Alfred „Spezi“ Schaffer
„Bin ich König von Fußball“
Der Ungar mit dem deutschen Namen Schaffer ist der Urahn aller modernen Fußballprofis, die während ihrer Karriere wie Nomaden von Verein zu Verein wechseln, immer auf der Suche nach einer neuen Herausforderung oder einem besseren Vertrag. Alfred Schaffer war eine Art Zigeunernatur mit ungarischem Blut. Sesshaftigkeit war seine Sache nicht. Aber überall, wo er seinen fußballerischen Dienst als Spieler oder später als Trainer antrat, stellten sich Erfolge ein.
Geboren wurde er, noch zur Zeit der Hochblüte der k.u.k. Monarchie, im damals ungarischen Pressburg, das heute Bratislava heißt und die Hauptstadt der Slowakei ist. Nach seiner Geburt zogen die Eltern nach Budapest. Dort wuchs Alfred Schaffer auf, und dort wurde der Fußball zu seinem Lebensmittelpunkt. Schon als Jugendlicher wechselte er wie ein Vagabund die Vereine der Donaumetropole. Alle Clubs waren hinter ihm her, weil sie sein enormes Talent erkannt hatten. Und er wusste um seine Fähigkeiten, die es ihm erlaubten, nach dem Ersten Weltkrieg, auch infolge der Auflösung der alten staatlichen Ordnungen in Mitteleuropa, als verkappter Profispieler von Verein zu Verein zu wechseln.
Schaffer zog es stets dorthin, wo es mehr zu verdienen gab. „Bin ich König von Fußball, muss ich, bittaschön, auch bezahlt werden wie König“, lautete sein Credo, mit dem er sich durch Europa lavierte. Beispielhaft ist die Anekdote über seinen Wechsel als Trainer zur Wiener Austria im Jahr 1929. Aus München telegrafierte er seinem potenziellen Arbeitgeber: „Komme mit 1000 Freuden-stop-Monatsgage 2000 Schilling.“ Austria antwortete schlagfertig: „Komme mit 2000 Freuden-stop-Monatsgage 1000 Schilling.“ Irgendwie scheint man sich geeinigt zu haben, denn er kehrte für ein Jahr an die Stätte früherer Erfolge zurück.
In den Blickpunkt des europäischen Fußballs als wohl attraktivster und bester Spieler seiner Zeit rückte er bei einem Freundschaftsspiel seines damaligen Vereins MTK Budapest im Sommer 1919 beim 1. FC Nürnberg. Ein gewiss nicht schwacher „Club“, mit einigen Nationalspielern besetzt und der Legende Heiner Stuhlfauth im Tor, wurde mit 0:3 an die Wand gespielt. In den „Nürnberger Nachrichten“ hieß es: „MTK spielte Walzer und Csardas, und der Primgeiger hieß Alfred Schaffer.“
Der Gelobte war ein entschiedener Feind schneller Bewegungen. Er tat keinen Schritt zu viel, sah nie auf den Ball, war aber stets im Mittelpunkt des Spielgeschehens. Im Besitz einer nie versiegenden Quelle spielerischen Esprits war er zugleich Vorbereiter und Vollstrecker. Der 1. FC Nürnberg behielt Schaffer nach Abschluss der MTK-Tournee gleich da, und in der darauf folgenden Saison 1919/20 wurde die Mannschaft sofort bayerischer Meister und gelangte in die Endrunde zur Deutschen Meisterschaft.
Aber „Spezi“, wie man ihn seit jeher nannte, folgte lieber dem Lockruf des Geldes aus Basel, als die Chance zu nutzen, Deutscher Meister zu werden. Damit begann die Odyssee durch Europa. Schaffer gewann mit wechselnden Mannschaften Titel um Titel, und seine Wanderlust endete auch nicht, als er mit 33 Jahren die Trainerlaufbahn einschlug. Zwei große Erfolge ragen heraus.
Folgte immer dem Lockruf des Geldes
1938 führte er die ungarische Nationalmannschaft bis in das WM-Endspiel in Paris gegen Italien, das die Ungarn trotz großer Leistung mit 2:4 verloren. Aber die Spieler zeigten bereits die elegante, attraktive Spielweise, die ab Beginn der 50er Jahre in Gestalt der „Goldenen Mannschaft“ mit Puskás, Bozsik, Hidegkuti und Kocsis die Fußballfans in Europa verzücken wird. Der Erfolg hinderte Alfred Schaffer nicht daran weiterzuziehen, und so landete er 1940 – der Zweite Weltkrieg war mittlerweile ausgebrochen – nach einer Zwischenstation bei Rapid Bukarest in Italien beim AS Rom. Mit ihm als Coach wurde „die Roma“ 1942 zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte italienischer Meister.
Schaffers Leben endete mit 52 Jahren so, als hätte ein Drehbuchautor Regie geführt. „Spezi“ wurde im Mai 1945, als direkt nach Kriegsende, Trainer des FC Bayern München. Rund drei Monate später, am 30. August 1945, hielt ein Zug von Salzburg kommend fahrplanmäßig auf dem Bahnhof der Gemeinde Prien am Chiemsee. Der Schaffner entdeckte in einem Abteil einen regungslosen Mann. Er wurde in das Priener Krankenhaus gebracht. Dort ist er wohl verstorben. Man identifizierte ihn anhand der Papiere, und ein Fußballkenner klärte die Ärzte auf , wer dieser Tote sei. Die Sterbeurkunde weist Unterwössen im Landkreis Traunstein als Wohnort aus. Warum lebte „Spezi“ Schaffer dort, dieser urbane Mensch? In den Wirren dieser Nachkriegsmonate wurde im Priener Krankenhaus keine FC Obduktion vorgenommen. Der „König von Fußball“ war am Ende seiner Wanderung und fand die letzte Ruhe in der Idylle Oberbayerns.
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