Karl Lennart „Nacka“ Skoglund

Der pendelnde Maiskolben

Biografie
Geboren am: 24.12.1929 in Stockholm
Gestorben am: 20.7.1975 in Stockholm
Grabstätte: Stockholm Ortsteil Enskede
Skogskyrkogården
(The Woodland Cemetery);
Nynäsvägen
Hinter dem Haupteingang links halten zur
Gamla Tyresvägen
Sektor 45 E; Grab Nr. 24571
Stationen der Karriere als Fußballer
Vereine: Hammarby IF (1947-1948)
AIK Solna (1949-1950)
Inter Mailand (1950-1959)
Sampdoria Genua (1959-1962)
SSC Palermo (1962-1963)
Hammarby IF (1963-1967)
Kärrtops IK (1968)
11 Länderspiele (1950-1964); 1 Tor
WM-Teilnehmer 1950, 1958
Italienischer Meister 1953, 1954

Jedes Jahr, wenn im Stockholmer Stadtteil Södermalm der Heiligabend beginnt, finden sich in einer Kneipe der Katarina Bangata skurrile Fußballfans ein. Sie treffen sich seit Jahren zu Ehren eines der größten Fußballer ihres Landes und feiern dessen Geburtstag. Bei manch teurem Bier erzählen sie sich Geschichten über Karl Lennart Skoglund, den sie alle nur „Nacka” nennen. Und zwischendurch singen sie die Ode „Vi hänger me!“ (Wir sind dabei!) auf ihr Idol. Mit diesem Song stürmte Nacka Skoglund 1958 in die schwedischen Charts. Komponiert und getextet wurde der Hit von Stig Anderson, der 15 Jahre später zum erfolgreichen Songwriter von ABBA avancierte, neben den Fußballern einer der erfolgreichsten Exportartikel Schwedens.

In dieser Straße, Katarina Bangata 42, wuchs Nacka auf, und hier starb er auch, verarmt, vereinsamt und versoffen. Zu später Stunde, wenn alle Geschichten über dieses Unikat des großen schwedischen Fußballs der 50er Jahre wieder erzählt sind, bewegt sich der Tross zu seiner Statue an „Nackas Hörna”, der Ecke Katarina Bangata und Södermannagatan, die ihm zu Ehren von der Stadt Stockholm errichtet wurde. Dort wird sein Geburtstag weitergefeiert, und der Vorsitzende des Fanclubs (Bajen Fans) von Hammarby IF, Nackas Heimatclub, hält immer eine Rede, so z.B. Stefan Magnusson am 24. Dezember 2007. Hier sind ein paar Auszüge: „Bewohner Södermalms, Hammarby-Fans, Freunde von Nacka! Heute wäre Nacka Skoglund 78 Jahre alt geworden. Ich weiß nicht, ob ihr heute morgen ,Dagens Nyheter‘ [Schwedische Tageszeitung: Anm. des Autors] gelesen habt, aber der alte Sportchef Bobby Byström hat dort die ewige Frage wieder aufgeworfen: Wie gut war Nacka? Nacka war der einzige, der mit Maradona verglichen werden konnte, meinte Gunnar Nordahl. Er war eine Mischung aus dem Tänzer Nijinsky, dem Clown Charly Rivel, dem Schauspieler Maurice Chevalier. (…) Abschließen möchte ich mit einer kleinen, sonnigen Geschichte: Ich habe einen Freund, dessen Sohn ungefähr zehn Jahre ist. Vor ein paar Tagen meinte er zu seinem Vater: ‚Ach Papa, wie sehr ich mich schon auf Weihnachten freue!‘ ‚Das verstehe ich‘ , sagte mein Freund. ‚Du bist wohl schon neugierig, welche Weihnachtsgeschenke du bekommen wirst.‘ ‚Nein, nein, ich freue mich schon auf die Zusammenkunft bei Nackas Denkmal!‘ So etwas macht glücklich. Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr!“

Spielszene mit Nacka Skoglund (rechts).

Wenn der Blick dieser Fans jetzt noch nicht ganz getrübt ist, erkennen sie an der Ecke Katarina Bangata/Ecke Brannerigatan die Statue einer anderen, auch in dieser Gegend aufgewachsenen Berühmtheit Schwedens: die von Greta Garbo, der Ikone des jungen Hollywood. Welche Höhepunkte, aber auch welche Tragik weist ihr so unterschiedliches und irgendwie doch ähnliches Leben auf, weshalb es einerseits vielleicht kein Zufall ist, dass ihre beiden Grabstätten unweit voneinander entfernt auf Stockholms wunderschönem Friedhof Skogskyrkogården sie wieder vereinen. Und andererseits, welcher Gegensatz: hier das schlichte Grab „Nackas“, gegenüber auf einem Hügel liegend das Distanz gebietende Grabmal der „Göttlichen“.

Grabstätte von Karl Lennart Skoglund:
Stockholm Ortsteil Enskede, Skogskyrkogården
(The Woodland Cemetery);
Nynäsvägen. Hinter dem Haupteingang
links halten zur Gamla Tyresvägen
Sektor 45 E; Grab Nr. 24571.
Grabstätte von Greta Garbo auf
dem Friedhof Skogskyrkogården,
Stockholm.

Skoglund begann seine große Karriere beim Stockholmer Club Hammarby IF. Sein internationaler Stern ging bereits bei der Fußballweltmeisterschaft 1950 in Brasilien auf, weshalb ihn gleich Inter Mailand verpflichtete. Mit 246 Spielen und 57 Toren war er maßgeblich an den Erfolgen des Clubs, der 1953 und 1954 den Meistertitel der Seria A holte, beteiligt. Er war der Wegbereiter für die spätere Invasion schwedischer Weltklassespieler wie Gren, Nordahl, Liedholm, Hamrin und Bergmark, die in den nächsten Jahren die damals stärkste Fußball-Liga der Welt erobern sollten. Man nannte ihn den „pendelnden Maiskolben” in Referenz an seine blonden Haare und die abrupten Körperbewegungen nach links oder rechts, die er – er maß nur 1,69 m – bei seinen Dribblings als Flügelstürmer praktizierte und mit denen er seine Gegner so irritierte, dass die immer wieder die Abwehrbewegung zur falschen Seite machten.

Gedenkstatue von Nacka Skoglund in Stockholm,
Katarina Bangata am Nackas Hörna Plats.

Sein sportlicher Höhepunkt kam im Jahr 1958, als in seinem Heimatland Schweden die Fußballweltmeisterschaft stattfand. Erstmals durften die Italienlegionäre wieder mitspielen, nachdem der schwedische Fußballverband sie jahrelang wegen ihres Profistatus nicht mehr bei Länderspielen eingesetzt hatte mit der Folge, dass Schweden in den zurückliegenden Jahren international keine Rolle mehr gespielt hatte. Jetzt brauchte man diese Weltklassespieler, und Skoglund erreichte mit einer stark besetzten schwedischen Mannschaft das Finale gegen Brasilien. Im legendären Halbfinale zuvor erzielte er den Ausgleich zum 1:1 gegen Deutschland, bevor sein Partner auf der rechten Sturmseite, „Kurre“ Hamrin, seinen Gegenspieler Erich Juskowiak dermaßen narrte, dass dieser sich in seiner Wut zu einem Revanchefoul an Hamrin hinreißen ließ, vom Platz flog und damit die deutsche Niederlage einleitete.

Im Finale verloren die Schweden mit 2:5 gegen die großartigen Brasilianer. Aber es lag nicht an Skoglund, der den gewiss nicht schwachen Djalma Santos gelegentlich mit südländischer Grandezza umkurvte und die brasilianische Abwehr in Bedrängnis brachte. Danach zeigte er noch viele Jahre in Italien seine Stürmerqualitäten, um 1967 seine Karriere bei seinem ersten Club Hammarby ausklingen zu lassen. Sein Ruhm und seine Beliebtheit in Verbindung mit seiner psychischen Labilität aber wurden ihm zum Verhängnis. Nun zeigte er vor allem Trinkerqualitäten. Manches in seiner Vita erinnert an den finnischen Skispringer Matti Nykänen. „Nacka“ Skoglund verfiel dem Alkohol und versoff sein damals noch mühsam verdientes Vermögen. Er trat als Sänger in Kneipen auf und zeigte auf Jahrmärkten Fußballkabinettstückchen, um sich das Geld für seine exzessiv ausgelebte Sucht zu verdienen, an deren Folgen er bereits im Alter von 45 Jahren starb.

Verarmt, vereinsamt und versoffen

Der schwedische Journalist Björn Fremer drückte es so aus: „,Nacka‘ lebte vom Applaus, wie Komiker vom Lachen leben. ,Nacka‘ gelang es, viele glücklich zu machen. Wenn das Lachen stirbt, stirbt der Komiker. Als der Jubel starb, starb ,Nacka‘.“

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