Raymond Kopa
„Der Napoleon des Fußballs„

Geboren am 13.10.1931 in Noeux-les-Mines
Gestorben am 3.3.2017 in Angers
Grabstätte:
Angers, Cimitiere de L’Ouest, Rue de Meignanne, Frankreich
Stationen der Karriere als Fußballer
Position: Mittelfeld/Rechtsaußen
US Noeux-les-Mines (1948-1949)
Angers SCO (1949-1951)
Stade Reims (1951-1956)
Real Madrid (1956-1959)
Stade Reims (1959-1967)
46 Länderspiele 18 Tore
Europas Fußballer des Jahres 1958 (Ballon d’Or)
Europapokal der Landesmeister 1957, 1958, 1959
WM-Teilnehmer 1954, 1958
Französischer Meister 1953, 1955, 1960, 1962
Spanischer Meister 1957, 1958
Der Standesbeamte in Noeux-les-Mines nordwestlich von Lens wird wohl einige Nachfragen gestellt haben, als im Oktober 1931 ein der französischen Sprache nicht ganz mächtiges Ehepaar vor ihm stand, um ihren neuen Sprössling anzumelden und eine Geburtsurkunde mitzunehmen. Der Name schien ihm nicht ganz geheuer. Denn Raymond Wlodarczyk Kopaszewski sollte der frisch Geborene heißen. Der Vorname war dem Standesbeamten noch geläufig. Aber dann revoltierte sein Sprachverständnis, das nach allgemeiner Auffassung bei Franzosen –was Fremdsprachen anbetrifft – unterentwickelt ist. Es ist dem Standesbeamten aber doch gelungen, eine gültige und wohl sprachlich korrekte Geburtsurkunde zu erstellen. Wie wird er sie später bewundert haben, als dieser Sprössling den Fußball-Club Stade Reims und die französische „Equipe Tricolore “ in den 50er Jahren in die Weltspitze des Fußballs schoss. Magnifique! Incroyable ! Und dann auch noch Stürmer bei Real Madrid, den Königlichen! Vive la France! Aus dem kleinen Raymond Kopaszewski wurde auf dem Fußballplatz angesichts der sprachlichen Herausforderung für einen Durchschnitts-Franzosen sehr bald ein „Kopa“ und 27 Jahre später „Europas Fußballer des Jahres 1958“. 2007 ernannte ihn Staatspräsident Chirac zum „Offizier der Ehrenlegion“, eine der ranghöchsten Auszeichnungen in Frankreich. Wer hätte im Oktober 1931 eine solche Sozialprognose gewagt? Der Standesbeamte sicherlich nicht. Denn alles deutete darauf hin, dass der kleine Raymond (später 1,68 groß und 68 kg schwer) wie seine Vorfahren als Bergmann in die Kohlenschächte des Departments „Pas de Calais“ einfahren würde.
Raymond Kopa’s Wurzeln lagen im Ruhrgebiet wie die vieler großer deutscher Fußballer des 20. Jahrhunderts. Seine Großeltern stammten aus Krakau, das von 1846 bis 1918 zu Österreich-Ungarn gehörte. Der Großvater kam Ende des 19. Jahrhunderts als Bergmann in das Ruhrgebiet, wo Kopa‘s Eltern geboren wurden. Nach dem Ersten Weltkrieges ging es den Menschen im Ruhrgebiet schlecht! Deshalb kehrten manche der polnisch sprechenden Bergarbeiter zurück in ihren im „Vertrag von Versailles“ neu geschaffenen Staat Polen oder sie wanderten nach Frankreich ab, dem es als Siegerstaat wirtschaftlich etwas besser ging. Die meisten blieben allerdings in Deutschland. (siehe Porträt „ Ruhrpolen“). Großvater Kopaszewski entschied sich 1919, mit vier Kindern, darunter Raymonds 13 jährigem Vater Franz nach Nord-Frankreich in das Kohlerevier rund um Lens und Lille zu emigrieren. Als der kleine Raymond das Licht der Welt am 13.10.1931 erblickte, sah er zunächst nur graue Fördertürme in allen Himmelsrichtungen bis zum Horizont und rußgeschwärzte Häuser. Die draußen hängende Wäsche sah vermutlich auch nicht sehr viel anders aus.
1945 machte Kopa seinen Schulabschluss und begann wie alle männlichen Familienmitglieder im örtlichen Bergwerk unter Tage zu arbeiten. Dank seiner fußballerischen Fähigkeiten durfte er bald leichtere Arbeiten im Bergwerk ausführen, um im Training seine vorhandenen Qualitäten als Fußballer zu verbessern. Seine unbedingte Hingabe zum Fußball erklärte Kopa später damit, dass er in diesen Jahren alles dafür tat, um „meinem vorgezeichneten Leben als „Schwarz-Fresse“ zu entkommen“. Die Familie zahlte einen hohen Preis für die Arbeit im Bergwerk. Der Vater starb mit 56 an der Staublunge, sein Bruder erlitt mit 64 das gleiche Schicksal. Und Raymond verlor bei einem Grubenunglück einen Finger. Gott sei Dank keinen Fuß. Sein fußballerisches Können öffnete ihm eine andere Welt. Die Karriere begann beim Fußballclub US Noeux-les-Mines. Über die erste Station als Profi 1949 beim SCO Angers an der Loire wechselte er zum amtierenden französischen Meister Stade Reims. Kopa war zu Beginn der 50er Jahre die dominierende Spieler-Persönlichkeit von Stade Reims und führte den Club aus der Champagne in das Finale um den Europapokal der Landesmeister, der am 13. Juni 1956 zum ersten Mal ausgespielt wurde. In Paris.
„Wir führten 2:0. Doch Alfredo di Stefano war nicht zu stoppen. Er bog das Resultat fast allein zu Gunsten Reals um, ein wahrer Herkulesakt. Am Ende hieß es 4:3 für Madrid. Es war die Geburtsstunde der größten Mannschaft in der Geschichte des Fußballs“. Und zu der wollte Kopa wechseln. Jetzt wurde es schicksalhaft. Ein Interview mit Raymond und seiner Frau Christiane gibt darüber Aufschluss. Frage: „Auch der AC Mailand soll an Ihnen interessiert gewesen sein? Ja, tatsächlich. Die Madrilenen haben mich persönlich kontaktiert, die Mailänder hingegen meine Frau. Christiane Kopa: Ich erinnere mich noch sehr gut an diesen Tag. Ich traf die italienischen Herren am Gare de l’Est. Sie erzählten mir, wie wohl ich mich in Mailand fühlen würde, der Modehauptstadt der Welt. Mich reizte es durchaus, dort zu leben, aber es ging ja nicht um mich, es ging um Raymond.“ Und der wollte zu Real Madrid. Ein weiser Entschluss des Emporkömmlings aus dem Kohlenrevier.
Real verpflichtet Kopa unmittelbar nach diesem Europapokalfinale für die damalige Rekordsumme von 52 Millionen Franc. In Reims spielte Kopa noch vor 10.000 Zuschauern, im „Estadio Santiago Bernabeu nun vor 125.000 euphorischen Madrilenen. Der Wechsel aus Reims zu Real Madrid war auch ein Verdienst Alfredo di Stefanos. Die Regel in Spaniens Fußball-Liga war, dass ein Team nur drei Ausländer im Kader haben durfte. Real hatte schon drei. Roque Olsen, Hector Rial und di Stefano. Alle Argentinier. Di Stefano ließ sich einbürgern. Um Platz für Kopa zu machen. Der Ungar Ferenc Puskas komplettierte das „weiße Ballett“. Was für eine Offensive. Don Alfredo als Dirigent, Puskas, der Major aus Ungarn als Adjutant links, dann der „kantabrische Sturmwind“ Francisco „Paco“ Gento und rechts „Kopita“, der kleine Kopa, wie ihn die „Madridistas“ liebevoll nannten. Und nicht zu vergessen: Rial!

Kopa war ein Volltreffer und gewann mit Real Madrid den Europapokal der Landesmeister dreimal hintereinander. 1957, 1958, 1959. Das Real dieser großen Ära nahm Treffer wie ein Boxer hin, aber sie machten die Mannschaft nicht benommen. Dann ging Alfredo di Stefano mal kurz von der Kommandobrücke in den Heizraum und schwuppdiwupp ging sein Rezept auf: Wenn der Gegner ein Tor macht oder auch zwei, dann machen wir eben drei oder vier. Kopa hat das alles in einem Interview relativiert. „Di Stefano war der Chef. Aber als Individualist war Ferenc Puskas noch eine Spur stärker. Übrigens! Di Stefano hat geraucht wie ein Schlot. Zwei Schachteln am Tag.“ Wann haben Sie aufgehört“? „Es war beim Champions-League Finale 1993 zwischen Olympique Marseille und dem AC Mailand in München. Ich saß auf der Ehrentribüne und musste feststellen, dass ich keine Kippen mehr dabei hatte. Es war nicht mehr genug Zeit zum Anstoß, um mir welche zu besorgen. Da habe ich einfach aufgehört“.
Großartig war Kopa’s WM-Auftritt 1958 in Schweden. Im schönsten Spiel dieser WM unterlag Frankreich mit 2:5 gegen Brasilien, um dann im Spiel um Patz 3 Deutschland mit 6:3 zu düpieren. Die Zeitung „Le Figaro“ schrieb damals: Kopa war ein glänzender Spielmacher. Er dribbelte die Deutschen so gekonnt aus, dass die ihr Gleichgewicht verloren und auf die Nase fielen, ohne zu kapieren, was ihnen passiert war.“ Kopa’s kongenialer Sturmpartner Just Fontaine, schoss 4 Tore und ist mit 13 Treffern immer noch der Schütze mit den meisten Toren bei einem WM-Turnier. Welch‘ schöne Geschichte. Raymond Kopaszewski trifft in diesem Spiel auf den deutschen Torwart Heinrich Kwiatkowski und schießt in der 27. Minute das 2:1.Die Franzosen schenken „Heini“ insgesamt sechs Tore ein. Vielleicht sind die Eltern von Raymond und Heinrich in der gleichen rußigen Bergarbeiter-Siedlung in Bottrop, Wanne -Eickel oder auf Schalke groß geworden. Weiß man es? Lebenslinien.
Nach der Weltmeisterschaft in Schweden wurde Kopa zum besten Spieler des Turniers gewählt, trotz der brasilianischen Zauberer Pele, Didi, Garrincha oder Vava . 1967 beendet er seine große Karriere. In einem Interview 2011 blickte er zurück: „Die Profis von heute haben es leichter, wenn sie ihre Schuhe an den Nagel hängen. Ich habe mich nach drei Jahren bei Real entschieden, nicht noch einmal um drei Jahre zu verlängern, weil ich mich in Frankreich auf die nächste Phase meines Berufslebens vorbereiten wollte. Ich habe unter der Marke „Kopa“ Sportartikel und Limonaden produziert, und hatte damit genügend Erfolg, um einige weniger vom Glück begünstigte Mitspieler von früher zu engagieren. Ab 1991 verbrachte er seinen Lebensabend auf Korsika.

Cimetière de l’Ouest, Rue de la Meignanne, Sector 14, Reihe 2;
Ecke Allee du Troglodyte Mignon
Die renommierte „France Football“ platzierte Kopa in der Liste der besten Fußballer Frankreichs des 20. Jahrhunderts auf Platz 3 hinter Michel Platini und Zinedine Zidane. Seit 2018 vergibt „France Football“ jährlich die Kopa –Trophy für den besten internationalen Nachwuchsspieler unter 21 Jahren. Erster Preisträger: Kylian Mbappe.