Karl „Charly“ Mai

Der stille Weltmeister

Biografie
Geboren am: 27.7.1928 in Fürth
Gestorben am: 15.3.1993 in Fürth
Grabstätte: Fürth
Städtischer Friedhof
Erlangerstraße 97
Feld 8; Grab Nr. 61
Vom Haupteingang links zur Mauer
bis zum Übergang Feld 15
Stationen der Karriere als Fußballer
Position: Linker Läufer
Vereine: SpVgg Fürth (1941-1958)
Bayern München (1958-1961)
Young Fellows Zürich (1961-1962)
FC Dornbirn (1962-1964)
21 Länderspiele (1953-1959); 1 Tor
Weltmeister 1954

Als Karl Mai am 18. Mai 1993 zu Grabe getragen wurde, begleiteten ihn über 1000 Menschen auf dem Weg zur letzten Ruhestätte unweit des legendären Fürther Ronhofs, der Spielstätte der SpVgg Fürth, für die er 17 Jahre gespielt hatte. Viele seiner großen Mitspieler erwiesen dem Weltmeister von 1954 die letzte Ehre. Nur einer fehlte: Max Morlock aus Nürnberg, der selbst schwer erkrankt war und ein Jahr später verstarb.

Beide, Mai und Morlock, standen für den großen Fußball einer Region, die im deutschen Fußball vor und nach dem Zweiten Weltkrieg Maßstäbe gesetzt hatte. Das Derby 1. FC Nürnberg gegen SpVgg Fürth zählte zu den Höhepunkten jeder Oberligasaison und elektrisierte nicht nur die Fußballfans. Die Spielstärke dieser beiden Rivalen in den 50er Jahren wird deutlich, wenn man sich Herbergers Aufstellung für das WM-Qualifikationsspiel BRD – Saarland (3:0) am 11. Oktober 1953 anschaut. Mit Mai, Erhardt und Gottinger standen drei Fürther auf dem Platz, mit Horst Schade ein halber Fürther, denn er war erst ein paar Monate zuvor zum 1. FC Nürnberg gewechselt, und mit Max Morlock ein richtiger, altgedienter Nürnberger. In den 54er Kader wurden schließlich Mai, Morlock und Erhardt berufen.

Die Weltmeisterschaft 1954 war für den stillen, zurückhaltenden, aber gegenüber Trainern und Mitspielern gleichwohl seine klare Meinung äußernden Franken ein entscheidender Durchbruch zum sozialen Aufstieg. Als Waise aufgewachsen, wurde er 1944 zur Wehrmacht eingezogen und geriet Ende desselben Jahres bei Auxerre in französische Gefangenschaft. Nach der Entlassung 1946 erlernte er den Beruf des Bäckers und Konditors. Mit großem fußballerischen Talent ausgestattet, spielte er bald bei der SpVgg Fürth, die 1949 in die Oberliga Süd aufstieg, im darauffolgenden Jahr gleich Meister wurde und in den nächsten Jahren zu den Spitzenmannschaften dieser starken Liga gehörte.

Ab 1953 gehörte er zum Kader der Nationalmannschaft, in der Herberger ihm die Rolle des zweikampfstarken Manndeckers zugedacht hatte. Mai war ein brillanter Handwerker, der mit stoischer Effizienz seine Arbeit auf dem Rasen verrichtete. Solche Spieler liebte Herberger. Während der WM 54 bildete Mai mit Kohlmeyer, Posipal und Liebrich die Defensive. Bis auf das Vorrundenspiel gegen Ungarn (3:8), in dem Herberger seine wichtigsten Kräfte schonte, bestritt Mai alle Spiele. Herausragend war seine Leistung im Viertelfinale, als Deutschland die starken Jugoslawen mit 2:0 schlug.

„Mission impossible“

Als Herberger die Mannschaft für das Finale gegen die hoch favorisierten Ungarn benannte und die einzelnen Spieler auf ihre taktischen Aufgaben einstellte, waren es – im Nachhinein betrachtet – zwei Entscheidungen, die wohl spielentscheidend waren, aber zunächst in der Euphorie über die Rahn-Tore und Turek-Paraden übersehen wurden. Die erste war die Neutralisierung Hidegkutis, der Schaltstation im ungarischen Spielsystem, durch den sonst eigentlich offensiv spielenden Horst Eckel. Die zweite war, Karl Mai mit der „Mission impossible“ zu beauftragen, den mit bereits elf Treffern durch das Turnier stürmenden Sándor Kocsis auszuschalten. Es gelang. Der Fürther gewann fast jeden Zweikampf und degradierte das „Goldköpfchen“ zur Bedeutungslosigkeit. Ein Zitat aus dem „Kicker“ zu Karl Mais 60. Geburtstag 1988 gibt viele Jahre später ein gutes Bild seiner Physiognomie und Spielweise: „Wenn der Karl Mai dreißig Jahre jünger wäre, müsste Lothar Matthäus um seinen Platz im Nationalteam bangen.“ Welch ein Vergleich von Körpergröße, Kraft und Einsatz, ja sogar der Herkunft, der nur hinkt, wenn man den Auftritt in der Öffentlichkeit, die Präsenz in den Medien bedenkt. Hier trennen Mai und Matthäus Welten.

Als die Begeisterung für die „Helden von Bern“ allmählich abebbte und wieder der Fußballalltag herrschte, folgte „Charly“ Mai konsequent seinem Weg, den Ruhm für die weitere Absicherung seiner beruflichen Existenz zu nutzen. Er blieb Vertragsspieler bei der SpVgg Fürth, spielte weiterhin für Deutschland, nahm 1958 ein für damalige Verhältnisse lukratives Angebot des FC Bayern München an und wechselte für drei Jahre an die Isar. 1959 bestritt er sein letztes Länderspiel. Mit dem verdienten Geld, ergänzt um weitere Einkünfte aus zwei Auslandsengagements in der Schweiz und Österreich, baute sich Karl Mai mit seiner Frau in der Münchner Baaderstraße ein Fachgeschäft für Büroartikel und eine Lotto/Toto-Annahme auf.

1975 kehrte die Familie nach Fürth zurück, wo der Weltmeister als Trainer diverser Amateurvereine und als Sportlehrer an der Hauptschule in Stadeln bei Fürth arbeitete. Aber die Gesundheit spielte nicht mehr mit. Karl Mai erkrankte zusehends, und die Torturen endeten im Mai 1993, als er erst 64 Jahre alt an Leukämie starb.

Grabstätte von Karl Mai:
Fürth, Städtischer Friedhof
Erlangerstraße 97, Feld 8;
Grab Nr. 61. Vom Haupteingang
links zur Mauer bis zum
Übergang Feld 15.

Der frühe Tod vieler Spieler der deutschen und ungarischen Mannschaft von 1954 war und ist oft Gegenstand von Spekulationen gewesen. Aus heutiger Sicht ist es bei der medizinischen Diagnose wichtig, die Jugendzeit der meisten Spieler in die Interpretation einzubeziehen. Viele waren Soldaten im Zweiten Weltkrieg, einige kehrten kriegsverletzt heim, fast alle waren von Entbehrungen und Krankheiten gezeichnet, als sie Krieg und Gefangenschaft überstanden hatten; und die Nachkriegsjahre waren hinsichtlich Ernährung, Unterkunft und medizinischer Versorgung ebenfalls schwierig. Meist endete ihre Karriere abrupt, und sie gingen körperlich in einen Ruhestand über, der nicht immer von dringend gebotener ärztlicher Hilfe begleitet wurde. Das wird ihr Leben wohl oft verkürzt haben.

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