachkömmlinge waren.

František Plánička (links) mit Ricardo Zamora im Jahre 1932:
Die beiden besten Torhüter der Welt jener Zeit.

Plánička war nur 1,78 m groß, machte dieses Manko jedoch durch enorme Sprungkraft wett. Dazu kamen phantastische Reflexe und der notwendige Löwenmut, sein Terrain vor Bedrohungen durch gegnerische Angreifer zu schützen. Er wuchs im Schatten des Stadions von Sparta Prag auf. Sein Traum, dort zu spielen, erfüllte sich 1923 und endete nach ein paar Monaten, da man ihm die Position der Nummer eins nicht zutraute. Daraufhin wechselte er enttäuscht zu Slavia Prag, wo seine große Karriere begann und erst 1938 nicht ganz freiwillig endete.

Sein Ruhm reichte bald über die Landesgrenzen hinaus. Aufgrund seiner Leistungen bei der Fußball-WM 1934 in Italien, als er mit der Tschechoslowakei Vizeweltmeister wurde, wussten Europas Stürmer jetzt, mit wem sie es zu tun hatten, wenn es gegen die Tschechoslowaken oder Slavia Prag ging. Er war kein unbekanntes Flugobjekt mehr.

Seine Leistung beim Halbfinale der WM gegen Deutschland (3:1) war dem „Kicker“ die Schlagzeile wert: „Deutschland allein gegen Plánička“. Der wurde zum „König der Robinsonaden“ gekrönt, einem damals gängigen Begriff für die Hechtsprünge, mit denen die Schlussmänner Richtung Torwinkel fliegen oder in die Ecken des Tores tauchen. Namensgeber war ein gewisser Keeper John „Jack“ Robinson vom FC Southhampton, der Anfang des 20. Jahrhunderts das damals recht statische Spiel der Torhüter stilistisch stark aufwertete.

„Deutschland allein gegen Planicka“

Pláničkas Ruhm mehrte sich vier Jahre später, als die Tschechoslowakei im Viertelfinale der WM 1938 in Frankreich auf Brasilien traf. In der 85. Minute, beim Stand von 1:1, brach sich Plánička den Unterarmknochen, spielte aber bis zum Ende der Verlängerung weiter und hielt das Unentschieden. Die Wiederholung des Spiels – ohne Plánička – ging zwar verloren, aber der Heldenstatus des Prager Torhüters war für alle Zeit gesichert.

Das Spiel gegen die Brasilianer war sein letztes Länderspiel. Die Deutschen beendeten auf schicksalhafte Weise seine Karriere. Am 29. September 1938 verabschiedeten Hitler, Mussolini, Chamberlain und Daladier das Münchner Abkommen, das die Abtretung des Sudetenlandes an Deutschland und die Vertreibung der dort lebenden Tschechen zur Folge hatte. Ende März 1939 wurde die Tschechoslowakei endgültig zerschlagen. Nazi-Deutschland marschierte in Prag ein, und die Slowakei erklärte sich mit Duldung der Deutschen für unabhängig.

Grabstätte von František Plánička:
Prag, Olsanske Hrbitovy, (Friedhof
Olsany), Vinohradska 1835,
Sektion 10 – 11 UH, Nr. 61.
Vom Haupteingang 100 m links
zur Mauer.

Plánička war nun Bürger des Reichsprotektorats Böhmen und Mähren. Es war unvorstellbar, dass er für dieses Land spielen würde. Er überlebte die Terrorherrschaft und wurde 1945 wieder Bürger des neuen, alten Staatenbundes Tschechoslowakei, in dem nur jetzt keine Deutschen mehr lebten. Der „König der Robinsonaden“ schuf sich eine bürgerliche Existenz als Beamter der Prager Pensionsversicherung. Fußball blieb in seinem Heimatland weiter sehr populär, trotz der großen Konkurrenz des Eishockey, und Plánička konnte zufrieden verfolgen, wie eine neue Generation von Nationalspielern um Josef Masopust die Tschechoslowakei abermals in die Weltspitze führte und 1962 in Chile Vizeweltmeister wurde.

Hochbetagt, mit 92 Jahren, starb František Plánička am 20. Juli 1996.

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