Bruno Pezzey
Der Mythos von Cordoba
Klinken wir uns ein in eine der legendärsten Hörfunkreportagen des deutschsprachigen Raumes, die von Edi Finger sen. am 21. Juni 1978 vom Spiel Österreich-Deutschland bei der WM im argentinischen Cordoba. Es dürfte die 90. Minute laufen. Österreich führt seit der 88. Minute durch das Tor von Hans Krankl mit 3:2: „Also das, das musst miterlebt haben. Jetzt bin i aufg’standen vor dem Südamerikaner. I glaub, jetzt hammas g’schlag’n! Angriff aber der Deutschen, aufpassen, wieder Kopfabwehr. Das Leder kommt hinüber nach links zu Pezzey. Aber Burschen, jetzt follt’s net um hinten, bleibt’s aufrecht stehen!“
Dank Libero Bruno Pezzey, der die Abwehr perfekt organisierte, brachte Österreich den 3:2-Sieg über den noch amtierenden Weltmeister Deutschland über die Zeit und versetzte die Alpenrepublik in kollektive Euphorie. Es war ein Ereignis, das jahrzehntelang Österreichs Fußballstammtische beherrschte und als das „Wunder von Cordoba“ immer dann herhalten muss, wenn es gilt, die Nation wieder auf einen Sieg gegen Deutschland einzustimmen. So war es auch im Juni 2008, kurz vor Beginn der Fußball-EM in Österreich und der Schweiz, als das Los den Gastgebern in der Vorrundengruppe die ungeliebten Nachbarn bescherte.
Zur Vorberichterstattung in den Medien gehörte natürlich ein aktuelles Foto der Helden von damals, in Reih und Glied stehend, nur nicht mehr in Rotweiß, sondern in gediegenem Schwarz. Aber zwischen Torwart Friedl Koncilia und Torjäger Hans Krankl klaffte eine Lücke. Bruno Pezzey fehlte. Er war früh verstorben, am Silvesterabend 1994 bei einem Prominenten- Eishockeymatch in Innsbruck. Fünf Minuten vor dem Ende brach er plötzlich nach einem Herzstillstand zusammen. Trotz sofortiger Reanimierungsversuche verstarb der erst 39-Jährige zwei Stunden später in der Innsbrucker Universitätsklinik.
Zwischen Koncilia und Krankl klaffte eine Lücke
Bruno Pezzey, der aus Vorarlberg stammte, spielte sich 1978 in das Rampenlicht des internationalen Fußballs. In einer der besten Nationalmannschaften, die Österreich je hatte, war er bei der Weltmeisterschaft in Argentinien einer der auffälligsten Liberos und erreichte mit dem Team die zweite Finalrunde, an deren Ende Österreichs historischer Sieg – der erste nach 47 Jahren – über Deutschland stand. Das nutzte aber keiner Mannschaft, beide schieden nach diesem Spieltag aus und hatten noch das Glück (oder Pech), im gleichen Flugzeug die Heimreise nach Europa anzutreten, jedoch mit sehr unterschiedlichen Gefühlen, was den zu erwartenden Empfang zu Hause anbetraf. Pezzey ging es gut. Er saß neben Bernd Hölzenbein von Eintracht Frankfurt und konnte sich intensiv über seinen künftigen Arbeitgeber austauschen, denn sein Wechsel nach Frankfurt zu Beginn der neuen Saison stand bereits fest.
Es war eine gute Entscheidung, sportlich und finanziell. Er wurde zu einem der besten Spieler der Bundesliga in den 80er Jahren. Neun Jahre lang zeigte er bei der Frankfurter Eintracht – mit dem UEFA-Cupsieg 1980 als Höhepunkt – und ab 1983 bei Werder Bremen exzellente Leistungen als Libero. Die Trainer, vor allem Otto Rehhagel, schwärmten von seiner Professionalität und Persönlichkeit. Auch viele seiner Mitspieler aus dem WM-Kader von Argentinien machten internationale Karriere, was die Qualität der Mannschaft nachdrücklich unter Beweis stellt. Walter Schachner, Hans Krankl, Herbert Prohaska, Friedl Koncilia oder Kurt Jara setzten sich in den stärksten Ligen Europas durch und verstärkten noch den Glanz, den der österreichische Fußball jener Zeit ausstrahlte. Er hielt bis 1982, aber die „Schande von Gijon“, als Deutschland und Österreich sich mit einem desillusionierenden Stillhalteabkommen in die zweite Finalrunde der WM in Spanien mogelten, ließ den alten Ruhm verblassen.
In der Folge verpasste das ÖFB-Team sogar die Qualifikation zur WM 1986 in Argentinien. Aber dann lockte die Traum-WM in Italien, und die Qualifikationsgruppe 3 mit UdSSR, DDR, Türkei und Island ließ Österreich und Bruno Pezzey hoffen, die Reise über den Brenner antreten zu können. Neuer Nationaltrainer war seit Dezember 1987 sein Mitspieler beim „Wunder von Cordoba“, der 40-jährige Josef Hickersberger. Er war nur dritte Wahl, hinter Ernst Happel und Otto Baric, was ihn die Medien spüren ließen. Eine seine ersten Amtshandlungen bestand darin, nach Innsbruck zu reisen und Bruno Pezzey darüber zu informieren, dass er ebenfalls nicht erste Wahl sei und die Rolle des Kapitäns und Abwehrchefs von Heribert Weber von Austria Salzburg übernommen werde. Er werde ihn nicht in den Kader berufen.
Hickersberger war der Auffassung, dass Pezzey durch acht Jahre deutsche Bundesliga und den harten Happel-Kurs beim FC Tirol bereits verbraucht sei. Aus der Traum von der dritten WMEndrunde für Pezzey! Hickersberger bereute später diese harte Entscheidung und gab das gegenüber seinem ehemaligen Mannschaftskameraden selbst zu. Die Lösung Weber hielt nur bis zur gelungenen Qualifikation, in Italien spielte der international unerfahrene Austrianer Ernst Aigner. Die WM verlief enttäuschend, Österreich flog schon in der Vorrunde raus. Bruno Pezzey nutzte das erste Länderspiel nach der verkorksten WM am 21. August 1990 in Wien gegen die Schweiz (1:3), um sich vom aktiven Fußball zu verabschieden. So blieb ihm Österreichs größte Blamage seiner Fußballgeschichte erspart, als rund drei Wochen später das ÖFB-Team in einem Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft den Faröern mit 0:1 unterlag.
Danach ließ es der Vater von zwei Kindern ruhig angehen und widmete sich in Innsbruck der Nachwuchsarbeit, zuletzt als Trainer der U21 des ÖFB. Mit seinem Freund Hansi Neuner plante der gelernte technische Zeichner die Errichtung eines von ihm konzipierten großen Rafting-Centers in Silz am Inn, das „Outdoor Bruno Pezzey“, heute eines der größten Outdoor-Unternehmen Österreichs. Die Eröffnung 1995 erlebte Bruno Pezzey nicht mehr. An jenem Silvesterabend 1994 hatte sein Herz zu schlagen aufgehört.
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