Didi

Das welke Blatt (a folha seca)

Biografie:
Geboren am 8.10.1928 in Campos dos Goytacazes, Rio de Janeiro
Gestorben am 12.5.2001 in Rio de Janeiro
Grabstätte: Cemiterio de Sao Joao Batista
Plot: Alea 8-N.549 Plot
Adresse: R.Gen. Polidoro, 245; Botafogo/Rio de Janeiro

Stationen der Karriere als Fußballer:
Position: Offensives Mittelfeld
Vereine: Clube Esportivo Rio Branco, Rio de Janeiro (1945)
Goytacazes FC (1945-1946)
Americano FC (1946)
CA Lencoense, Sao Paulo (1946-1947)
Madureira EC, Rio de Janeiro (1947 -1949)
Fluminense FC, Rio de Janeiro;(1949-1956)
Botafogo FR, Rio de Janeiro; (1957-1959)
Real Madrid (1959-1960)
Botafogo FR, Rio de Janeiro; (1960-1962)
Sporting Cristal/ Peru (1963) Spieler-Trainer
Botafogo FR, Rio de Janeiro; (1964-1965) Spieler-Trainer
Tiburones Rojos de Veracruz/Mexico; (1965-1966) Spieler-Trainer
FC Sao Paulo (1966)
 
Teilnehmer WM (1954, 1958,1962)
Weltmeister (1958 und 1962)
68 Länderspiele (20 Tore)
Brasilianischer Meister (1951/1957/1961/1962)
Peruanischer Meister 1968
Spanischer Meister 1959/1960
Europapokal der Landesmeister 1959/60
 
Stationen der Karriere als Trainer:
Sporting Cristal, Peru; (1962-1964)
Botafogo FR, Rio de Janeiro; (1964-1965)
CD Veracruz, Mexico; (1965)
FC Sao Paulo (1966-1967)
Sporting Cristal Peru; (1967-1969)
Peru (Nationalmannschaft); (1969-1970)
River Plate Buenos Aires, Argentinien (1971-1972)
Fenerbahce Istanbul, Türkei (1972-1975)
Fluminense FC, Rio de Janeiro (1975)
Cruzeiro Belo Horizonte (1977)
al-Ahli, Saudi-Arabien (1978-1981)
Cruzeiro Belo Horizonte (1981
Atletico Mineiro, Belo Horizonte (1981)
Fortaleza EC, (1985)
FC Sao Paulo (1986)
Alianza Lima, Peru (1986)
Bangu AC, Rio de Janeiro; (1989-1990)
Atletico Mineiro (1990-1991)
Kuwait (1992)
 
Meister Peru (1968)
Meister Türkei (Double) 1974 /1975
Meister Saudi-Arabien 1978
Meister Brasilien 1986

Die südamerikanischen Umzugsunternehmen hatten in den 50 und 60er Jahren ihre wahre Freude an dem sehr flexiblen und wechselwilligen Starfußballer der Brasilianer und organisierten 1959 auch seinen nicht allzu langwährenden Ausflug in transatlantische Gefilde, zu Real Madrid.

Didis strategische Fähigkeiten waren zwingend notwendig, um bei der WM 1958 in Schweden das Quartett der vier Musketiere in Brasiliens-Sturm (Garrincha, Vava, Pele und Zagallo) zu dirigieren und zu zähmen, um sie dann so mit Futter zu versehen, dass sich die Abwehr ihrer schweren Gegner Sowjetunion (2:0), Frankreich (5:2) und Schweden (5:2) in Luft auflöste.

Foto: Brasilien WM Finale 1958. Positionsverschiebungen.
Quelle Foto: Wikimedia Commons

Didi war das Hirn der Seleção beim Gewinn des ersten WM-Titels des Landes am Amazonas und auch bei der Titelverteidigung 1962 in Santiago de Chile gegen die Tschechoslowakei, und das mit fast der gleichen Mannschaft. Lediglich Orlando stand nicht im Kader. Wunderstürmer Pele begann das Turnier erfolgreich, verletzte sich aber im zweiten Spiel und wurde einschließlich des Finales durch Amarildo ersetzt. Didi war der Spielmacher, der geistige Lenker der Seleção, der die freischaffenden Künstler im Sturm befruchtete und navigierte.
Didi repräsentierte den Vertreter des klassischen „körperlosen“ Fußballs, der ein Spiel nie in einem erbitterten Kampf enden sehen wollte. Er kannte die kürzesten Wege auf dem Spielfeld. Das war vielleicht auch unumgänglich, denn sein täglicher Zigarettenkonsum entsprach ungefähr der Anzahl seiner Stationen als Fußballer und Trainer: rund 30!

Seine Fähigkeit als „Coast to Coast“-Spieler über das gesamte Spielfeld war das Ergebnis harter Arbeit. Didi über seinen früheren Vereinscoach Zeze Moreira bei Fluminense: „Unter dessen Fuchtel habe ich sieben Jahre geächzt und gestöhnt, aber auch unendlich viel gelernt. Es war eine harte Zeit voller Schweiß und Mühsal, aber sie hat sich gelohnt. Früher war ich Valdir Pereira, erst Moreira hat aus mir das gemacht, was ich heute bin: Didi“. Dem Sterblichen sind immer Arbeit und Kampf vor das Ziel gesetzt. Seinem Kopf entspringt nicht sogleich das fertige Kunstwerk wie Pallas Athene dem Haupte des Zeus.

Didi war nach Ansicht des brasilianischer Dichters Nelson Rodrigues auf dem Platz wie ein „äthiopischer Prinz“, mit erhobenem Kopf, ohne auf den Ball zu schauen und mit aufrechtem Körper. Er sah mehr als die Mannschaftskollegen.

Nach einer Knöchelverletzung zu Beginn seiner Karriere, die es ihm zunächst schwerfallen ließ, den Ball richtig fest zu treten, begann Didi mehr und mehr mit dem Außenrist zu passen und Freistöße zu schießen. Daraus entwickelte er eine Spezialtechnik, die so ablief: Er gab dem Ball mit dem Außenrist einen so starken Drall, dass der vor allem bei Freistößen hinter den gegnerischen Abwehrreihen unerwartet und unberechenbar wie welkes Herbstlaub (o folha seca) zu Boden fiel und Torwart und Verteidiger irritierte. Sie machten Fehler. Das war Manna für die Stürmer, die die Auswirkung dieses Effektes kannten und antizipierten. Sie wussten aber wahrscheinlich nicht, dass dieser „Effet a la Didi“ 100 Jahre vorher vom deutschen Physiker Heinrich Gustav Magnus (1802-1870) entdeckt und physikalisch beschrieben worden war. Es handelt sich um ein Phänomen der Strömungsmechanik und beschreibt die Querkraftwirkung (Kraft), die ein rotierender runder Körper (Zylinder, Kugel oder Ball) in einer Strömung erfährt. Je schneller der Ball dreht, umso größer ist die Bahnablenkung. Da war nichts mit Voodoo-Zauber, wie es manche Mitspieler Didis, die nicht ganz in der Physik und Mathematik zuhause waren, glaubten. Heute wird das in den Ballsportarten trainiert. Fußballer nutzen den Effekt für Bananenflanken, Tischtennis und Tennisspieler für Topspin und Slice oder die Pitcher im Baseball als Curveball beim Wurf zum Batter, dem Schlagmann.

Natürlich klopfte Real Madrid nach Didis großartigen Leistungen in Schweden bei Botafogo an und wollte ihn als Spielmacher und Ersatz für Stürmer Hector Rial verpflichten, vielleicht auch als designierten Nachfolger für den mittlerweile doch schon 33-jährigen Superstar und Lenker des Real-Spiels, Alfredo di Stefano.Der „Point Guard“ aus Botafogo hatte in Schweden seine Spielkunst erstmals im europäischen Fernsehen live miterlebbar gemacht.

Die Madrilenen herrschte in jenen Jahren über Europas Fußball. Deren Strategie, unter Präsident Santiago Bernabeu die weltbesten Individualisten zu verpflichten und zu einem Team zu formen, konnte Didi nicht negieren und das großzügige Angebot nicht ablehnen.

Für üppige Peseten wechselte der Spielmacher zu Real und wurde zum Edelreservisten. Die Rolle als Stürmer neben Gento, Kopa und Puskas lag ihm aber überhaupt nicht und an der dominanten Stellung von di Stefano als Spielgestalter des „Weißen Balletts“ durfte oder konnte er nicht rütteln, zumal di Stefano ihn nicht mochte und als Rivalen behandelte.

Foto: Didi (links) mit Alfredo di Stefano und Ferenc Puskas.
Quelle Foto: Real total

Letztlich wurden Didi die Sportgazetten zum Verhängnis, gut gefüttert von di Stefano. „Ihm gelingt es nicht, den Geist von Real Madrid zu verkörpern“ stänkerte der um seine Führungsrolle fürchtende Mittelfeldregisseur, der wohl eifersüchtig auf Didis Weltmeistertitel war. Und es gab enorme Abstimmungsprobleme im Angriff. Ferenc Puskas, Raymond Kopa und „Paco“ Gento hatten sich der Führungsrolle di Stefanos angepasst. Mit Didi zeigte die seit fast fünf Jahren eingespielte Maschinerie Reals bei der Antizipation vermeintlich nicht existenter Räume und sich entwickelnder Spielsituationen unerwartete Ausfälle. Santiago Bernabeu und Didi beendeten das prominente Missverständnis nach nur 19 Ligaspielen und Didi kehrte wieder in die offenen Arme Botafogos zurück, mit einem erheblichen Peseten- Bündel im Gepäck.

Didi war schon nicht mehr im Kader, als Real das Europacupfinale der Landesmeister 1960 im Glasgower Hampden Park spektakulär mit 7:3 gegen Eintracht Frankfurt gewann. Aber nach diesem Spiel ging die dominante Ära von Real zu Ende und es kam zur Wachablösung durch Benfica Lissabon und Internazionale Mailand. Was wäre aus Real geworden, wenn Didi die Lenkerrolle des in die Jahre gekommenen di Stefano übernommen hätte?

Während Alfredo di Stefano übrigens nie ein WM-Spiel bestritten hat, gingen Didis Erfolge in Brasilien hingegen weiter mit dem erneuten Höhepunkt als Weltmeister 1962.

Didi war nie Mannschaftskapitän der Seleção, weder 1958 (das war Bellini) noch 1962 (das war Mauro). Warum auch immer? Aber Didi war die väterliche Figur in Vicente Feolas Ensemble. Pele erzählte viele Jahre später von seinem Lampenfieber vor dem WM-Finale im Rasunda-Stadion von Stockholm und der Bedeutung Didis für seine Weltkarriere.

In „11 Freunde“ vom 13. Januar 2009 „dokumentiert“ Dirk Gieselmann, wie es Didi und dem legendären Masseur Americo in einer konzertierten Aktion vor dem WM-Finale 1958 gelang, den unter dem „Medo do Palco (Lampenfieber) leidenden Pele zu bewegen, mit aufs Spielfeld zu gehen. Pele klammerte sich dabei an Americo, das Mädchen für alles (Betreuer, Masseur, Quacksalber und praktizierender Voodoo-Anhänger)

Pele (ängstlich): Ich will da nicht raus, Onkel Americo!

Americo (onkelig): Hab keine Angst, mein Junge. Die Welt wird dich lieben!

Pele (verzweifelt): Aber ich weiß noch nicht mal mehr, wie man einen Ball stoppt.

Americo: Das kannst du nicht verlernt haben. Geh einfach raus und spiel!

Ein schwedischer Verteidiger, wahrscheinlich Orvar Bergmark, der „eiserne Besen“, macht eine Knochenbrecher-Geste in Peles Richtung.

Pele (panisch); Ich geh auf keinen Fall da raus!

Americo (beschwörend): Ich sage dir, du wirst ihnen den Hut aufsetzen!

Didi, der brasilianische Spielmacher, schlendert vorbei. Er klopft Pele auf die Schulter.

Didi (relaxed): Kann’s losgehen, Kleiner?

Pele (hysterisch): Ich will nach Hause!

Americo (sanft): Der Junge hat Lampenfieber, Didi.

Didi (listig): Hast du nicht noch einen Schluck von deinem Zaubertrank?

Americo fummelt einen Flachmann aus seiner Gürteltasche.

Pele: (verunsichert): Was ist da drin?

Didi (fachmännisch): Gegen Heimweh!

Pele nimmt einen großen Schluck.

Pele (strahlend): Aaaaaah!

Americo (erleichtert): Siehst du, mein Junge!

Didi (auf die Flasche schauend): Ooooooh!

Pele klopft ihm auf die Schulter.

Pele (grinsend): Kann’s losgehen, Alter?

Didi (siegesgewiss): Setzen wir ihnen den Hut auf, Kleiner.

So wurde Brasilien Weltmeister. Didi beendete seine Nationalmannschafts-Karriere vier Jahre später in Chile. Das WM-Finale 1962 gegen die Tschechoslowakei (3:1) war sein letztes Länderspiel im gelb-blauen Trikot der Seleção. Die Schmach von Maracana 1950, noch in den weißen Trikots, war endgültig getilgt. Beim WM-Triumph in Schweden musste die brasilianische Mannschaft nämlich noch in blauen Shirts spielen, weil Gastgeber Schweden das „ius primae Trikotwahl“ hatte und in seinen Nationalfarben Gelb und Blau auflief.

Foto: WM 1962; Brasilien ist Weltmeister.
V.l.r. oben: Djalma Santos, Zito, Gilmar, Zozimo, Nilton Santos, Mauro
V.l.r. unten: Garrincha, Didi, Vava, Amarildo, Zagallo
Quelle Foto: Wikimedia Commons

Didi: „Mit 34 Jahren, als zweifacher Weltmeister, hatte ich bereits erreicht, was ich wollte. Ich bin erfüllt wie ein Star. Jetzt möchte ich in die Welt hinausgehen, wie ein wandernder Jude, und den Kindern das Kurvenfahren beibringen“.

Die südamerikanischen Umzugsunternehmen überkam wieder ein Gefühl der Vorfreude auf neue Umsätze mit Didi, vielleicht auch im Transatlantik-Geschäft. Denn der hatte sich entschlossen, Trainer zu werden. Und seine Wanderungen fanden nicht nur auf dem amerikanischen Sub-Kontinent statt. Sie führten ihn auch in den Nahen Osten. Seine Erfolgsbilanz als Coach kann sich sehen lassen.

Grabstätte Cemiterio de Sao Joao Batista, Botafogo
R. Gen. Polidoro, 245 Botafogo (RJ))
Plot: Alea 8-N.549

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