Paolo Rossi und Enzo Bearzot

Biografie
Geboren am 23. September 1956 in Prato/Toscana
Gestorben am 9. Dezember 2020 in Siena/Toscana
Grabstätte:Bucine, Prov. Arezzo /Toscana
Cimitero del Paese
Via Oberdan, 21
Stationen der Karriere als Fußballer
Position: Mittelstürmer
Vereine: Juventus Turin (1973-1976)
Como Calcio (Leihe 1975-1976)
Lanerossi Vicenza (1976-1980)
Perugia Calcio (Leihe 1979-1980)
Juventus Turin (1980-1985)
AC Mailand ((1985-1986)
Hellas Verona (1986-1987)
Europas Fußballer des Jahres 1982
Weltmeister 1982 und Torschützenkönig (6 Tore)
48 Länderspiele (20 Tore)
Europapokal der Landesmeister 1985
Europapokal der Pokalsieger 1984
Italienischer Meister 1984
Italienischer Pokalsieger 1983

Das Gespenst“ und „der Schweiger aus dem Friaul“

Seine größte sportliche Enttäuschung war die Niederlage mit Juventus Turin im Endspiel um den Europapokal der Landesmeister am 25. Mai 1983 in Athen gegen den Hamburger SV (0:1). Juve war ein so klarer Favorit, vor allem wegen der Sturmreihe Boniek, Rossi und Platini. Das konnte der Gewinn des Titels am 29. Mai 1985 in Brüssel gegen den FC Liverpool nicht wettmachen, weil der Sieg (1:0) im Umfeld der „Tragödie im Heyselstadion“ mit 39 toten Tifosi nichts wert war. Hooligans aus England hatten vor Beginn des Finales eine Massenpanik unter den Turiner Fans ausgelöst.

Paolo Rossi war wie später Filippo Inzaghi (der laut Alex Ferguson im Abseits geboren wurde) ein Tarnkappen-Torjäger. Diese Spezies von Stürmern verkriecht sich im toten Winkel, wird unsichtbar und steht plötzlich da, wo der Ball nur noch ins Tor reingedrückt oder genickt werden muss. Der Journalist Mario Sconcerti schrieb: “Rossi war ein Klandestiner des Strafraums. Er hat gelernt, sich zu verstecken, weil er die Physis nicht hatte. Er überraschte immer alle, er stahl ihnen einen Meter -und es war Tor“.

Im Jahre 1980 tauchte sein Name in einem großen Wettskandal Italiens, dem „Totonero“ auf. Die Beweislage war dünn, die zivile römische Justiz sprach ihn frei, die Sportjustiz aber brummte ihm eine dreijährige Sperre auf, die vor dem Hintergrund der anstehenden WM in Spanien 1982 und auf Drängen von Nationaltrainer Enzo Bearzot um ein Jahr verkürzt wurde. Paolo Rossi trug nun das Kainsmal eines möglichen Betrügers. Aber dann kam der Sommer seines Lebens. Nach Aufhebung der Sperre im Frühjahr 1982 machte ihn sein Trainer, Enzo Bearzot, der „Schweiger aus dem Friaul“, allmählich wieder fit. In der Vorrunde der WM erzielte Rossi noch kein Tor und Italien gewann kein Spiel, weder gegen Polen, Peru noch Kamerun, kam aber wie Jesus zu Maria dennoch in die zweite Finalrunde. Nun ging es gegen Argentinien (2:1) und dann gegen Brasilien (3:2). Der Sieg über Brasilien sollte sich zum Mythos verdichten, denn er war die Schubwirkung für den Gewinn der WM: „Ich habe Brasilien zum Weinen gebracht“ lautete der Titel von Rossis Autobiografie.

Biografie:
Geboren am 26. September 1927 in Aiello del Friuli
Gestorben am 21. Dezember 2010 in Mailand
Grabstätte: Paderno d’Adda, Provinz Lecco (Lombardei)
Cimitero Communale di Paderno d’Adda; Via F. Airoldi
Plot: Sagrato laterale della Capella
Stationen der Karriere als Fußballer
Position: Innenverteidiger/Läufer
AS Pro Gorizia (1946 -1948)
Inter Mailand (1948 -1951)
Catania Calcio (1951 -1954)
AC Turin (1954-1956)
Inter Mailand (1956-1957)
AC Turin (1957-1964)
1 Länderspiel (1955)
Stationen der Karriere als Trainer
AC Turin (Co-Trainer) (1964-1968)
AC Prato (1968-1969)
Italien U23 (1969-1974)
Italien Technischer Direktor (1974-1977)
Italien (1977-1986)
Weltmeister 1982

Bearzot, Vicenzo „Enzo“ – „Der Schweiger aus dem Friaul“

In Deutschland nannte man ihn den „Schweiger aus dem Friaul“, weil er auf öffentliche Wortmeldungen zum Thema Fußball oft und gerne verzichtete. Aus dem „Schweiger“ wurde in späteren Jahren „il Vecchio, der Alte“. Der Nachruf der italienischen Gazetten drückte die Wertschätzung der Tifosi aus. „Auf Wiedersehen, alter Mann. Wir werden deine Weisheit vermissen“. Er starb auf den Tag genau 42 Jahre nach seinem Vorbild Vittorio Pozzo, dem Trainer von Italiens Weltmeisterschafts-Mannschaften von 1934 und 1938. (siehe Einzelporträt).

Jeder italienische Nationaltrainer muss gegen die Sprunghaftigkeit der Tifosi, die unbarmherzige Kritik der italienischen Medien (wenn man die Squadra Azzurra nicht gerade zum Weltmeistertitel gecoacht hat) und die rasende Ungeduld der Funktionäre kämpfen. Enzo Bearzot schaffte es über neun Jahre, dieser Geißel immer wieder auszuweichen. Mit Schweigen und mit Erfolg.

Er ließ die „Squadra Azzurra“ einen italienischen Fußball spielen, der nicht nach den Gesetzmäßigkeiten des Catenaccio funktionierte. Sonst wären die Italiener bei der WM 1982 in Spanien nach einer sehr durchwachsenen Vorrunde mit drei Unentschieden und um gerade ein Törchen besser als die punktgleich ausgeschiedenen Kameruner nicht Weltmeister geworden. Mit einer gut ausbalancierten Mannschaft, deren Mittelstürmer Paolo Rossi mit sechs Toren Torschützenkönig wurde, schlug Italien im Viertelfinale Argentinien (2:1), im Halbfinale die hochfavorisierte „Selecao“ aus Brasilien (3:2) und im Endspiel die chancenlosen Deutschen mit 3:1. Mit der Nominierung von Rossi landete er den entscheidenden Coup für diesen Erfolg. Auf sein Drängen hin wurde Paolo Rossi kurz vor der WM begnadigt. Der war noch lange gesperrt wegen seiner Beteiligung am Wettskandal „Totonero“.

Nur wenige Fußballtrainer bekommen einen eigenen Fernsehabend. Am 12. November 1985 begann um 21.15 Uhr eine Show des Senders RAI zu Ehren Enzo Bearzots, der nun fast zehn Jahre im Amt war. Ex-Staatspräsident Sandro Pertini gratulierte, Diego Maradona wurde aus Los Angeles zugeschaltet, ganz Italien war in extremer Vorfreude auf die WM 1986 in Argentinien, zumal Italien als Weltmeister bereits qualifiziert war.  Was sollte mit diesem Trainer noch schiefgehen. Eine grenzenlose Vorfreude erfasste den Stiefel Europas.

Und dann flog Italien im Achtelfinale der WM gegen Frankreich mit 0:2 raus. „Dieses Italien war nicht einmal ein entfernter Verwandter des Weltmeisters“ (Corriere dello Sport). „Wir waren Weltmeister. Jetzt sind wir Gespenster“. (Gazzetta dello Sport). „Italien liegt auf den Knien“. (Tuttosport). Da waren sie wieder, die apokalyptischen Reiter des italienischen Fußballs (Tifosi, Gazetten und die Funktionäre). „Hosianna, kreuzigt ihn!“ „Come siamo finiti dalle stelle alle stalle“. „Wie konnten wir von ganz oben so tief fallen? Von den Sternen in die Ställe“. Enzo Bearzot trat augenblicklich und schweigend zurück. In all den Jahren später erkannten diese  apokalyptischen Reiter des italienischen Fußballs dann doch, was sie an ihm hatten. Wie gesagt:“ Auf Wiedersehen, alter Mann, wir werden deine Weisheit vermissen“.

v.l. oben: Dino Zoff; Giancarlo Antognoni; Gaetano Scirea; Francesco Graziani; Fulvio Collovati; Claudio Gentile
v.l.unten: Paolo Rossi; Bruno Conti; Antonio Cabrini; Gabriele Oriali; Marco Tardelli

Im Halbfinale zwischen Italien und Brasilien machte „das Gespenst“ Paolo Rossi den Unterschied zwischen dem gefühlten Weltmeister Brasilien und dem tatsächlichen Weltmeister Italien. Rossi, der vorher nichts getroffen hatte, erzielte alle drei Tore für Italien. Danach gab es kein Halten mehr für Italien auf dem Weg zum Titel über Polen im Halbfinale (2:0), natürlich zwei Mal Rossi. Und dann stand die „Squadra Azzura“ im Finale gegen Deutschland. DieTeutonen hatten auch ein Melodram hinter sich, den Sieg im Halbfinale gegen Frankreich nach Elfmeterschießen. Aber nach diesem epischen Spiel in Sevilla hatten sie keine Kraft mehr in den Beinen und waren im Finale chancenlos. Rossis Tor in der 57. Minute zum 1:0 war schon die Vorentscheidung. „Ich startete, bevor Gentile überhaupt geflankt hatte“ beschrieb er die Entstehung des Führungstreffers. In diesem griffigen Satz steckt die gegossene Essenz des Knipser-Gens. Zu ahnen, wo der Ball in wenigen Sekunden sein wird. Oder wie Pele sagte: „Gehe nicht dahin, wo der Ball ist, sondern wo er sein wird“.

Wettbetrügereien hin oder her. Die italienische Mentalität weiß zu verzeihen. „Pablito“ bürgerte sich als Begriff in der italienischen Sprache ein. Einer, der Tore stiehlt, ergaunert, wenn weder Verteidiger noch Torwart das Unheil kommen sehen. Großartige Tore, die Italien im Jahre 1982, als das Land vom Terror roter und neofaschistischer Anschläge erschüttert wurde, einen seltenen Augenblick der Leichtigkeit verschafften. Die Jubelszenen von Staatspräsident Sandro Pertini, bereits 85 Jahre alt, nach den Toren von Rossi, Tardelli und Altobelli im Bernabeu-Stadion, neben König Juan Carlos von Spanien und Bundeskanzler Helmut Schmidt sitzend, ließ die beiden jüngeren Herren alt aussehen. Wie von der Tarantel gestochen sprang er in die Luft, riss die Hände hoch! „Forza Italia“. Sein Beliebtheitsgrad und der von Paolo Rossi schossen in die Höhe. Jede „Bar Centrale“, sei es in Turin, Mailand, Rom oder in den vielen Provinznestern auf dem Stiefel von Europa verzeichnete in den nächsten Wochen Rekordumsätze mit Espresso, Vino bianco und rosso und einem Limoncello mit Eis. Ach, diese Tore von Rossi, Tardelli und Altobelli. Italien ist Weltmeister. La Grande Italia.

„Ohne Schatten gibt es kein Licht, man muss auch die Nacht kennenlernen“ schrieb einst Albert Camus. Nach dem Sommer seines Lebens (1982) kam vor einigen Jahren der Winter. Paolo Rossi, der starke Raucher, hatte in den 90er Jahren noch eine bemerkenswerte Karriere als Fernsehkommentator gemacht, mit feinem toskanischem, sarkastischem Witz.

Eines Tages 2020 ging er mit Rückenschmerzen zum Arzt. Wohl ein Bandscheibenvorfall. Logische Folge einer Fußballerkarriere. Der Arzt diagnostizierte: Lungentumor. Der Winter kam. Seine Frau schrieb auf Instagram: „Per sempre. Uno di noi! (Einer von uns).

Uwe Morawe
1982: Der unberührte Ball

Die fünf Elfmeterschützen nach den 120 dramatischen Minuten von Sevilla waren schnell gefunden. Ihn hatte Derwall gar nicht erst gefragt. Schublade Kopfballungeheuer, technisch limitiert. War ihm egal, was die anderen redeten, er schoss seine Tore und gut.

Dribbelkönig Littbarski, Superstürmer Rummenigge, Elfmetermaschine Kaltz und die Führungsspieler Stielike und Breitner. Diese fünf waren gesetzt. Stielike hatte verschossen, die Franzosen Six und Bossis auch. Als es darum ging, sich jetzt der Verantwortung zu stellen, waren die anderen nach hinten getrippelt. Er, Hrubesch, war stehen geblieben, ein Baum von einem Mann. Er war dran. 40 Meter bis zum Ball, ein Schuss und Deutschland stünde im Endspiel der WM 1982. Horst Hrubesch machte sich auf den Weg.

Wie jedem anderen kleinen Burschen der 50/60er Jahre waren auch Horst Hrubesch die Nachwehen des Wunders von Bern in die Wertematrix eingeschrieben. Jeder noch so kleine Jugendturniersieg in Hamm und Umgebung umwehte die Aura von Herberger, Fritz Walter oder Uwe Seeler. Elf Freunde müsst ihr sein. Erst die mannschaftliche Geschlossenheit, dann der Erfolg. Mit 24 Jahren noch hatte Hrubesch beim SC Westtünnen in der 6.Liga gekickt. Dann der erste Profivertrag bei Rot-Weiß Essen, wo Willi Lippens anfangs glaubte, sein Name wäre Horst Rehbusch. Weiter ging’s zum HSV, mit dem er Deutscher Meister wurde. Immer hatte der Mannschaftsgedanke für Hrubesch an erster Stelle gestanden. Mit 29 Jahren gab er als einer der ältesten Spieler aller Zeiten sein Debüt für Deutschland. Im fünften Länderspiel hatte Hrubesch seine ersten beiden Tore erzielt. Im EM-Finale gegen Belgien. Andere hätten sich für diese Leistung abfeiern lassen, Werbeverträge abgeschlossen: „Wie ich Deutschland zum Titel köpfte“. So etwas war Hrubesch fremd. Er hatte seinen Job als Torjäger erledigt und Punkt. Sein selbstverständlicher Beitrag zur Mannschaftsleistung, warum darum Aufhebens machen? Lange hatte Hrubesch geglaubt, alle anderen dächten genauso wie er. So lange, bis er Paul Breitner kennenlernte.

Die am Ende völlig verkorkste WM 1982 begann für Deutschland genau genommen bereits ein Jahr zuvor. Eine neue Generation um den überragenden Bernd Schuster war auf begeisternde Weise Europameister geworden. Die Gelegenheit für Paul Breitner, auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Breitner hatte seit 1975 kein Länderspiel mehr bestritten, zeigte nun aber Interesse, bei der hochtalentierten Truppe mitzumachen. Selbstverständlich nicht mehr als Linksverteidiger, sondern als Chef im Mittelfeld. In dieser Rolle hatte Breitner die Bayern zurück an die Spitze gebracht. Kapitän Rummenigge und die Boulevardzeitungen wusste Breitner auf seiner Seite – kein anderer Spieler lieferte so viele Schlagzeilen wie er. Und der führungsschwache Jupp Derwall würde gegen die öffentliche Meinung eh nichts unternehmen.

Eine Win-Win-Situation schien gegeben, ein tolles Team würde durch einen gestandenen Leader noch besser. Mit Offensive pur wollte Deutschland zum Titel stürmen. Im zweiten Länderspiel nach seinem Comeback im Mai 1981 gegen Brasilien sah das deutsche Mittelfeld wie folgt aus: Schuster-Breitner-Magath-Hansi Müller. Was für eine Power auf dem Weg nach vorne! Dummerweise beanspruchte jeder die Chefrolle, vor allem der alte Neue. Als es Elfmeter gab, schnappte sich Breitner das Leder. Und verschoss. Der Schiedsrichter ließ gnädigerweise den Elfer wiederholen. Wieder ließ Breitner keinen anderen ran und verschoss ein zweites Mal!

Deutschland verlor das Spiel mit 1:2. Ein starker Trainer hätte das Experiment Breitner nach dessen Egotrip vielleicht wieder beendet. Derwall war kein starker Trainer. Nicht Breitner, sondern Bernd Schuster wurde als Sündenbock auserkoren. Der musste nach einem Tritt von Andoni Goikoetxea verletzt miterleben, wie Breitner im Vorfeld der WM die öffentliche Meinung gegen ihn und seine Frau Gabi anheizte. Schuster – eh ein introvertierter Typ – reagierte trotzköpfig und geriet in die Isolation. In ihrer Karriere standen Schuster und Breitner exakt 135 Minuten gemeinsam auf dem Platz.

Der Plan Breitners ging auf. Wäre Schuster im Team geblieben, hätte Breitner für ihn arbeiten müssen, ganz einfach, weil Schuster der bessere Fußballer war. So wurde Breitner unumstrittener Anführer und Vorzeigefigur. Für 150 000 DM ließ er sich vor der WM den Bart stutzen, um für ein Rasierwasser Werbung zu machen. Dann beeinflusste er tiefgreifend die Aufstellung. Zwölf Monate nach seinem Comeback bestand das Mittelfeld der Deutschen nicht mehr aus vier grandiosen Technikern. Nein: die biederen Handwerker Dremmler und Bernd Förster reichten dem Vorarbeiter Paul Breitner die Kelle.

Dabei hätte es eine triumphale WM für Deutschland werden können. Zum wohl einzigen Mal besaß man auf jeder, wirklich jeder Position absolute Weltklasseleute. Schaut man auf diesen Kader, bleibt einem die Spucke weg. Karl-Heinz Förster, das defensive Nonplusultra. Oder was gäbe man heute für die Außenverteidiger Kaltz und Briegel? Topleute wie Augenthaler, Jakobs, Allgöwer, Völler, Dieter Hoeneß oder Klaus Allofs schafften es nicht einmal in die Gruppe der 22.

Viele starke Charaktere bildeten einen bemerkenswert charakterlosen Haufen. Schon die Vorbereitung am Schluchsee inmitten von Schwarzwaldtouristen geriet zu einer einzigen Sauftour wie am Vatertag. Die Führungsspieler um Breitner spielten jede Nacht Poker bis zum Morgengrauen. Einige verzockten ihre gesamte WM-Prämie und mehr. Breitner mit seiner bewundernswerten Konstitution stand um 9 Uhr morgens wieder topfit auf dem Platz, die anderen hatten Pelz auf der Zunge und atmeten schwer.

Das Halbfinale gegen Frankreich hätte die angeknackste Reputation zum Großteil wieder herstellen können. Eines der größten Spiele der Historie. Selbst dieser zerstrittene Haufen hatte sich zusammengerissen und gegen brillante Franzosen Widerstand geleistet. Comeback in der Verlängerung nach 1:3-Rückstand! Doch diese heroische Leistung wurde überschattet vom brutalen Foul von Schumacher gegen Battiston. Statt sich um den Schwerverletzten zu kümmern, hatte sich der Toni minutenlang provozierend die Alustollen am Pfosten abgeklopft…

Der ganze Murks dieser WM hätte Horst Hrubesch durch den Kopf gehen können, als er sich auf den Weg machte. Doch Hrubesch blendete alles aus – das hatte er als Angler gelernt. Meditation auf westfälisch. Hrubesch hatte sich die letzten zwölf Monate aus allen Reibereien rausgehalten, weil er im Gegensatz zum HSV in der Nationalmannschaft keine Lobby hatte. Nun galt es, einen Job zu erledigen. Noch knapp zwei Meter bis zum Elfmeterpunkt, der Schiedsrichter hatte den Ball mittig auf die Kreide gelegt. Was sollte er da noch groß rumfummeln und rummachen? Hrubesch nickte kurz, stoppte ab und ging zwei Schritte zurück.

Er hatte die Kugel nicht berührt und zurechtgerückt. Versuchen Sie mal, einen Elfmeter zu schießen, ohne vorher mit den Händen Kontakt zum Ball aufzunehmen! Da sträubt sich doch alles! Der Elfmeter, mit dem Horst Hrubesch Deutschland ins Finale der WM 1982 schießt, ist so ziemlich das Coolste, was es je im Fußball zu sehen gab! Doch auf solche Kleinigkeiten achtete keiner mehr, nachdem die deutsche Mannschaft bei dieser WM sämtliche Sympathien verspielt hatte. Dieses Team hatte mit seinem Auftreten nahezu Unmögliches bewirkt: Drei Tage später hielt beim Finale die ganze Fußballwelt zu Italien.

Der WM Pokal als Urne von Paolo Rossi

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