Ernst Happel

Der „Wödmasta“

Biografie
Geboren am:
29.11.1925 in Wien
Gestorben am: 14.11.1992 in Innsbruck
Grabstätte: Wien
Friedhof Hernals (Ehrengrab)
Leopold-Kunschak-Platz 7 im 17. Bezirk;
Gruppe 1; Nr. 238;
Haupteingang ganz rechts oben am Hang
Stationen der Karriere als Spieler
Position: Mittelläufer
Vereine: SK Rapid Wien (1943-1954)
Racing Club de Paris (1954-1956)
SK Rapid Wien (1956-1959)
51 Länderspiele (1947-1958); 5 Tore
WM-Teilnehmer 1954, 1958
Österreichischer Meister 1946, 1948, 1951,
1952, 1954, 1957
Stationen der Karriere als Trainer
ADO Den Haag (1962-1969)
Feyenoord Rotterdam (1969-1973)
FC Sevilla (1973-1975)
FC Brügge (1975-1978)
Nationalmannschaft Niederlande (1978)
KRC Harelbeke (1978-1979)
Standard Lüttich (1979-1981)
Hamburger SV (1981-1987)
FC Swarovski Tirol (1987-1991)
Nationalmannschaft Österreich (1992)
Vizeweltmeister 1978
Europapokal der Landesmeister 1970, 1983
Niederländischer Meister 1969, 1971
Belgischer Meister 1976, 1977, 1978
Deutscher Meister 1981, 1982
Österreichischer Meister 1989, 1990

„Wir haben so viel erlebt, ich muss aufhören. Mit zu viel Siegen geht die Disziplin zurück. Wir werden zu sehr Freunde. Man leidet und weint, man lacht und gewinnt zusammen. Und das darf nicht zu lange dauern.“ Mit diesen Worten verabschiedete sich Ernst Happel 1973 als Trainer von seinem Team Feyenoord Rotterdam, mit dem er 1970 den Europapokal der Landesmeister gewonnen hatte und das als erstes jenen „Total Football“ praktizierte, den dann Ajax Amsterdam und die holländische Nationalmannschaft perfektionierten. Happel gab den Spielern keine Positionsnamen, er gab ihnen Jobs. Sie sollten auf verschiedenen Posten agieren können, was ihre Flexibilität und Mobilität auf dem Spielfeld erhöhte und den Gegner verwirrte, der sein starres Deckungsschema kaum anwenden konnte. Es war die erste große Zeit des holländischen Fußballs, der dank der anschließenden Erfolge von Ajax Amsterdam mit dem genialen Johan Cruyff, das von 1971 bis 1973 dreimal hintereinander den Landesmeisterpokal gewann, in Europa Maßstäbe setzte.

Was war das für ein Mann, der die starren Spielsysteme auf dem Altar der „schöpferischen Zerstörung“ zugunsten des Rotationsverfahrens opferte? Er lehrte seine Spieler, selbstbewusst und offensiv zu spielen, und erfand mit Raumdeckung, Pressing und kreativer, intelligenter Positionswechsel während des Spiels einen neuen Fußballstil, den Trainer wie Rinus Michels (Ajax Amsterdam), Waleri Lobanowski (Dynamo Kiew) und Arrigo Sacchi (AC Mailand) weiterentwickelten. Was Happel schuf, wurde richtungweisend für die spätere Generation der Erfolgstrainer.

Als Spieler war Happel ein schlampiges Genie mit wenig Disziplin, als Trainer ein Bohemien, der Alkohol, Zigaretten, Frauen und Glücksspiel nicht abgeneigt war, von seinen Spielern aber äußerste Disziplin, Professionalität und geistige wie körperliche Fitness verlangte. Er war „ein menschlicher Schleifer“, sagte Günter Netzer, der Happel 1981 zum Hamburger SV holte. Am Ende seiner Trainerkarriere hatte der Wiener, der nie eine Trainerprüfung absolvierte, 18 nationale Titel gewonnen, aber keinen der großen europäischen Clubs trainiert. Honoris causa machten ihn seine österreichischen Landsleute zum „Wödmasta“. Das wäre er als holländischer Teamchef auch fast geworden, hätte Rob Rensenbrink eine Minute vor Spielende im 1978er WM-Finale Argentinien gegen die Niederlande beim Stand von 1:1 freistehend vor dem Tor den Ball nicht an den Pfosten, sondern ins leere Tor geköpft. So kam es zur Verlängerung, die Argentinien dank zweier Tore von Mario Kempes den Titel brachte.

Happels Karriere als Spieler begann nach dem Krieg bei Rapid Wien. Als Stopper überzeugte er bald mit hervorragender Technik, präzisem Tackling und taktischer Reife. Am 14. September 1947 bestritt er sein erstes Länderspiel, und er hatte 51 Länderspiele absolviert, als er mit der WM 1958 seine internationale Laufbahn beendete.

Ein Jahr später hing er seine Fußballschuhe ganz an den Nagel und begann seine Trainerkarriere. Sie steuerte dem ersten Höhepunkt zu, als er 1969 Feyenoord Rotterdam übernahm und am 6. Mai 1970 in Mailand mit einem sensationellen 2:1 gegen Celtic Glasgow den Europapokal der Landesmeister gewann. 1978 wäre ihm das mit dem FC Brügge fast ein zweites Mal gelungen, der jedoch im Endspiel dem FC Liverpool mit 0:1 unterlag. Am 25. Mai 1983 war es aber wieder so weit, als er mit dem Hamburger SV dank eines Tores von Felix Magath überraschend Juventus Turin schlagen konnte und erneut den Landesmeisterpokal in der Hand hielt. Ernst Happel ist neben Ottmar Hitzfeld der einzige Vereinstrainer, der bisher mit zwei verschiedenen Clubs Europas begehrteste Vereinstrophäe gewann.

Ernst Happel, Fußballtrainer und „Wödmasta“.

Happel übernahm nie fertige Mannschaften, sondern brachte den Erfolg erst mit. Er krempelte die Teams um und umgab sich mit Spielern, die sein System verstanden und als Allrounder umsetzten, und das mit Hingabe. Seine Ansprachen an die „Spilers“, ein Kauderwelsch aus hochdeutschen, österreichischen und holländischen Vokabeln mit vermischter Grammatik, waren kurz und simpel und wirkten dennoch wie ein „Evangelium“. So nannte es Franz Beckenbauer, der seine große Karriere unter Ernst Happel mit dem Gewinn der deutschen Meisterschaft 1982 – mit dem Hamburger SV(!) – beendete.

Grabstätte von Ernst Happel: Wien, Friedhof Hernals (Ehrengrab), Leopold-Kunschak-Platz 7 im 17. Bezirk, Gruppe 1; Nr. 238; Haupteingang ganz rechts oben am Hang.

Ernst Happel liebte Kinder, Fußball, das Brausen des vollen Stadions, den Klang von Frauenstimmen und der aufs Tuch fallenden Spielkarte, am liebsten im „Kaffeehaus Ritter “ in der Ottakringer Strasse in Wien, wohl wissend, dass sein exzessiver Lebensgenuss nicht ohne Folgen bleiben würde. Nach 25 Jahren Wanderschaft durch Europa kehrte er in seine Heimat zurück, aber nicht nach Wien, in die Stadt, wo er als Sohn zweier Wirtsleute geboren wurde. Es zog ihn überraschend nach Tirol zum FC Swarovski Innsbruck. Er wusste bereits von seinem Lungenkrebs, ging aber mit seiner Krankheit so unsentimental und respektlos wie mit allen wichtigen Dingen des Lebens um. Er führte seinen Provinzclub noch zu zwei Meistertiteln und einem Cupsieg, bevor er im Dezember 1991 auf intensives Drängen des Österreichischen Fußballbundes die Nationalmannschaft übernahm, um sie zur Weltmeisterschaft 1994 zu führen, obwohl er einst über dieses Amt gesagt hatte: „Ich bin Patriot, aber kein Idiot.“

Trotz seines mittlerweile auch äußerlich sichtbaren schlechten Gesundheitszustandes machte er sich mit Verve an die neue Aufgabe. Es ging ein Ruck durch die Mannschaft, aber der „Wödmasta“ konnte sein letztes Werk nicht mehr vollenden. Am 18.11.1992 stand das Prestigeduell gegen Deutschland in Nürnberg bevor. Happel lag in der Innsbrucker Uni-Klinik, als ihn sein Co-Trainer „Didi“ Constantini eine Woche vorher aufsuchte, um die Mannschaft für das Freundschaftsspiel festzulegen. Es ging Happel sehr schlecht.

„Samstag hau ich ab!“

Hin und wieder schlug er die Augen auf, und als Constantini mit der Frage zur Mannschaftsausstellung kam, sagte Happel kaum hörbar: „Wie gegen Israel!“ Dann schlief er wieder ein, wachte nochmals kurz auf und flüsterte Constantini zu: „Samstag hau ich ab!“ Was meinte er damit? Wohl nicht das, was Constantini zu verstehen glaubte, als er sagte: „Pack nur z’samm, Ernstl, ich komm mit dem Auto, dann sind wir gleich in Nürnberg!“ Am 14. November 1992, einem Samstag, schlief Ernst Happel um 17:17 Uhr für immer ein.

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