Ernst „Ossi“ Ocwirk

Der Karajan des Fußballfeldes

Biografie
Geboren am: 7.3.1926 in Wien
Gestorben am: 23.1.1980 in Kleinpöchlarn
Grabstätte: Wien, Zentralfriedhof
Simmeringer Hauptstraße 234 im 11. Bezirk
Gruppe 40; Ehrenhain; 4. Reihe; Grab 136
Tor II Hauptallee geradeaus bis zur Friedhofskirche,
linke Allee ca. 250 m, rechts zum
Ehrenhain
Stationen der Karriere als Fußballer
Position: Mittelfeldspieler
Vereine: FC Stadlau (1939-1942)
Floridsdorfer AC (1942-1947)
FK Austria Wien (1947-1956)
Sampdoria Genua (1956-1961)
FK Austria Wien (1961-1963)
62 Länderspiele (1945-1962); 6 Tore
WM-Teilnehmer 1954
Österreichischer Meister 1949, 1950, 1953,
1962, 1963
Österreichischer Pokalsieger 1948, 1949, 1962
Stationen der Karriere als Trainer
Vereine: Sampdoria Genua (1963-1965)
FK Austria Wien (1965-1970)
FC Köln (1970-1971)
FC Admira Wacker (1971-1973)
Österreichischer Meister 1969, 1970

Ernst Ocwirk, die Galionsfigur des österreichischen Fußballs der 50er Jahre, starb bereits mit 53 Jahren an Multipler Sklerose. So lautete lange die offizielle Todesursache, bis 2004 der Turiner Staatsanwalt Guariniello, Italiens führender Ermittler in Dopingstrafsachen, mit den Ergebnissen einer Studie, die rund 24.000 italienische Fußballerbiografien erfasste, in die Öffentlichkeit ging und damit über Italien hinaus internationale Beachtung erfuhr.

Ihr zufolge starb Ernst Ocwirk am ALS-Leiden, das auch als Lou-Gehrig-Krankheit bezeichnet wird, benannt nach der 1941 an ALS verstorbenen US-Baseball-Legende. Die Diagnose gilt als Todesurteil, der Zeitraum von der Diagnose bis zum Tod ist meist kurz. Es handelt sich um ein Nervenleiden mit fortschreitender Muskelschwäche, die dazu führt, dass der Kranke am Ende nicht mehr selbständig zu atmen fähig ist; der Tod tritt durch Ersticken ein.

Die Studie kam zum Ergebnis, dass es eine statistisch ungewöhnlich hohe Zahl an Sterbefällen italienischer Spieler der 50er und 60er Jahre gab, deren Ursache ALS war. Allein fünf Fußballer der Mannschaft von Sampdoria Genua aus der Saison 1958/59 starben an ALS, darunter auch Ernst Ocwirk. Die Schlussfolgerung für Staatsanwalt Guariniello lag nahe: systematisches Doping mit welchen Mitteln auch immer als Auslöser für den Ausbruch der Krankheit.

Wie so häufig in den Jahren vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges begann auch Ocwirks Karriere als Straßenfußballer, in seinem Fall in der Straßeneckerstraße im Wiener Stadtteil Stadlau, bevor er in die Jugendmannschaft des FC Stadlau aufgenommen wurde. Ocwirk hatte jugoslawische Vorfahren und besaß nicht die österreichische Staatsangehörigkeit, sondern war „staatenlos“, was dem gelernten Modelltischler das Rekrutendasein im Zweiten Weltkrieg ersparte. Durch die Fusion Stadlaus mit dem Floridsdorfer AC im Jahr 1942 kam „Ossi“, wie sie ihn nannten, in die professionellen Hände von Trainer Pepi Smistik, einem der großen Spieler des früheren österreichischen „Wunderteams“, der ihn zu einem exzellenten Mittelfeldspieler und Spielmacher formte. Friedrich Torberg, Wiener Literat und Fußballkenner, schrieb einmal, wer vom Fußball nichts verstünde, solle, um das Prinzip dieses Sports zu begreifen, den Spieler Ocwirk eine Viertelstunde beobachten, auch wenn er den Ball nicht am Fuß habe. In ihm akkumuliere sich die ganze Idee des Mannschaftsspiels, getragen von Spielintelligenz, Grazie, Präzision und Ökonomie des Krafteinsatzes.

Diese Elogen hatte Ocwirk sich noch nicht erarbeitet und erspielt, als Austria Wien 1946 alles daransetzte, den begehrten Spieler zu verpflichten. Als er ab der Saison 1947/48 das Trikot der „Violetten“ trug, änderte sich das Image des Tradition-Clubs, das als typisch wienerisch galt: leben und leben lassen statt Siegen um jeden Preis, Freude am Schönen, aber zuweilen auch fehlender Sinn für das praktisch Notwendige. Ocwirk trieb der Austria die Launen aus, und als „the best centerhalf of the world“, so das Urteil der internationalen Medien, führte der Kapitän der Weltauswahl 1953 die Mannschaft für die nächsten Jahre an die Spitze des kontinentalen Vereinsfußballs.

„The best centerhalf of the world“

Zudem wurde Ocwirk zum strategischen Kopf und Kapitän des ÖFB-Teams, das er mit seinen Mitspielern Zeman, Happel, Stojaspal, Hanappi und den Körner-Brüdern wie ein Wiener Auswahlteam von Rapid, Austria und Vienna als Mitfavorit zur WM 1954 führte, wo es einen hervorragenden dritten Platz belegte. Nur eine Niederlage gab es, die aber tat sehr weh: das 1:6 gegen die wohl unterschätzten Deutschen im Halbfinale. Nach der ersten Enttäuschung zeigten sich die positiven Seiten des Weltturniers, denn einige Spieler waren plötzlich im Fokus großer europäischer Vereine. So auch Ocwirk, der im Mai 1956 für ein Handgeld von 160.000 Mark von der Austria zu Sampdoria Genua wechselte. Sein Ex-Club erhielt die gleiche Summe als Ablöse, nach heutiger Kaufkraft ein hoher Millionenbetrag.

Tankstelle Ernst Ocwirk im September 1952.
Besuch von Spielern des Rapid-Teams: (v.l.) Ernst Ocwirk, Robert Körner
(tankt), Ernst Happel, Max Merkel, Alfred Körner.

Ocwirk war auch in dieser international starken Liga, die, als einzige neben der spanischen, die besten Spieler der Welt verpflichten konnte, eine markante Spielerpersönlichkeit. Das verhalf ihm nach dem Ende seiner Karriere, die er mit erneut zwei Meistertiteln bei „seiner“ Austria ausklingen ließ, zum Trainerengagement bei der Sampdoria. Nach drei Jahren in Italien kehrte er als Trainer zur Austria zurück, gewann erneut zwei nationale Meisterschaften, um anschließend in die deutsche Bundesliga zum 1. FC Köln zu wechseln. Nach einer Saison verließ er das Rheinland und heuerte beim FC Admira/Wacker an.

Bald darauf ereilte ihn das Schicksal und beendete abrupt seine erfolgversprechende Trainerlaufbahn. Bei einem Meisterschaftsspiel in der Südstadt gegen Alpine Donawitz lief er auf das Feld zu einem verletzten Spieler. Dabei riss seine Achillessehne. Nach der Operation traten plötzlich Lähmungserscheinungen auf, die allmählich seinen gesamten Körper erfassten. Die Lou-Gehrig- Krankheit hatte von ihm Besitz ergriffen und führte am 23. Januar 1980 zu seinem frühen Tod.

Grabstätte von Ernst Ocwirk:
Wien, Zentralfriedhof,
Simmeringer Hauptstraße 234 im 11. Bezirk
Gruppe 40; Ehrenhain, 4. Reihe; Grab 136,
Tor II Hauptallee geradeaus bis zur Friedhofskirche,
linke Allee ca. 250 m, rechts zum Ehrenhain.

Ernst Ocwirk verstarb auf den Tag genau 41 Jahre nach dem mysteriösen Tod seines legendären Vorgängers als Kopf der Nationalmannschaft, Matthias Sindelar, dem Spielgestalter des österreichischen „Wunderteams“ der 30er Jahre. Die Stadt Wien gab ihm ein Grab im Ehrenhain des Zentralfriedhofes, der letzten Ruhestätte berühmter Persönlichkeiten der österreichischen Kunst, Kultur und Wissenschaft.

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