Francisco Gento

Der Sturmwind von Kantabrien

Biografie
Geboren am 21. Oktober 1933 in Guarnizo/Provinz Kantabrien/Spanien
Gestorben am 18. Januar 2022 in Madrid
Grabstätte: Guarnizo, Kantabrien, Cementerio de Muslera, Calle de Pedro Fernandez Escarzaga
Quelle Foto: realtotal.de
 
Stationen der Karriere als Fußballer:
Position: Linksaußen
Vereine: S.D. Nueva Montana (1948-1950):
U.C. El Astillero (1950-1951)
S.D. Rayo Cantabria (1951-1952); Real Racing Santander (1952-1953)
Real Madrid (1953-1971)
Spanischer Meister (1954. 1955, 1957, 1958, 1961, 1962, 1963, 1964, 1965, 1967, 1968, 1969)
Europapokal der Landesmeister (1956, 1957, 1958, 1959, 1960, 1966)
Spanischer Pokalsieger 1962, 1970
Europameister 1964
43 Länderspiele; 6 Tore

“Paco, no tan rapido! Desacelerar! Auf Deutsch: „Paco, nicht so schnell. Brems doch mal! Wir kommen nicht mehr hinterher! „Alfredo di Stefano und Ferenc Puskas, beide schon jenseits der Dreißig, aber immer noch Weltklasse und Hirn und Herz von Real Madrid Ende der 50er/Anfang der 60er Jahre, kamen nicht immer hinterher, wenn Francisco Gento auf der linken Seite so nach vorne preschte, dass der Kalk staubte.

Über Kantabrien, einer spanischen Provinz am Golf von Biskaya, fegt oft ein Wind, den sie dort „La Galerna del Cantabrico.“nennen. Auf die Küste prallen dann sturmgepeitschte Wellen und überwältigende Böen plagen die Landbewohner dieser Region. Da geht man noch nicht mal mit dem Hund vor die Tür. „Der Sturmwind aus Kantabrien“ treibt die Bewohner in ihre Unterkünfte.

Der recht kleine„Paco“ Gento wurde zur Inkarnation dieser kargen Gegend.. Er war nur 1,68 m groß, hatte aber die massivsten Oberschenkel bei Real Madrid, bis Roberto Carlos kam. Als Hirte im elterlichen Betrieb musste „Paco“ die Kühe zusammenhalten. Gelegentlich trieb er sie bergauf zusammen, dann jagte er sie bergab ins Tal. Heute wird anders trainiert. Sein Wiegenlied war hart als Sohn eines Bauern in einfachen Verhältnissen. Und er wurde hineingeboren in den sich anbahnenden Bürgerkrieg in Spanien (1936 bis 1939). Seine Mutter hieß Prudencia, die Besonnene! Sohn Francisco kam auf seine Mutter raus.

Für 1,5 Millionen Peseten wechselte der Hirtenjunge mit hohem fußballerischem Talent von Racing Santander zu Real Madrid. Präsident Santiago Bernabeu war nicht überzeugt von dem kleinen Wirbelwind und wollte ihn wieder zurückschicken in die kantabrische Heimat. Aber Alfredo Di Stefano überredete den mächtigen Vereinspräsidenten. „Er ist schnell und hat einen Bombenschuss. Den Rest bringen wir ihm schon bei“. Gento lief die 100 Meter mit Fußballschuhen in 11 Sekunden., war beidfüßig mit einem hartem Schuss, ein Flankengott und medizinisch betrachtet ein Sonderling.

Er konnte sich nach körperlichen Hochanstrengungen innerhalb von ein paar Sekunden regenerieren. Er war ein Gepard, der jedoch im Vergleich zu Gento nach einer erfolglosen oder erfolgreichen Jagd eine längere Ruhepause braucht.

Ferenc Puskas adelte ihn: „Gento hatte einen großartigen Schuss. Aber er war manchmal sehr ungenau. So erschrak er die Vögel in den Bäumen um den Trainingsplatz herum und konnte nachher den Ball nicht mehr wiederfinden. Aber unser Spiel war sehr einfach. Wir wussten, dass wir mit Gento das schnellste Ding auf zwei Beinen auf dem linken Flügel hatten“. Von Raymond Kopa, der rechten Flügelzange, sprach er gar nicht. Der war nicht minder gefährlich für den überforderten Gegner mit seinen Dribblings und dem richtigen Pass in die Mitte des Raumes, wo die Vollstrecker warteten. Gentos und Kopas Flanken waren das Manna für Puskas, di Stefano und Rial. Eine Augenweide! Ob das weiße Ballett ohne Francisco Gento so gezaubert hätte, wie sie es Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre taten? Wahrscheinlich nicht.  Denn „Paco“ war Vorbereiter, wenn er wie ein Pfeil links an mehr oder weniger hochtalentierten Außenverteidigern vorbeischoss. Man konnte ihn nicht einfangen, genauso wenig wie den „Galerna del Cantabrico“, der ihm seinen Namen gab.

Das „weiße Ballett“ 1959.
v.l. Raymond Kopa, Hector Rial, Alfredo Di Stefano, Ferenc Puskas, Francisco Gento
Quelle Foto: realtotal.de

Gento gewann mit Real Madrid sechs Mal den höchsten europäischen Vereinstitel, bei acht Finalteilnahmen. Das hat bisher noch kein anderer geschafft. Paolo Maldini vom AC Mailand kommt ihm am nächsten. Der gewann fünf Mal die Champions-League.

Der französische Schriftsteller Olivier Guez hat in seinem Essay „Lob des Dribbelns“ diese Figuren aus einer anderen Zeit wunderbar beschrieben: „Einen Spieler, einen Trickser, einen Sprinter wie Gento, ein Erfinder wahnwitziger Gesten, absurder Rouletten und Haken“, mit denen er den Verteidiger führte und täuschte und narrte.

Raymond Kopa schaute manchmal etwas verloren auf dem rechten Flügel zu, wenn auf der linken Seite die Post abging. Aber er wusste, dass seine Stunde kommt, wenn Di Stefano das Spiel auf die rechte Seite verlagern würde. Mit sinnverwirrenden Dribblings narrte der Franzose die Abwehrspieler auf der anderen Seite. Es gab weder links noch rechts ein Entkommen oder Ruhe für die überforderte Defensive des Gegners. Und in der Mitte lauerten Di Stefano, Rial und Puskas. Und wenn die Sturmpartner mal nicht das Tor trafen, übernahm Gento das auch noch. In 601 Pflichtspielen schoss er beindruckende 109 Tore.

Ein Spiel prägte in Deutschland vor vielen Jahrzehnten das Verständnis von hochkarätigem Fußball, mehr noch als das „Wunder von Bern“, das kampfbetont war. Da wurde nicht gezaubert. Es war das Finale des Europapokals der Landesmeister zwischen Real Madrid gegen Eintracht Frankfurt (7:3). Schauplatz war der Hampden-Park in Glasgow am 18. Mai 1960: Da wurde von Real Madrid ein Feuerwerk abgebrannt. Gento zeigte eine „Rabona“, das Schießen des Balles mit dem falschen Fuß, Di Stefano seine berühmten Übersteiger und „No Look Passes“, wie später Magic Johnson bei den Los Angeles Lakers, und Puskas seine Abschluss -Qualitäten mit dem starken linken Fuß.

Es war, als würde Toscanini (Di Stefano) dirigieren, Paganini den Primgeiger (Puskas) machen und Linksaußen Gento ein Gewitter auslösen, das dem in Gioachino Rossinis Oper „Wilhelm Tell“ am Vierwaldstädter See nahekommt. Ein Sturmwind halt. Friedel Lutz, rechter Verteidiger der Eintracht und immerhin 12-maliger deutscher Nationalspieler, sagte 50 Jahre später: „Wir hätten auch 3:0 führen können, und dennoch hätten wir verloren.“ Gento, der freie Unternehmer auf der linken Seite machte mit ihm, was er wollte. Es war eine dieser legendären Europapokalnächte im Mai, wie in Istanbul 2005 beim Finale AC Mailand – FC Liverpool (3:3 n.V., 2:3 Im Elfmeterschießen). Solche Spiele meißeln sich ein in das Hirn des Fußball-Fans bis zu seinem Lebensende.

Auf einem günstigen Sitzplatz saß in Glasgow der gerade achtzehnjährige Alex Ferguson, geboren in der Region, und beschloss nach diesem Spiel, Fußballprofi zu werden. Später (ab 1988) als Trainer von Manchester United setzte er die Philosophie und Strategie von Santiago Bernabeu, dem legendären Präsidenten von Real Madrid, um. Verpflichte die besten Spieler! Und dann brauchst du einen Trainer, der orchestriert. Real Madrid braucht immer diese Dirigenten, wie zurzeit Carlo Ancelotti oder vorher Zinedine Zidane.

Und wenn der Primgeiger sich über die Mannschaft erhebt, musst du ihn rausschmeißen. Wie David Beckham. Ferguson warf ihm in der Kabine einen Fußballschuh an den Kopf. „Du hast keinen Teamspirit mehr. Verschwinde mit deiner Victoria“. Wohin? Zu Real Madrid. Und Ferguson baute wieder eine Mannschaft auf, die erneut die Champions-League gewann! Er hätte nicht zu Real Madrid gepasst. Deshalb blieb er 27 Jahre bei Manchester United und gewann alle Titel, die sich ein Fußballer erträumt.

1966 -bei seiner achten Finalteilnahme im Europacup der Landesmeister- vollendete Gento seine Mission bei Real Madrid. Alle Großen hatten Real verlassen. Als Kapitän einer ausschließlich aus Spaniern bestehenden Mannschaft besiegte Real den jugoslawischen Meister Partizan Belgrad in Brüssel mit 2:1. Amancio, der Rechtsaußen, würdigte den Lehrmeister:“ Paco blieb, um uns Neuankömmlinge zu lehren, was Real Madrid ist“. Trainer war Miguel Munoz, ein hervorragender Mittelfeldspieler, mit dem Gento 1956, 1957 und 1958 den Europapokal gewonnen hatte. Und dieser Munoz führte Real Madrid -nun als Trainer- erneut zum höchsten Vereinstitel Europas, 1960 und 1966. Ihm folgten bisher nur sechs Fußballer, die sowohl als Spieler wie auch als Trainer den EC der Landesmeister/Champions-League gewonnen haben. Giovanni Trapattoni, Johan Cruyff, Carlo Ancelotti, Frank Rijkaard, Zinedine Zidane und Pep Guardiola. Nebenher gewann er mit den „Königlichen“ noch neun spanische Meisterschaften. Munoz ist der wohl erfolgreichste Trainer aller Zeiten im Profifußball.

Miguel Munoz
Biografie
Geboren am: 19.1.1922 in Madrid
Gestorben am 16.7.1990 in Madrid
Grabstätte: Madrid; Cementerio de Nuestra Senora de la Almudena
Avenida Daroca 90; Feld 304; Block 27; Grab A
Stationen der Karriere als Fußballer:
Position: Defensives Mittelfeld
Vereine: AD Ferroviaria (1940-1941)
UD Girod (1941-1942)
Imperio FC (1042-1943)
CD Logrones (1943-1944)
Racing Santander (1944-1946)
Celta Vigo (1946-1948)
Real Madrid (1948-1958)
601 Pflichtspiele
Spanischer Meister 1954/1955/1957/1958
Europapokal der Landesmeister: 1956/1957
Stationen der Karriere als Trainer
AD Plus Ultra (1958-1959)
Real Madrid (1959-1974)
Granada CF (1975-1976)
DU Las Palmas (1977-1979
Sevilla FC (1979 -1982)
Nationalmannschaft Spanien (1982-1988)
Spanischer Meister: 1961/1962/1963/1964/1965/1967/1968/1969/1972
Europapokal der Landesmeister 1960/1966
Weltpokal 1960
Spanischer Pokalsieger 1962/1970

1997 wurde Jupp Heynckes neuer Trainer bei Real Madrid. „Als ich in Madrid ankam, sprachen alle nur von „La Septima“. In jeder offiziellen Ansprache des jeweiligen Präsidenten fiel dieser Begriff. Seit 32 Jahren wartete Real Madrid auf den siebten Erfolg in der Champions-League. Heynckes: „Nie werde ich das erste Training vergessen. 80.000 Zuschauer waren bei strömendem Regen ins Bernabeu gekommen. Jeder Spieler wurde präsentiert nebst Trainerteam und Präsidium. Ganz am Ende kamen Francisco Gento und Alfredo di Stefano auf den Platz. Als das passierte, flippte das Stadion, in dem es ohnehin ohrenbetäubend laut war, komplett aus“. „Don Jupp“ aus Mönchengladbach gewann mit Real Madrid am 20. Mai 1998 in Amsterdam mit einem 1:0 gegen Juventus Turin die Champions-League, „La Septima“! Am nächsten Tag wurde er entlassen. Das ist Real Madrid!

Real Madrid: Europapokalsieger der Landesmeister 1957
Real Madrid – AC Florenz (2:0); Zweiter von rechts oben: Miguel Munoz

1971, im letzten Jahr seiner Karriere als Fußballer, spielte Gento gegen den FC Chelsea sein letztes Finale im Europapokal, diesmal um den Cup der Pokalsieger. Dass Real im Wiederholungsspiel mit 1:2 verlor war nicht mehr wichtig. Francisco „Paco“ trat als Legende von Real Madrid von der großen Fußballbühne ab.

Gento war ein“ Madridista“ durch und durch. 2015 ernannte ihn Präsident Florentino Perez zum Ehrenpräsidenten von Real Madrid. „Paco“ Gento hatte es nicht weit ins Estadio Bernabeu, denn er wohnte um die Ecke! „Real Madrid ist für mich alles. Es ist mein Leben. Mein Zuhause, meine Familie. Ohne Real wäre ich nichts“.

„Heute Morgen (am 18. Januar 2022) ist er um neun Uhr aufgestanden. Er fühlte sich schlecht und starb sofort, ohne zu leiden“ wurde eines seiner Kinder zitiert. Verstorben sei er im Real-Trikot. „Er schlief immer damit“. (La Marca)

Grabstätte Francisco Gento: Guarnizo, Kantabrien, Cementerio de Muslera, Calle de Pedro Fernandez Escarzaga:
Quelle Foto: Maria Dolores Alcaide Pastor
Grabstätte Miguel Munoz: Cementerio Nuestra Senora de la Almudena; Madrid ; Avenida Daroca 90; Feld 307; Block 27; Grab A

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