Horst Eckel

Der letzte Mohikaner

Biografie:
Geboren am 8.Februar 1932 in Vogelbach/Pfalz
Verstorben am 3.Dezember 2021 in Bruchmühlbach-Miesau/Pfalz
Grabstätte: Bruchmühlbach-Miesau, Ortsteil Vogelbach, Dorfstraße 83
Stationen der Karriere als Fußballer
Position: Mittelfeldspieler
Vereine: SC Vogelbach (1939-1949)
1.FC Kaiserslautern (1949-1960)
SV 06 Völklingen (1960-1966)
32 Länderspiele (1952-1958)
Weltmeister 1954
Deutscher Meister 1951 und 1953

Im hohen Alter von fast 90 Jahren ging Horst Eckel, der „letzte Mohikaner“, in die ewigen Jagdgründe ein, wo ihn die deutschen Weltmeister von 1954, die „Helden von Bern“, sehr erfreut willkommen hießen. Die zehn anderen Helden mussten lange auf ihn warten, denn Eckel war damals in der Schweiz mit gerade 22 Jahren der jüngste der Weltmeister. Sein Mannschaftskamerad vom 1.FC Kaiserslautern, Werner Kohlmeyer, wartete schon seit 1974 auf ihn, aber auch einige Ungarn aus der „Goldenen Mannschaft“, die sehr früh das Diesseits verließen. Die Puszta-Söhne hatten ihre Wigwams nicht weit vom deutschen Lager entfernt aufgestellt. In großer Vorfreude waren vor allem seine beiden Freunde Jenö Buzansky und Gyula Grosics, mit denen Horst Eckel bis zu ihrem Tode vor einigen Jahren immer ein freundschaftliches Verhältnis gepflegt hatte.

v.l.n.r. Edgar Wangen, Jenö Buzansky, Horst Eckel
beim 80. Geburtstag von Horst Eckel am 08. Februar 2012

Besonders froh, endlich seinen lieben Horst wiederzusehen, war der große Indianer-Häuptling Fritz Walter, der sich schon 2002 während der Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea in die ewigen Jagdgründe zurückgezogen hatte. Beide, Fritz und Horst, waren im Diesseits wie Vater und Sohn, beim 1.FC Kaiserslautern, in der Nationalmannschaft und auch nach dem Ende ihrer Fußballerkarriere.

Am Lagerfeuer saß auch der große Manitou Sepp Herberger wie damals im Besprechungsraum des Hotels Belvedere in Spiez und erzählte, wie man mit List auf die Jagd geht gegen scheinbar übermächtige Gegner. Und alle 54er Weltmeister lauschten erneut gebannt dem „weisen Mann“, dem „Chef“ mit seinem schönen Mannheimer Dialekt und alle fühlten sich wieder wohl. Wie damals am Thuner See. Nicht so die anderen elf Spieler, denen das Finale 1954 versagt blieb,obwohl sie auch die spielerische Klasse hatten, das Finale zu bestreiten. Sie blieben vom Lagerfeuer ein wenig fern, standen auch hier im leichten Schatten der Helden. Heinz Kwiatkowski dachte nur an die acht Tore, die er im Vorrundenspiel gegen Ungarn kassieren musste (3:8). Er fremdelte noch. „Wenn wir hier noch mal gegen die Ungarn spielen sollten, dann müssen Toni Turek oder Heinz Kubsch ran. Ich stelle mich nicht mehr in den Kasten.“ Nachvollziehbar. Im Hintergrund murmelten Fritz Laband (Hamburger SV) und Berni Klodt (Schalke 04): „Wir würden schon gerne spielen“. Sie waren auch im Jenseits immer noch enttäuscht, dass sie trotz guter Leistungen in den Vorrundenspielen nicht im Finale dabei waren.

Und dann begann der große Manitou zu erzählen, wie er mit seinem Häuptling Fritz 1952 die Voraussetzungen schuf, die deutsche Nationalmannschaft bei einer möglichen Teilnahme an der Weltmeisterschaft in der Schweiz 1954 personell und taktisch zu entwickeln. Deutschland hatte seit 1938 kein Turnier mehr bestritten und keiner hatte das DFB-Team als ein mögliches Siegerteam auf der Rechnung, zumal ja noch die Qualifikation gegen Norwegen und das damals unabhängige Saarland bevorstand.

Eine von Herbergers strategischen Entscheidungen war die Personalie Horst Eckel. Für den jungen Pfälzer begann alles in Vogelbach, dreißig Kilometer südwestlich von Kaiserslautern gelegen. In seinem Buch „Die 84.Minute“ beschreibt er die mühseligen, armen Jahre seiner Kindheit, die bald vom Zweiten Weltkrieg bestimmt wurden. Der Tod seines 18-jährigen Bruders Hans in Russland 1943 oder die Bombenangriffe auf die Pfalz als Bestandteil des Westwalls. Ständige Angst begleitete die Jungen der Region. Und hier lernte Horst unter äußerst schwierigen Rahmenbedingungen das Fußballspielen. Bei Fliegeralarm trainierte er halt im Wohnzimmer oder im Keller: Ball Jonglieren! Und wenn die Jungs draußen spielen konnten, war er Stürmer. Auch nach seinem Wechsel zum 1.FC Kaiserslautern zur Saison 1949/50 wurde er in der Offensive eingesetzt. Er schlug sich sehr gut, trotz starker Konkurrenz im Sturm mit Fritz Walter, Ottmar Walter und Werner Bassler.

Plötzlich, zu Beginn der Saison 1952/53, beorderte Trainer Richard Schneider Horst Eckel auf die Position des rechten Außenläufers. „Ich will Sie mal auf dieser Position sehen“. Erst durch gutes Zureden seines Mentors Fritz Walter überwand Eckel seine Bedenken, im Mittelfeld zu spielen. Doch es funktionierte. Was Horst Eckel nicht wusste: Die Idee dazu hatte nicht der sehr erfolgreiche Trainer Schneider, sondern Sepp Herberger, der Lehrmeister Schneiders an der Sporthochschule Köln. Bei dem Gespräch zu Beginn der Saison 1952/53 ahnte Eckel nicht, dass er ein wichtiger Baustein in Herbergers Strategie war, Fritz Walter für die WM 1954 ein defensives Gefüge zur Seite zu stellen, dass er vom 1.FC Kaiserslautern gewohnt war. Ergänzt um Helmut Rahn, Hans Schäfer, Ottmar Walter und Max Morlock. Da war kein Platz für einen Stürmer Eckel. Der musste ins Mittelfeld! Er kam zu dieser Position wie Maria zu Jesus.

Herberger wollte zwei Jahre vor der WM ein Mittelfeld aufbauen, dessen Spieler jung, ausdauernd, zweikampfstark und torgefährlich sein sollten, das die Älteren im Sturm entlasten, absichern und trotzdem Impulse nach vorne geben konnte. So einer war der junge Eckel, den Herberger schon 1954 im Mittelfeld doppeln ließ. Heute ist das eine Standardtaktik. Und im Finale waren es die beiden „jungen Hunde“ Karl Mai von der Spvgg Fürth und Horst Eckel, die körperlich/taktisch mit ausschlaggebend für den Sieg in Bern waren. Weiter sorgte starker Regen für schlechte Platzverhältnisse, die den Ungarn als überlegenen Technikern überhaupt nicht behagten. Wie man weiß, ist die Puszta eine trockene Steppe, die dem Spiel der Puszta-Söhne ( (Originalton Herbert Zimmermann), mehr entsprach als der Morast von Bern.

„Der Horst war ein schlaksiger, rappeldürrer Bursche. Die Haut war dünn, die Knochen hart und spitz. Er ging keinem Zweikampf aus dem Wege, kam auch immer zur allgemeinen Überraschung heil und unversehrt aus diesen heraus, nur die Gegner klagten und hatten sich nach solchen Duellen abzutasten und abzufühlen“. (Sepp Herberger 1954). Folgerichtig gaben ihm der große Manitou und sein Häuptling Fritz nun den Namen „Leichte Feder“, sollte es noch einmal gegen die Ungarn gehen.

Eckel debütierte am 9. November 1952 in Augsburg als rechter Läufer mit der Nummer 6 im Länderspiel gegen die Schweiz. (5:1). Auf die Frage, ob er denn vor dem Spiel nervös gewesen sei, antwortete er in tiefem pfälzisch: „Als ich den Kohli, (Werner Kohlmeyer), den Friedrich (Fritz Walter) und den Ottes (Ottmar Walter) uff’n Platz kumme sah, da hab‘ ich nur gedenkt: Ei, des is genauso wie uff’m Betzeberg“ (Die 84. Minute). Und nach dem Spiel ahnte er, „dass das meine Position in der Nationalmannschaft werden sollte, kurz hinter Fritz, als konditionsstarker Läufer mit Stürmerqualitäten. Fritz würde sich etwas zurückfallen lassen und könnte so die Spiele besser dirigieren und ich in die Lücke stoßen. Wir änderten unsere Taktik vom typischen WM-System in eine Art 4-2-4 System“. (Die 84. Minute“). Er wurde der „zufriedene Knecht“. Herr Puntila (Fritz Walter) und sein Knecht Matti. (Horst Eckel). Bertold Brecht ahnte bei der Uraufführung seines Stückes am 5. Juni 1948 im Schauspielhaus Zürich nicht, dass sechs Jahre später 124 Km entfernt beim WM-Finalle gegen Ungarn diese Sympiose stattfand.

Als Herberger vor dem WM-Finale in Bern 1954 im durchnässten Trenchcoat den Stadioninnenraum des Wankdorf-Stadions betrat und den Rasen mit den Fingern prüfte, wusste er: es ist alles angerichtet. Er wird wohl gedacht haben: „Ich habe versucht, an alles zu denken und alles zu organisieren, um die Mannschaft optimal auf dieses Finale vorzubereiten. An alles, was ich beeinflussen konnte.“ Andere hilfreiche Bedingungen lagen außerhalb seiner Einflussmöglichkeiten. Und daraus entstanden Mythen der deutschen Fußball-Geschichte.

-Die ruhige Vorbereitung der deutschen Mannschaft im Hotel Belvedere in Spiez am Thuner See

-Die unruhige Vorbereitung der Ungarn in einem Stadthotel in Solothurn, mit einem Volksfest in der Nähe des Hotels am Abend vor dem Endspiel. Blasmusik und schwülwarme Nacht können sich schlaftechnisch unvorteilhaft auswirken, wenn man die Fenster wegen des Lärms ungern öffnet.

-Starker Regen und morastiger Boden

-Das Wetter behagte Fritz Walter. „“Fritz, Ihr Wetter“ (Herberger). Fritz konnte seit seiner Malaria- Erkrankung, die er sich als Soldat in Italien eingefangen hatte, bei Hitze nur die Hälfte seines Leistungsvermögens entfalten.

-Adi Dasslers Schuhe mit längeren Schraubstollen.

-Ungarn musste im Halbfinale, 72 Stunden vor dem Finale, bei großer Hitze in Lausanne in die Verlängerung gegen Uruguay gehen (4:2), Die „Urus“ sind ein unangenehmer Gegner, um sich auf ein Finale vorzubereiten. Da ging es auf die Socken.

-Deutschland hatte beim Halbfinale gegen Österreich ein überraschend leichtes Spiel (6:1)

-Horst Eckel war auf Nandor Hidegkuti angesetzt, 22 Jahre gegen 32 Jahre.

-Karl Mai -Ein Spielertyp wie später Lothar Matthäus- sollte dem Stürmer Sandor Kocsis keine Möglichkeiten der Entfaltung geben. „Das Goldköpfchen“ hatte bis zum Finale schon elf Tore erzielt.

-Ferenc Puskas hatte Angst vor Werner Liebrich, der ihn im Vorrundenspiel in Basel (8:3 für Ungarn) schwer gefoult hatte. Als Folge konnte Puskas danach kein Spiel mehr bestreiten und war beim Finale nicht fit. „Aber er wollte spielen und welcher Trainer hätte Puskas das verbieten können? Einem Nationalhelden gewiss nicht. Puskás war nur die Hälfte wert“. (Jenö Buzansky)

-Die Arroganz der Ungarn, als unbesiegbar zu gelten, aber den Druck verkraften zu müssen, nur als Weltmeister nach Budapest zurückkommen zu dürfen. Der überlegene Sozialismus hätte dann den Kapitalismus besiegt. Wie in allen Fünfjahresplänen, die ein Generalsekretär auf den Parteitagen in Moskau oder in den Satellitenstaaten Polen, Ungarn oder der Tschechoslowakei vorstellte. Spieler und Trainer wussten, welche Erwartungshaltung in Moskau und Budapest herrschte.

Den Ungarn mit Trainer Sebes war die wahre Spielstärke der deutschen Mannschaft unbekannt oder sie unterschätzten sie, weil Deutschland im Vorrundenspiel mit einer halben „B-Mannschaft“ angetreten war. (Kwiatkowski, Bauer, Mebus, Pfaff, Herrmann) und mit Horst Eckel im Sturm. Die Deutschen erschienen den Ungarn wie Schafe, die erneut zur Schlachtbank geführt wurden. Doch plötzlich standen ihnen Wölfe im weißen Schafspelz gegenüber, die sich nicht noch einmal abschlachten lassen wollten.

Horst Eckel kommt zu spät. Puskas zieht ab,aber erzielt kein Tor.
Quelle: weltfussball.de

Horst Eckel (Die 84. Minute): „Die Nationalhymnen ertönten. Ich senkte meinen Blick auf den Rasen. Ich war voll konzentriert. Hidegkuti wird von mir träumen. Sobald er das Angriffszentrum verlässt, würde ich ihn übernehmen“. Und so nahm der 4. Juli 1954 in Bern seinen für die damalige Fußballwelt sensationellen Verlauf. Die Ungarn waren nicht in der körperlichen Top-Verfassung wie die Deutschen. Horst Eckel aus Vogelbach, der aussah wie ein halbverhungerter Pennäler, schaltete das „Hirn“ der ungarischen Nationalmannschaft aus, den „wandernden Mittelstürmer“ Hidegkuti, der sich sonst immer wieder zurückfallen ließ, den Spielaufbau kontrollierte und die permanent rochierenden Stürmer Puskas, Kocsis, und Czibor mit Pässen einsetzte. Überraschenderweise spielte Laszlo Budai im Endspiel nicht. Mit ihm wäre der Paradesturm von Honved Budapest aufgelaufen. Die Engländer konnten ein Lied von dessen Taktik und dieser Weltklasseformation singen, als er ihnen beim Jahrhundertspiel 1953 im Wembleystadion (3:6) ein Waterloo bereitete. Herberger war bei diesem Spiel anwesend und entdeckte den strategischen Ansatzpunkt.“ Ich weiss, wie es geht“, sagte er zu dem mitgereisten Jupp Posipal (Deutsch-Ungar wie Hidegkuti,, Puskas und Kocsis). Der Jungspund Horst Eckel muss den „Alten“ (Nandor Hidegkuti) aus dem Spiel nehmen“.

Horst Eckel im Laufduell mit Nandor Hidegkuti
Quelle: weltfussball.de

Darüber hinaus sollte Horst Eckel im WM-Quartier in Spiez auf Anweisung von Sepp Herberger noch einen andersartigen „Manndecker“ spielen, weil der „Chef“ eine Spezies noch mehr fürchtete als den Feind auf dem Fußballplatz: die Damen. Den Begriff „Feminismus“ kannte er nicht.

Er wollte sie mit allen Mitteln von seinen Spielern fernhalten, selbst wenn es die Ehefrauen waren. Frauenphobie zum Schutz vor der Vergeudung von Manneskraft. Ein Beispiel: Isis Schäfer, frisch verheiratet und noch heiß verliebt in Hans Schäfer ignorierte das Kontaktverbot und quartierte sich im nahegelegenen Ort Thun auf eigene Kosten in einem Hotel ein. Als Herberger sie eines Tages auf einem Spaziergang sah, grüßte er unfreundlich. Nach einigen Tagen gestattete Herberger seinem Linksaußen, zumindest Hallo zu sagen. Nun begann die Aufgabe des „Manndeckers“ Horst Eckel, aber der Deckauftrag Herbergers betraf nicht Hidegkuti, sondern Hans Schäfer.

Herberger: „Hans, der Horst wird mitgehen!“. Tatsächlich folgte Horst seinem Bettnachbarn im Zimmer 301 des Hotel Belvedere in Spiez bis in die Hotelhalle, wich ihm nicht von der Seite. Schäfer:“ In seiner Gegenwart konnte ich mit meiner Frau wenigstens einige Lichtsignale verabreden. Sie kannte das Fenster des Zimmers im Belvedere, das ich mit Horst teilte.“. Diese Erfahrungen nahm Horst Eckel ins Endspiel mit und Hidegkuti konnte nicht ahnen, welche Beschattungsfähigkeiten dieser junge Gegenspieler schon erworben hatte.

Für die Deutschen war es das Spiel ihres Lebens. „Ewig strahlen diese elf Sterne am Fußballhimmel Deutschlands“ schrieb der „Kicker“ einen Tag nach dem Triumph. Es war ein Kaltstart in den Heiligenstatus. Den elf Spielern blieb nach der Tortur des Trubels keine längere Pause vergönnt, in der sie den Triumph auskosten und verarbeiten konnten. Politiker, Minister, Verbandsfunktionäre, Bürgermeister, Prominente aller Art sonnten sich im Glanz der Weltmeister, bis der Glanz allmählich verblasste. Horst Eckel erkannte das früh und akzeptierte zeitlebens, dass sich seine Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung allmählich auf die 90 Minuten an einem verregneten Sonntagnachmittag im Berner Wankdorf-Stadion reduzierte. Deshalb ging er nicht am Ruhm zugrunde wie einige seiner Mannschaftskameraden, die im Verlaufe ihres Lebens immer schwerer mit ihrer Heldenbürde zurechtkamen.

Horst Eckel war noch Stammspieler bei der WM 1958. Aber am 19. November 1958, nach dem Länderspiel gegen Österreich in Berlin (2:2), beendete er sehr früh mit 26 Jahren seine internationale Karriere. „Mir fehlte Fritz Walter auf dem Platz. Die für mich zentrale Anspielstation, die über so viele Jahre in hunderten von Spielen gewachsen war, war auf einmal nicht mehr da. (Die 84. Minute).

Zwei Jahre später verabschiedete er sich vom 1.FC Kaiserslautern, für den er 247 Punktspiele bestritt und 74 Tore erzielte, und wechselte mit 28 Jahren zu Beginn der Saison 1960/61 zum SV 06 Völklingen. Die Auswirkungen dieses Wechsels waren aus heutiger Sicht an Skurrilität nicht zu überbieten. Der Dank des Fußball-Vaterlandes für einen der „Helden von Bern“ bestand darin, dass ihn der DFB für ein Jahr sperrte, weil er als Vertragsspieler zu einem Amateurverein wechselte. Mit diesem vom Stahlkonzern Röchling unterstützten Verein stürmte Eckel aber mit einem Jahr Verspätung über die Regionalliga-Felder im Südwesten. Aber was aussah wie ein sportlicher Abstieg, war ein vorausschauender Berufsplan, stark unterstützt von seiner Frau Hannelore. Röchling bot ihm eine Stelle als Leiter des Werkssport an, für die Lehrlinge, wie man die Auszubildenden damals nannte. Natürlich sollte er als Spieler den Club verstärken. Nun verdiente er als Festangestellter 1.000 Mark im Monat. Das war damals sehr viel Geld. Die meisten seiner Mitspieler von 1954 versuchten es mit Lotto/Toto-Annahmestellen, Waschsalons, Kinos, Tankstellen oder als Gebrauchtwagenhändler. Ihnen war keine existenzsichernde Zukunft beschieden. Herberger akzeptierte Eckels Entscheidung, war aber nicht erfreut. Aber er erkannte allmählich, dass die 54er Elf Historie geworden war.

Und dann kam der Zufall zu Hilfe und bescherte der Familie Eckel eine Perspektive, von der der junge Horst Eckel in Vogelbach nie zu träumen gewagt hätte. Sein früherer Mitspieler beim 1.FC Kaiserslautern, Karl Schmidt, neunfacher Nationalspieler, war bei der Landesregierung Rheinland-Pfalz im Kultusministerium angestellt. Während eines Prominentenspiels, an dem beide teilnahmen, entspann sich laut Horst Eckel folgender Dialog:“ Schmidt: Hast du Interesse, an die Schule zu kommen? Lehrer zu werden. Eckel: Mir hat es fast die Sprache verschlagen. Wie soll das denn gehen, Karl? Da muss man doch studieren? Schmidt: „Es gibt einen Weg, den du einschlagen kannst. Immerhin bist du bei Röchling Völklingen bereits jetzt pädagogisch tätig, das ist mit einer Sportlehrertätigkeit vergleichbar. Du müsstest in Trier nur einige Semester studieren. Das ist möglich.“ Dank der erneut großen Unterstützung seiner Frau schloss Horst Eckel 1972 das Studium in Trier zum Fachlehrer für Sport, Werken und Kunst ab und unterrichtete danach im Hunsrück an den Realschulen in Morbach und Kusel bis 1995.

Horst Eckel war ein bescheidener Weltmeister, quasi ein „Weltmeister von nebenan“, und rückte erst in das Rampenlicht der Öffentlichkeit, als die medialen Helden Fritz Walter und Helmut Rahn verstarben. In „11 Freunde“, dem Fußballmagazin, wird er wunderbar beschrieben. „Eckel besaß die Demut, sein Schicksal nicht als Ballast, sondern als großes Glück zu empfinden, das nur zehn anderen Männern seiner Generation widerfahren ist. Vom 1. FCK der 50er Jahre erzählte er wie von einer Familie. Als Zeitzeuge war er ein zentraler Faktor dafür, dass Sepp Herberger auf immer als Trainerfuchs in Erinnerung bleibt, der mit seinen zahllosen psychologischen Tricks einen Verbund aus verdrucksten Nobodys rund um den „Großen Fritz“ zum Weltmeister coachte und mit dem Triumph von Bern 1954 die „wahre“ Gründung der Bundesrepublik Deutschland vollzog“.

Ministerpräsident Kurt Beck verleiht Horst Eckel 2004 das Bundesverdienstkreuz
Quelle: rheinpfalz.de

Horst Eckel war immer da, wo Orden verdient wurden, nicht wo sie verliehen wurden. Die Ausnahme: 2004 ehrte ihn der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck mit dem großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Horst Eckel war sichtlich stolz auf diese Ehrung.

Foto: Stefan Brass
Grabstätte: Bruchmühlbach-Miesau, Ortsteil Vogelbach, Dorfstraße 83

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