Robert Schlienz

Der Ritter mit der eisernen Faust

Biografie
Geboren am: 3.2.1924 in Zuffenhausen
Gestorben am: 18.6.1995 in Dettenhausen
Grabstätte: Dettenhausen bei Stuttgart
Ortsfriedhof, Kirchstraße
Teil am Nordrand des Friedhofes
Eingang Nähe Gärtnerei
Grab Nr. 3
Stationen der Karriere als Fußballer
Position: Mittelfeldspieler und
Halbstürmer
Vereine: FV Zuffenhausen (1942-1945)
VfB Stuttgart (1945-1960)
Deutscher Meister 1950, 1952
Deutscher Pokalsieger 1954, 1958
3 Länderspiele (1955-1956)

Das Urteil kam aus berufenem Mund. Dem großen Alfredo di Stefano von Real Madrid war etwas Besonderes widerfahren. „Was der Einarmige geleistet hat, war für mich bis dahin unvorstellbar.“ In einem Spiel des VfB Stuttgart gegen die spanische Nationalmannschaft Mitte der 50er Jahre traf der Star der „Königlichen“ auf Robert Schlienz und konnte nicht begreifen, dass ein einarmiger Spieler solche Leistungen gegen einen so starken Gegner zeigen konnte.

Bei Spiel und Training nahm das Objekt der Bewunderung seinen künstlichen Arm ab und wirkte trotzdem auf seine Mitspieler wie der „Ritter mit der eisernen Faust“, wie der Götz von Berlichingen des VfB. Wenn die Mannschaft schwach spielte, konnte er symbolisch mit der Faust auf den Tisch schlagen, er war Antreiber, Kämpfer und Vollstrecker zugleich.

Jeder, der seine Geschichte nicht kannte, musste vermuten, dass Schlienz seinen Arm als Soldat im Zweiten Weltkrieg verloren habe. Das war nicht der Fall. Schlienz hatte sich an der Ostfront nur einen zerschossenen Kiefer eingehandelt, an den eine große Narbe in seinem Gesicht zeitlebens erinnerte. Sein schwärzester Tag war vielmehr der 14. August 1948. Mit dem Auto eines Freundes fuhr er der VfB-Mannschaft zu einem Pokal-Auswärtsspiel beim VfR Aalen hinterher, weil er die Abfahrt des Mannschaftsbusses verpasst hatte. Die Qualität der Straßen und die der Autos war drei Jahre nach dem Krieg noch sehr schlecht. So passierte es, dass Schlienz in ein großes Schlagloch fuhr. Die Hinterachse brach, das Auto kippte um, und sein Arm, den er wegen der großen Hitze angewinkelt aus dem Fenster hatte hängen lassen, wurde zerquetscht. Ein paar Stunden später folgte im Städtischen Krankenhaus von Aalen die Amputation, und die zu großen Hoffnungen berechtigende Karriere des jungen Stürmers war vorbei.

Von wegen! Ehrgeiz, gutes Heilfleisch und ein großartiger Trainer schafften es, dass Schlienz bereits am 5. Dezember 1948 vor 15.000 Zuschauern im Heimspiel gegen Bayern München wieder auflief. Trainer Georg Wurzer war es gelungen, die trüben Gedanken des Rekonvaleszenten zu vertreiben, durch individuelles Training den brillant veranlagten Spieler fit zu bekommen und in das Mannschaftsspiel zu integrieren. In Sonderschichten bis in den Abend hinein übten beide neue Bewegungsabläufe, das Abrollen bei Stürzen, die Koordination bei Kopfbällen und das Vertreiben der Angst bei drohenden Zweikämpfen. Wurzer nahm Schlienz zudem aus der Sturmspitze heraus und ließ ihn als Außenläufer oder Halbstürmer spielen. Damit begann seine Fußballkarriere erst richtig. An deren Ende standen mit ihm als Kapitän zwei Deutsche Meisterschaften und zwei Pokalsiege für den VfB Stuttgart.

Das Vertreiben der Angst bei drohenden Zweikämpfen

Robert Schlienz (rechts)und Fritz Walter vor dem
Anstoß zum Endspiel um die Deutsche Meisterschaft am 21. Juni 1953
im Berliner Olympiastadionzwischen dem 1.FC Kaiserslautern und
dem VfB Stuttgart (4:1
).

Bald schien Robert Schlienz ein Thema für die Nationalmannschaft zu sein, so imposant waren seine Leistungen. Ein Höhepunkt seiner Laufbahn ist das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft am 22. Juni 1952. Vor 86.000 Zuschauern treffen im Ludwigshafener Südweststadion der VfB Stuttgart und der 1. FC Saarbrücken aufeinander. Die Saarländer führen lange mit 1:0. Aber dann kommt die Stunde des Einarmigen. Eine Ecke von links nimmt er direkt aus der Luft und drischt den Ball in den Winkel zum Ausgleich für Stuttgart. Plötzlich ist er überall, hilft in der Defensive, dirigiert im Mittelfeld und bringt die Stürmer so in Schusspositionen, dass der VfB mit 3:2 die Oberhand behält und Schlienz zum zweiten Mal nach 1950 den begeisterten Fans die Meisterschale auf dem Stuttgarter Schlossplatz präsentieren kann, mit einem Arm und Kunstmanschette.

Bundestrainer Sepp Herberger blieben die Qualitäten des Ausnahmespielers nicht verborgen, aber er zögerte, Schlienz zu berufen. Einen Einarmigen, meinte er, könne man dem Gegner nicht zumuten. Drei Jahre später korrigierte Herberger seine Meinung. Am 28. Mai 1955 debütierte Robert Schlienz beim Länderspiel Deutschland-Irland in Hamburg und leistete mit seinen Stuttgarter Mitspielern Erich Retter und Erwin Waldner einen soliden Beitrag zum 2:1-Sieg. 1956 kamen zwei weitere Länderspiele gegen die Niederlande und England dazu. Mit 32 Jahren endete seine internationale Karriere, die sicherlich einen anderen Verlauf genommen hätte, wenn er den Mannschaftsbus 1948 auf dem Weg nach Aalen nicht verpasst hätte. Vielleicht wäre auch er ein „Held von Bern“ geworden.

Grabstätte von Robert Schlienz:
Dettenhausen bei Stuttgart
Ortsfriedhof, Kirchstraße, 2. Teil am
Nordrand des Friedhofes
Eingang Nähe Gärtnerei, Grab Nr. 3.

Nach 391 Oberligaspielen für den VfB Stuttgart und 143 Toren beendete Schlienz nach der Saison 1959/60 seine außergewöhnliche Fußballerlaufbahn. Es begann die bürgerliche Karriere des geborenen Zuffenhauseners. Am Bad Cannstatter Wilhelmsplatz hatte er schon 1950 ein Sportgeschäft eröffnet. Dem widmete er sich jetzt intensiver. Danach vertrieb er Weine und Geschenkartikel und ließ sich später in Dettenhausen am Rand der Schwäbischen Alb nieder. Im Juni 1995 stand eine Feier an, bei der ihn der VfB Stuttgart für die fünfzigjährige Mitgliedschaft ehren wollte. Doch wenige Tage vorher erlag der „Ritter mit der eisernen Faust“ einem Herzinfarkt.

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