Fritz Walter

„Das Spiel meines Lebens“

Biografie
Geboren am:
31.10.1920 in Kaiserslautern
Gestorben am:
17.6.2002 in Enkenbach-
Alsenborn
Grabstätte: Kaiserslautern
Hauptfriedhof
Donnersbergstraße 78
Eingang zum Kiefernhain
Stationen der Kariere als Fußballer
Position: Halbstürmer
Verein: 1. FC Kaiserslautern (1930-1959)
61 Länderspiele (1940-1958); 33 Tore
WM-Teilnehmer 1954, 1958
Weltmeister 1954
Deutscher Meister 1951, 1953
Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft

Auf Fritz Walters Grab steht ein gerahmtes Bild, ihm zu Ehren aufgestellt zur Erinnerung an die „Traditionsgemeinschaft Rote Jäger“. Dem nicht informierten Betrachter verbirgt sich wahrscheinlich die Bedeutung dieser im Zweiten Weltkrieg zusammengestellten Fußballmannschaft, ja man kann fast sagen „Schicksalsgemeinschaft“, für Fritz Walter und viele deutsche Nationalspieler. Ohne die „Roten Jäger“ und Sepp Herberger wäre der Spitzenfußball im Nachkriegsdeutschland sicherlich um einige Spieler ärmer gewesen, weil sie an der Front gefallen, vermisst oder schwer verwundet worden wären. Der junge Kaiserslauterer Fritz Walter, Nationalspieler seit dem 14. Juli 1940, wurde am 5. Dezember 1940 zur Wehrmacht eingezogen. Als Infanterist verschlug es ihn zunächst nach Italien, wo er 1943 auf Sardinien an Malaria erkrankte. Als Italien Ende 1943 zu den Alliierten überwechselte, wurde das Bataillon mit dem Obergefreiten Walter zunächst nach Korsika und anschließend nach Elba verlegt. Dann geschah ein Versetzungswunder. Ohne jemals bei der Luftwaffe gewesen zu sein, wurde Fritz Walter zum Jagdgeschwader 11 nach Jever in Ostfriesland abkommandiert. Das war ungewöhnlich, klärte sich aber bald auf.

Es war dem Reichstrainer Sepp Herberger gelungen, Fritz Walter ebenso wie zahlreiche andere Nationalspieler aufgrund seiner guten Beziehungen nicht aus den Augen zu verlieren und mit der „Aktion Heldenklau“, wie man sie hinter vorgehaltener Hand nannte, d.h. durch häufig angesetzte Lehrgänge und energische Versetzungsgesuche in weniger gefährliche Frontabschnitte, vor dem „Heldentod“ zu bewahren. Sein persönlicher Kontakt zu Oberst Hermann Graf, Geschwaderkommandant und aufgrund von über 200 Luftsiegen mit dem höchsten Orden der Nazi- Wehrmacht, dem „Ritterkreuz mit Eichenlaub, Schwertern und Brillanten“ ausgezeichnet, ermöglichte es ihm, Fritz Walter in dessen Geschwader unterzubringen, wo er ungefährdet seinen Dienst in der Kleiderkammer und Buchhaltung versah.

Als passionierter Fußballspieler hatte sich Graf mit der Duldung Görings, des Oberbefehlshabers der Luftwaffe, ein Fußballteam zusammengestellt, das in den Kriegsjahren unter dem Namen „Rote Jäger“ zu Deutschlands besten Mannschaften gehörte. Wenn Graf andere Kommandos übernahm, erwirkte er auch die Mitversetzung seiner Fußballer. Sein direkter Vorgesetzter, der Fliegergeneral Adolf Galland, pflegte bei Kommandowechseln von Oberst Graf zu sagen: „Ich weiß, der geht und kommt mit einem Rattenschwanz von Fußballspielern.“

Die „Roten Jäger“ folgten Oberst Graf bis zum Ende. Anfang Mai 1945 geriet das Jagdgeschwader bei Pisek in Böhmen in amerikanische Gefangenschaft und wurde kurz darauf den sowjetischen Truppen übergeben, die die deutschen Soldaten in das Gefangenenlager Marmaros-Sziget in Rumänien überführten. Fritz Walter sah sich schon im Ural oder Sibirien, als bei einem Fußballspiel der Deutschen gegen eine Mannschaft aus ungarischen und slowakischen Wachsoldaten deutlich wurde, wen man da alles vor sich hatte. Fritz Walter sagte später einmal, dieses geradezu irreale, mit Knobelbechern bestrittene Spiel sei „sein Spiel des Lebens“ gewesen, nicht das WM Finale von 1954.

Der russische Lagerkommandant, Major Schukow, bewahrte die deutschen Nationalspieler, unter ihnen auch Hermann Eppenhoff von Schalke 04, vor dem Abtransport in die Zwangsarbeit und dem fast sicheren Tod. Am 28. Oktober 1945 kehrte Fritz Walter mit seinem Bruder Ludwig in das zerstörte Kaiserslautern zurück, und bald darauf begann eine Fußballkarriere, die ihresgleichen sucht.

Fritz Walter mit dem Coup Jules Rimet nach dem WM-Sieg 1954 (rechts Horst Eckel).

Der Historiker Joachim Fest nannte einst drei Gründungsväter der Bundesrepublik: Politisch Konrad Adenauer, wirtschaftlich Ludwig Erhard, mental Fritz Walter – und als eigentliches Gründungsdatum: den 4. Juli 1954 in Bern. Welche Ehre für den Sohn eines Gastwirtes aus der Kaiserslauterer Bismarckstraße 24, der in kongenialer Zusammenarbeit mit Sepp Herberger, mit dem ihn eine Art Vater-Sohn-Verhältnis verband, Deutschlands Fußball in den nächsten Jahren zu einem Scharnier machte, das eine desillusionierte Gesellschaft zusammenhielt und der jungen Republik internationale Reputation verschaffte.

Mal Matador, mal Mimose

Fritz Walter hatte kein heldenhaftes Auftreten, er bestach einfach durch fußballerische Brillanz, dezente Zurückhaltung und kompetente Meinung. Für alle seine Mannschaften war er Kapitän, Regisseur und Psychotherapeut, obwohl er selbst heftigen Stimmungsschwankungen unterlag und zuweilen wie der Erfinder des Pessimismus wirkte, mal Matador, mal Mimose. In den Schwächephasen gelang es Herberger mit seiner enormen psychologischen Begabung immer wieder, seinen Lieblingsspieler aufzurichten und zu Weltklasseleistungen zu treiben. Die zeigte er ab 1946 im Verein, indem er den 1. FC Kaiserslautern – damals eine abgelegene Provinzstadt in der amerikanischen Besatzungszone mit gerade einmal 60.000 Einwohnern – an die Spitze des deutschen Fußballs führte und dem Vereinsstadion, dem Betzenberg, einen Nimbus verschaffte, der bis heute gehalten hat. Zu Recht heißt der „Betze“ seit dem 31.10.1985 „Fritz-Walter-Stadion“. Erst mit 31 Jahren, am 15.4.1951 beim 3:2 gegen die Schweiz, konnte Fritz Walter wieder ein Län- derspiel bestreiten, nach acht Jahren kriegsbedingter Zwangspause. In der Folgezeit entwickelte Herberger um den genialen Regisseur herum eine hervorragend abgestimmte und harmonische Nationalmannschaft, die 1954 überraschend Weltmeister wurde. Und es ging weiter. Fritz Walter führte – mittlerweile 37 Jahre alt – Deutschland auch zur Fußball-WM 1958 nach Schweden, die, etwas enttäuschend wohl nur für den mit höchstem Anspruch angetretenen Herberger, einen großartigen dritten Platz einbrachte. Danach beendete „der gute Mensch vom Betzenberg“ seine 18 Jahre dauernde Karriere in der Nationalmannschaft, ein Jahr später auch die beim 1. FC Kaiserslautern.

Grabstätte von Fritz Walter:
Kaiserslautern, Hauptfriedhof, Donnersbergstraße 78, Eingang zum Kiefernhain.

Um seine Existenz brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Er war und blieb ein Sympathieträger, dem alle Türen offenstanden. Sein Freund, der Fernsehjournalist Rudi Michel, charakterisierte ihn treffend: „Dieser Antistar ist die personifizierte Bescheidenheit.“ Fritz Walter war als Geschäftsmann, der ein Kino und eine Wäscherei betrieb, nicht sehr erfolgreich. Die Repräsentanz für Adidas und andere Firmen lag ihm mehr. Als erster Ehrenspielführer der Nationalelf blieb er immer im Blickpunkt der deutschen Öffentlichkeit, vergleichbar in seiner generationenübergreifenden Ausstrahlung mit Max Schmeling. Sein letztes großes Ziel, die Weltmeisterschaft 2006 in „seinem“ Stadion zu verfolgen, blieb ihm versagt. Zwei Tage nach dem Achtelfinalspiel der WM 2002 in Japan und Südkorea zwischen Deutschland und Paraguay (1:0) verstarb der „große Fritz“ in seinem Haus in Enkenbach-Alsenborn. Zum Viertelfinale gegen die USA (1:0) traten die deutschen Spieler mit Trauerflor an.

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