Josef „Pepi“ Bican

Der Ziegelbehm

Biografie
Geboren am:
25.9.1913 in Wien
Gestorben am:
12.12.2001 in Prag
Grabstätte: Prag,
Vysehradsky hrbitov
(Ehrenfriedhof Slavin auf dem Vysehrad)
Ulica Stulcova, direkt im Blickfeld des
Haupteinganges (nach ca. 30 m).
Stationen der Karriere als Fußballer:
Position: Halbstürmer
Vereine: ASV Hertha Wien (1923-1928)
Schustek und Farbenlutz Wien
(Firmenmannschaft) (1928-1930)
SK Rapid Wien (1930-1935)
Admira Wien (1935-1937)
Slavia Prag (1937-1948)
Vitkovice Zelezarny (1949-1952)
Sparta Hradec Kralove (1952-1953)
Slavia Prag (1953-1955)
19 Länderspiele für Österreich (1933-1936);
14 Tore
14 Länderspiele für die Tschechoslowakei
(1938-1949); 12 Tore
WM-Teilnehmer 1934
Österreichischer Meister 1935, 1936, 1937
Tschechischer Meister 1940, 1941, 1942, 1943, 1947, 1948
Stationen der Karriere als Trainer
Vereine: Slavia Prag (1955-1956)
TJ Slovan Liberec (1956-1957),
TJ Spartak ZJS Brno (1957-1958),
TJ Banik Pribram (1958-1959),
SK Kladno (1959-1960),
Spartak Hradec Kralove (1960),
KSK Tongeren (Belgien) (1969-1972)

Am 6. September 1931 debütiert der junge Josef Bican, genannt „Pepi“, in der Profimannschaft von Rapid Wien. Auf der Pfarrwiese, der damaligen Heimstätte von Rapid Wien, kommt es zum klassischen Wiener Derby der Grün-Weißen gegen die Violetten von der Austria. Bican trifft auf einen zehn Jahre älteren Gegenspieler, dem bereits ein legendärer Ruf in Europas Stadien vorausgeht: Matthias Sindelar.

Beide verkörpern ihre Vereine. Bican strotzt nur so vor Kraft, Sindelar dagegen wirkt feingliedrig und ist technisch beschlagen. Beide stammen aus dem Stadtteil Favoriten, beide sind in der Quellenstraße aufgewachsen, und beide repräsentieren die Volksgruppe der sogenannten Ziegelbehm (Ziegelböhmen), wie man in Wien etwas abschätzig die Zuwanderer aus dem böhmisch- mährischen Kronland der österreichisch-ungarischen Monarchie nannte, die vor dem Ersten Weltkrieg auf der Suche nach Arbeit in die Donaumetropole gekommen waren. Damals hatte ein Bauboom ohnegleichen geherrscht, der den „Ziegelbehm“ eine Existenzgrundlage als Bauarbeiter verschaffte. Aus diesem armen Einwanderermilieu rekrutierte sich bis zum Zweiten Weltkrieg ein schier unerschöpfliches Reservoir an großen Talenten tschechischer Provenienz, die Österreichs Fußball bereicherten, neben Bican und Sindelar Spieler wie Josef Uridil, Karl Sesta, Josef Smistik oder Rudolf Vytlacik.

„Pepi“ Bican hatte in der Tat die Physis und Aura eines Bauarbeiters: enorme Kraft, Schnelligkeit, Härte und Durchsetzungsvermögen. All das machte ihn in den nächsten Jahren zu einem großartigen Fußballer. Mit Rapid gewann er drei Meisterschaften, mit der österreichischen Nationalmannschaft hatte er einen starken Auftritt bei der WM 1934 und wurde zu einem der erfolgreichsten Torschützen Europas aller Zeiten.

1937 aber trifft er eine Entscheidung, die sein späteres Leben dramatisch verändern wird. Er, der fließend Tschechisch spricht, wechselt zu Slavia Prag. Er bekommt einen gut dotierten Vertrag, das Umfeld ist angenehm, und Bican knüpft unmittelbar an seine Wiener Erfolge an. Am 7. August 1938 bestreitet „Pepi“ das erste Länderspiel für seine neue Heimat und steuert drei Treffer zum 6:2-Sieg über Schweden bei. Doch dann wird er Getriebener der politischen Umwälzungen in Zentraleuropa, die mit dem Münchner Abkommen vom September 1938 beginnen: Auf Druck von Mussolini und Hitler und mit dem Einverständnis von England und Frankreich wird die tschechoslowakische Regierung gezwungen, das Sudetenland mit seiner überwiegend deutschsprachigen Bevölkerung an das Deutsche Reich abzutreten. Als die deutsche Wehrmacht am 15. März 1939 auch in die, wie es in der Nazipropaganda heißt, „Rest-Tschechei“ einmarschiert, Prag besetzt und die Slowakei zu einem deutschen Satellitenstaat macht, ist das Ende der Tschechoslowakei besiegelt.

Bican spielte nun für das „Protektorat Böhmen und Mähren“, und das so gut, dass man dem gebürtigen Wiener antrug, Bürger des „Großdeutschen Reiches“ zu werden und für die deutsche Nationalmannschaft aufzulaufen. Seit dem Anschluss Österreichs im März 1938 taten das bereits, mehr oder weniger zwangsweise, einige seiner früheren Wiener Mannschaftskameraden. Bican lehnte mit dem Argument ab, dass er trotz seiner Geburt in Österreich Tscheche sei, wie alle seine Vorfahren. Die Weigerung hatte keine nachteiligen Folgen für ihn, abgesehen davon, dass er, der auf dem Höhepunkt seines Könnens war, nicht mehr international spielen konnte. Trotz Auslandsangeboten aus der Schweiz, Frankreich und Italien blieb er in Prag, überstand die Besatzungszeit und spielte weiter auf hohem Niveau.

Feindbild der stalinistischen Ideologen

Aber bald nach dem Zweiten Weltkrieg geriet er in die Turbulenzen des erneuten politischen Umbruches in der Tschechoslowakei. Als die Kommunisten im „Siegreichen Februar 1948“ die Macht übernahmen, begannen Schikanen gegen die sogenannten bürgerlichen Klubs und ihre Profispieler. Bican, das Idol der Massen, wurde stellvertretend für seine Zunft zum Feindbild der stalinistischen Ideologen und sein Name zum Synonym des „bourgeoisen und kapitalistischen Sports, der vom reaktionärsten Teil der Zuschauer geschätzt wird.“ Der Starkult wurde verdammt, und die Hatz auf Bican ging in den nächsten Jahren so weit, dass er zur unerwünschten Person im Sport erklärt wurde. Für seinen Lebensunterhalt verdingte er sich als Bauarbeiter (!) und Lastwagenfahrer im Prager Moldauhafen.

Grabstätte von Josef Bican:
Prag , Vysehradsky hrbitov (Ehrenfriedhof Slavin auf dem Vysehrad), Ulica Stulcova, direkt im Blickfeld des Haupteinganges (nach ca. 30 m).

Der „Prager Frühling“ 1968 bescherte ihm erstmals wieder die Möglichkeit, ins Ausland zu reisen. Er erhielt die Erlaubnis, als Trainer zum belgischen Viertligisten KSK Tongeren zu wechseln. Mit Ablauf seiner Aufenthaltserlaubnis kehrte er 1972 nach Prag zurück. Das politische Klima hatte sich erneut zum Schlechteren verändert, aber die Führer von Staat und Partei wollten nach der Niederschlagung der Reformbewegung von 1968 Sympathien bei der Bevölkerung ernten und sorgten dafür, dass die großen Stars nicht mehr offiziell geächtet wurden. Die Fußballfans hatten „Pepi“ Bican sowieso nicht vergessen. Nun gab auch das politische System ihm wieder den Freiraum, in der Öffentlichkeit eine hochgeachtete Stellung einzunehmen, eine Stellung, die sich nach der „samtenen Revolution“ von 1989 noch verstärkte. Zusammen mit Josef Masopust, dem bedeutendsten Spieler der 60er Jahre und Fußballer Europas von 1962, wurde Bican zum „Fußballer des Jahrhunderts“ der Tschechoslowakei gewählt und im März 2001 zum Ehrenbürger Prags ernannt.

Versöhnt mit seiner zweiten Heimat, starb der Wiener mit den tschechischen Wurzeln am 12. Dezember 2001 nach kurzer Krankheit und wurde auf dem Ehrenfriedhof Slavin neben den großen Persönlichkeiten der tschechischen Kunst und Kultur bestattet.

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