Just Fontaine

Die magische 13

Biografie:
Geboren am 18.8.1933 in Marrakesch (Marokko)
Gestorben am 1.3. 2023 in Toulouse
Grabstätte: Toulouse: Cimetiere de Terre Cabade
Avenue du Cimetiere,
Division 3; Section 9; Grab Nr. 85
Avenue de la Coulonne, Eingang Porte Heredia
Section 9;(Heredia); Division 3; Grab 85

Stationen der Karriere als Fußballer:
Position: Stürmer
Vereine: SA Marrakesch (1947-1950)
US Marocaine Casablanca (1950-1953)
OGC-Nizza (1953-1956)
Stade Reims (1956-1962)
Französischer Meister 1956, 1958, 1960, 1962
21 Länderspiele (1956-1960); 30 Tore
Torschützenkönig WM 1958 in Schweden (13 Tore)

Stationen der Karriere als Trainer:
 Nationalmannschaft Frankreich (1967)
.Bagneres de Luchon (1968-1969)
 Paris Saint- Germain (1973-1976)
US-Toulouse (1978-1979)
Nationalmannschaft Marokko (1979-1981)

Just Fontaine wurde am 18. August 1933 in Marrakesch in Marokko geboren, das seit 1912 in ein großes französisches und ein kleines im Norden gelegenes spanisches Protektorat geteilt war. Frankreich war noch auf dem Zenit seiner weltweiten Kolonialmacht. Als eines von sieben Kindern eines französischen Vaters und einer spanischen Mutter bietet „Justo“ ein Spiegelbild vieler Biografien dieser kolonialen Epoche vor dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges (1939-1945).

Rund 25 Jahre nach der Geburt von Just Fontaine fand die Fußball-Weltmeisterschaft in Schweden statt. Das Grundgerüst der „Equipe Tricolore“ bestand aus Spielern von Stade Reims inclusive Just. Die Franzosen fuhren noch nicht mal als Außenseiter nach Schweden. Aber die „Bleus“ spielten unter Trainer Albert Batteux, auch ein Remois (Reimser), das Spielsystem von Stade Reims. Fontaine: „Nach den Vorrundenspielen kamen wir als Gruppenerster weiter, und ich war zwischenzeitlich durch sechs Tore unentbehrlich geworden. Und es ging weiter bis zum spektakulären Halbfinale gegen die Brasilianer, die Himmelstürmer von der Copacabana Rio de Janeiros.

Am 24. Juni 1958 traf im Rasunda-Stadion von Stockholm die bis dahin beste Offensive (Frankreich) auf die bis dahin beste Defensive (Brasilien). Es stand 1:1, als sich der französische Stopper Robert Jonquet in der 35. Minute bei einem Zusammenprall mit Vava so sehr verletzte, dass er nur noch als Statist über den Platz humpelte, weil damals noch nicht ausgewechselt werden durfte. Der von Didi dirigierte Weltklasse-Angriff der Brasilianer mit Garrincha, Vava, Pele und Zagallo zerlegte nun die französische Abwehr. Endergebnis: 5:2. Das entsprach nicht der Spielstärke Frankreichs, vor allem der im Sturm mit Raymond Kopa und Just Fontaine. Im Rahmen eines Interviews mit „11 Freunde“ im Jahre 2020 sagte „Justo“: „Im Spiel um Platz drei gegen Deutschland gelang mir das 1:0. Kurz darauf bekamen wir einen Elfmeter. Wenn ich ihn reinmache, stelle ich den Rekord von Sandor Kocsis ein, der bei der WM 1954 elf Tore erzielt hatte. Aber der Rekord war damals allen egal. Denn es gab noch nicht den Goldenen Schuh für den besten Torschützen des Turniers. Der wird erst seit der WM 1982 vergeben. Also hat wie üblich Kopa den Elfmeter geschossen. Ich erzielte trotzdem noch drei Tore zum 6:3. Ehrlich gesagt: Heute wird mehr über den Rekord geredet als damals. Richtig wertvoll wurde er erst mit der Zeit. Wie eine Flasche Mouton Rothschild, ein Premier Cru.“. Bei der Wahl zu Europas Fußballer des Jahres 1958, dem Ballon d’Or, wurde Just Fontaine Dritter. Es gewann Raymond Kopa vor einem gewissen Helmut Rahn.

Just Fontaine im Laufduell mit Karl-Heinz Schnellinger 1958 beim 6:3
Torschützenkönig der WM 1958

Trotz der so erfolgreichen WM-Teilnahme war der französischen Nation nicht zum Feiern zumute. Das Land litt nach dem Zweiten Weltkrieg schwer unter den Auswirkungen seiner fast dreihundertjährigen Kolonialpolitik und war gelähmt von politischem Stillstand. Es herrschte revolutionärer Aufruhr. Schritt für Schritt gingen dem Land die Kolonien verloren, die so lange für Wohlstand durch Ausbeutung gesorgt hatten. Seit der verlorenen „Schlacht von Dien Bien Phu“ (1954) hatte sich Frankreich aus Indochina (Vietnam, Laos, Kambodscha) zurückgezogen. Aber in Algerien, einem Land, dessen Einwohner die französische Staatsbürgerschaft hatten, tobte seit 1954 ein brutaler Bürgerkrieg mit Terroranschlägen, die bis Paris reichten. Das war vor der Haustür. „La Grande Nation“ rief nach einem Erlöser. Der wartete seit 1946 auf seinem Landsitz in Colombey-les-deux Eglises in Lothringen auf den Ruf zur Rückkehr an die Spitze des Staates, aber nach seinen Bedingungen. Charles de Gaulle. Der Held des zweiten Weltkriegs -aus französischer Sicht-hatte 1946 als Präsident der provisorischen Regierung Frankreichs resigniert und war zurückgetreten. Er ertrug das Parteien-Gezänk -wie vor dem zweiten Weltkrieg-nicht mehr und zog sich aus dem aktiven politischen Leben zurück. Aber nur vorläufig. Er wartete auf seine Berufung zum neuen französischen Präsidenten, aber dann ausgestattet mit umfassender verfassungsrechtlicher Autorität. Ein Referendum im September 1958, das mit 83 Prozent sein gewünschtes Präsidialsystem bestätigte, gab ihm umfassende Macht, Frankreich in eine entkolonialisierte Zukunft zu führen, eingebunden in Europa. Allein im „Afrikanischen Jahr“ 1960 wurden 14 afrikanische Kolonien von Frankreich unabhängig. De Gaulle gelang in den 60er Jahren die politische Steuerung der permanenten Ausnahmesituation Frankreichs.

Er beendete 1962 brachial den Algerien-Konflikt und entließ das zerrissene Land in die Unabhängigkeit, trotz drohender Putschambitionen in der französischen Armee. Über eine Million sogenannter „Algerienfranzosen“ flüchteten überstürzt nach Frankreich, meistens nach Marseille, das am nächsten lag, getrieben von der Angst vor der Massakrierung durch die algerischen Rebellen.

Diese „Pieds Noirs“, (Schwarzfüße) genannten Emigranten waren-Franzosen, deren Vorfahren sich seit der Kolonialisierung Algeriens (ab 1847) dort niedergelassen hatten. Dazu kam ein Exodus der „Harkis“, gebürtigen Algeriern, die den Franzosen als Hilfstruppen gedient hatten. Die Schätzungen reichen von 100.00 bis 260.000 Harkis. Zinedine Yazid Zidane,-einer der größten Fußballer aller Zeiten-, war das jüngste Kind einer solchen algerischen Einwandererfamilie und wurde am 23. Juni 1972 in Marseille geboren. Die französische Nationalmannschaft ist spätestens seit dem Gewinn des WM-Titels 1998 ein Spiegelbild der kolonialen Geschichte Frankreichs und der Immigration seit rund siebzig Jahren, überwiegend aus dem afrikanischen Kontinent und Indochina.


Generaloberst Alfred Jodl unterschreibt die Kapitulationsurkunde am 7. Mai 1945

Reims, Metropole der Champagne mit heute 185.000 Einwohnern und Heimatstadt des Clubs Stade Reims, hat enorme Bedeutung in der gemeinsamen politischen Geschichte Frankreichs und Deutschlands. Am 7. Mai 1945 um 2.41 Uhr unterschrieb der deutsche Generaloberst Alfred Jodl für das Oberkommando der deutschen Wehrmacht im Hauptquartier (heute Lycee Polivalent Franklin Roosevelt) von General Dwight D. Eisenhower, dem Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte in Nordwesteuropa, die bedingungslose Kapitulation Deutschlands im Westen, die am 8. Mai 1945 in Kraft trat.

Konrad Adenauer (links) und Charles de Gaulle am 8. Juli 1962 in der Kathedrale von Reims

Versöhnlicher verlief der 8. Juli 1962, als der französische Staatspräsident Charles de Gaulle und der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer gemeinsam an einem Gottesdienst in der Kathedrale von Reims teilnahmen. Der Akt war ein Zeichen der Versöhnung der jahrhundertelang in Erzfeindschaft lebenden Völker. Am 23. Januar 1963 wurde dann im Elysee-Palast von Paris der deutsch-französische Freundschaftsvertrag unterzeichnet.

Der historisch interessierte Fußball-Fan wird eher auf den Club Stade Reims hinweisen, gegründet als Betriebs-Sportverein der Champagner-Kellerei Pommery. Die existiert heute noch, und die Flasche Pommery Brut Royal (0,75cl) kostet zurzeit um Euro 40,- in Jaques Wein-Depot.

Jeder Champagnerliebhaber kennt die Marken Ruinart, Taittinger oder Veuve Clicquot, allesamt in Reims hergestellt. Der Fußball-Fan der 50er, 60er und 70er Jahre konnte sich die teuren Getränke nicht leisten, aber er kannte die Namen der Weltklassespieler des Clubs. Raymond Kopa, Michel Hidalgo, Just Fontaine, Robert Jonquet oder Roger Piantoni. Sie waren der Champagner des Fußballs jener Zeit, nicht nur in Frankreich, sondern in ganz Europa. Die Spielweise des Clubs ähnelte dem prickenden Champagner (Foot petillante, ein funkelnder Fußball). Stade Reims gewann sechs französische Meistertitel zwischen 1949 und 1962. Unweit von Paris entwickelte sich eine Mannschaft, die das Potenzial hatte, den Europapokal der Landesmeister zu gewinnen. Stade Reims stand zwei Mal im Finale, 1956 in Paris gegen Real Madrid (3:4) und 1959 in Stuttgart (0:2), erneut gegen Real Madrid. Nach dem Endspiel 1956 wechselte Raymond Kopa zu Real Madrid und wurde Bestandteil des „Weißen Balletts mit Alfredo di Stefano, Ferenc Puskas, Rial und Francisco Gento im Sturm.

„Justo“ tanzte eigentlich nur im Sommer 1958, während der weißen Nächte im Norden Europas, wenn dort die Sonne nicht untergeht. Bei jeder anderen WM wäre Fontaine mit all seinen Toren (acht mit rechts, vier mit links, eins per Kopf) zum Weltstar geworden. Aber er stand im Schatten des 17jährigen Pele. Fontaines Sonnenuntergang begann früh, am 20. März 1960.

Bei einem Ligaspiel in Sochaux brach ihm Sekou Toure, geboren an der Elfenbeinküste, aber nun französischer Staatsbürger,das linke Bein. Davon erholte sich „Justo“ nie mehr vollständig. Nach langer Verletzungspause brachen erneut Schien-und Wadenbein bei einem Spiel von Stade Reims gegen Limoges. In der damaligen Zeit stand die Sport-Medizin noch in den Kinderschuhen. Selbst eine Meniskusverletzung, heute ambulant behandelt oder operiert, bedeutete oft das Karriereende. Und so kam es für Just Fontaine schon im Alter von 27 Jahren. Deshalb trug er nur 21-mal den Gallischen Hahn auf seiner Brust.

Miroslaw Klose brauchte vier WM-Teilnahmen für seine 16 Tore, Gerd Müller zwei für 14 Tore. Aber Fontaine adelte den deutschen „Bomber der Nation“: “ Ich war schneller als er, aber er hatte den besseren Torinstinkt“. Ronaldo (der brasilianische) erzielte bei seinen beiden WM-Teilnahmen 15 Tore. Nur Just Fontaine genügte eine WM für seine 13 Tore. 1998 wurde Frankreich erstmals Weltmeister, doch der Mittelstürmer Stephane Guivarch schoss kein einziges Tor.

1974 führte Just Fontaine als Trainer den Fußballclub Paris St. Germain in die erste Liga Frankreichs. Er konnte sich sicherlich nicht vorstellen, dass dieser kleine Stadtteilverein aus dem „Quartier Latin“ einmal in die Hände des Wüstenstaates Katar gelangen würde, mit den Weltstars Messi, Mbappe und Neymar im Sturmzentrum oder in der Defensive mit Ramos und Donnarumma. Sowohl Disneyland als auch Harlem Globetrotters! Wir reden über 2023. Wer weiß, wer noch alles nach Paris kommt, um bei Auswärtsspielen in sturmgepeitschten regnerischen Städten der Bretagne oder der Normandie Zauberfußball zu spielen. Messi hatte genug davon und wechselte nach Miami. Er möchte wohl noch einmal eine andere Kultur kennen lernen.  Mbappe, Neymar oder Ramos zieht es auch in wärmere Gefilde. Aber „die Marie muss stimmen“.

Just Fontaine: „Chevalier de la Legion d’Honneur“

Als Inhaber von Sport-Geschäften rund um Toulouse verdiente sich Just Fontaine in den 30 Jahren nach dem Karrierende seinen Lebensunterhalt. Als Fußballer war er nicht reich geworden. Die Saläre jener Zeit waren gering. Es sei denn, man wechselte zu Real Madrid wie sein Sturmpartner Raymond Kopa. (siehe Einzelporträt)

Frankreich hat Fontaine nicht vergessen, denn am 12. Juli 2013 wurde er zum“ Chevalier de la Legion d`Honneur“ ernannt. Der Orden wurde am 19. Mai 1802 von Napoleon Bonaparte geschaffen, um militärische und zivile Dienste, ausgezeichnete Talente und große Tugenden zu belohnen. Der „Ritter der Ehrenlegion“ ist die ranghöchste zivile Auszeichnung Frankreichs.

Grabstätte: Toulouse: Cemetiere de Terre Cabade; Avenue du Cimetiere

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