Orvar Bergmark

Der eiserne Besen

Biografie
Geboren am: 16.11.1930 in Burea
Gestorben am: 10.5.2004 in Örebro
Grabstätte: Örebro, Ortsteil Tybble
Almby Kyrkogard, Almbyvägen;
Eingang Organistvägen.
Anonyme Bestattung im „Garten der
Erinnerung“ (Garden of Remembrance),
rechts von der Kirche, Teil Minnesunden

Stationen der Karriere
als Fußballer

Position: Verteidiger
Vereine: IF Vagarna Byske (1940-1947)
Örebro SK (1947-1954)
AIK Stockholm (1955-1956)
Örebro SK (1956-1961)
AS Rom (1962-1964)
Örebro SK (1964-1965)
94 Länderspiele (1951-1965)
WM-Teilnehmer 1958
Schwedischer Meister 1955, 1957, 1958

Stationen der Karriere als Trainer
Nationalmannschaft Schweden (1966-1970)
Örebro SK (1971-1973)

Als Orvar Bergmark, Kapitän der schwedischen Nationalmannschaft, am 29. Juni 1958 in das Rasunda-Stadion von Stockholm einlief, hatte er vermutlich wacklige Knie. Er wusste, was ihn heute am Tag des WM-Endspiels gegen Brasilien erwartete, obwohl er kein ängstlicher Spieler war. Für die Sportpresse war er der „eiserne Besen“, eine imposante Erscheinung im Strafraum, den er mit Härte, Schnelligkeit und hervorragendem Kopfballspiel ausfegte. Aber die Angriffsformation der Brasilianer hatte im bisherigen Turnierverlauf Schrecken verbreitet. Allein der Innensturm – leicht zu merken – mit Pelé, Vava und Didi reichte, um ganze Abwehrreihen zu zerlegen. Dann noch die Außenstürmer, Garrincha und Zagallo! Das einzig Gute schien für ihn darin zu liegen, dass er als rechter Verteidiger nicht gegen den säbelbeinigen Garrincha spielen musste. Das blieb dem Kollegen Sven Axbom vorbehalten, den seine Mitspieler aus den Augenwinkeln mit einem Ausdruck größten Bedauerns betrachteten, als er sich vor dem Anpfiff auf der linken Verteidigerseite postierte. Denn Garrincha hatte in den vorangegangenen Spielen der Brasilianer alle Gegenspieler mit sinnverwirrenden Dribblings schwindlig gespielt. Von wegen „die Schweden kommen“! Den Schreckensruf aus dem Dreißigjährigen Krieg kannten die Brasilianer sowieso nicht, und selbst die Zuschauer im nicht ganz ausverkauften Stadion erwarteten, dass der „furor brasilianicus“ gleich über die Wikinger hereinbrechen würde. Die „Heja, Heja Sverige“-Rufe hatten in Anwesenheit des schwedischen Königspaares nicht  mehr den aggressiven Klang wie im Halbfinale gegen die Deutschen. Aber der nasse, rutschige Boden verhinderte zunächst, dass die Brasilianer ihr gewohntes Spiel aufziehen konnten. Im Gegenteil, das Drei-Kronen-Team ging überraschend in der 4. Minute durch ein Tor von Nils Liedholm in Führung. Nach zehn Minuten fühlten sich die Brasilianer auf dem ungewohnten Geläuf schon sicherer und spielten schließlich im Stil der „Harlem Globetrotters“ Schweden an die Wand. Mit 5:2 gewannen sie zum ersten Mal den lange ersehnten WM-Titel. Die Kommentatoren verstiegen sich zu Lobeshymnen, und der „Kicker“ schrieb: „Es war ein Traum!

Wir sahen das berauschendste Fußballspiel aller Zeiten. Niemals in der Geschichte des modernen Sports demonstrierte eine Fußballmannschaft mit solch souveräner Meisterschaft, mehr tänzelnd als spielend, ihre Weltherrschaft.“ Orvar Bergmark konnte mit seiner Leistung zufrieden sein. Sein Gegenspieler Zagallo erzielte zwar das Tor zum 4:1, die spielentscheidenden Vorstöße jedoch kamen von der rechten Seite, über Garrincha, wo nicht er, sondern Axbom hatte verteidigen müssen.

„Wir sahen das berauschendste Fußballspiel aller Zeiten.“

Bergmark wurde in die von der FIFA gewählte WM-Elf 1958 aufgenommen, was ihn offiziell zum Weltklassespieler adelte. Die Aufstellung lautete: Gregg (Nordirland); Bergmark (Schweden); N. Santos (Brasilien); Zito (Brasilien); Bellini (Brasilien); Didi (Brasilien); Garrincha (Brasilien); Kopa (Frankreich); Fontaine (Frankreich); Pelé (Brasilien); Skoglund (Schweden).

Quelle Foto: fotbollsweden.se

Die beste schwedische Nationalmannschaft aller Zeiten vor dem WM-Finale 1958. Stehend von links: Skoglund; Gren; Simonsson; Gustavsson; Liedholm;
Knieend von links: Hamrin; Börjesson; Bergmark; Svensson; Axbom; Parling

Orvar Bergmark stammte aus Byske, einem 1.700-Seelen-Dorf bei Örebro, dem schwedischen Zentrum der Lederwaren- und Schuhindustrie, gewissermaßen das Gegenstück zum deutschen Pirmasens. Sein Vater war Inhaber einer Bäckerei und sah seinen Sohn schon als Nachfolger. Aber der begann eine Fußballkarriere bei Örebro SK und bestritt am 17.6.1951 mit 20 Jahren sein erstes Länderspiel für Schweden. Der Höhepunkt seiner fußballerischen Laufbahn war natürlich der gute Auftritt der Schweden bei der WM 1958. Er war Kapitän dieser europäischen Klassemannschaft, deren Spielstärke vor allem der „Italien-Connection“ zu verdanken war. Schwedische Spitzenfußballer waren schon seit Beginn der 50er Jahre beliebte Exportartikel, die besonders von den italienischen Spitzenvereinen nachgefragt wurden. Anfänglich nahm der schwedische Fußballverband den Spielern ihr Profidasein in Italien übel und berief sie nicht mehr in die Nationalmannschaft. Als aber die WM im eigenen Land näherrückte, entschied sich der Verband, den Boykott zu beenden und die Legionäre in das Drei-Kronen-Team aufzunehmen. Gunnar Gren (AC Mailand), Dreh- und Angelpunkt der Mannschaft, war bereits zwei Jahre zuvor nach Schweden zurückgekehrt. Jetzt bekam er die richtigen Anspielstationen: Nils Liedholm vom AC Mailand, „Nacka“ Skoglund von Inter Mailand, „Kurre“ Hamrin von Juventus Turin/ AC Padua und Bengt Gustavsson von Atalanta Bergamo. Und da die Entscheidung zur Berufung dieser und weiterer im Ausland spielender Profis erst kurz vor Beginn der WM fiel, wurde das Trainingslager von Schwedens englischem Trainer George Raynor kurzerhand an den Comer See verlegt, was die schnelle Integration der „Italiener“ fördern sollte. Der WM-Verlauf gab dem Sinneswandel der schwedischen Fußballfunktionäre recht. Die abgezockten Profis aus dem italienischen Norden verbesserten die spielerische Qualität und die Professionalität des Schweden-Teams, was vor allem die Deutschen im legendären Halbfinale von Göteborg zu spüren bekamen.

Grabstätte von Orvar Bergmark:
Örebro, Ortsteil Tybble, Almby Kyrkogard Almbyvägen; Eingang Organistvägen.
Anonyme Bestattung im „Garten der Erinnerung“ (Garden of Remembrance). Rechts von der Kirche, Teil Minnesunden.

Orvar Bergmark folgte vier Jahre nach der WM – fast 32 Jahre alt – ebenfalls dem Lockruf der reichlich vorhandenen italienischen Lire und unterschrieb 1962 einen Vertrag beim AS Rom. Mit einem Pokalsieg kehrte er 1964 nach Schweden zurück und ließ seine Karriere bei seinem Heimatclub in Örebro ausklingen. 1966 übernahm er als Trainer die schwedische Nationalmannschaft und führte das Drei-Kronen-Team, das sich vorher weder für die WM 1962 in Chile noch für die WM 1966 in England hatte qualifizieren können, zur Fußballweltmeisterschaft 1970 nach Mexiko, in der es freilich über die Vorrunde nicht hinauskam. Bergmark wechselte in den Vereinsfußball und wurde Trainer seines alten Clubs Örebro SK, den er wieder an die Spitze der schwedischen Fußball-Liga führte. Dann schlug das Schicksal zu. Erst 43 Jahre alt, wurde bei ihm 1973 die Parkinson-Krankheit diagnostiziert. Über 30 Jahre kämpfte der „eiserne Besen“ in bewundernswerter Weise gegen die schleichende, heimtückische Krankheit und gab bis zu seinem Tod nie auf. Im Alter von 73 Jahren verstarb Orvar Bergmark in seiner Heimatstadt Örebro.

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