Die „Ruhr-Polen“.

Im Westen geht die Sonne auf.

„Ruhr-Polen“ nannte man die ostpreußischen Arbeiter, die im 19. Jahrhundert,  vor allem nach  der deutschen Reichsgründung 1871,  in die prosperierenden Kohle- und Stahlreviere im Westen Deutschlands zogen auf der Suche nach Arbeit. Man schätzt, dass  rund 300.000 „Brüder aus der kalten Heimat“ bis zum Ende des 19. Jahrhunderts  in das Ruhrgebiet und das Saarland einwanderten. Mit oder ohne Familie. Aber rechtlich waren das gar keine Polen. Nach der 3. Teilung des ehemaligen Königreiches Polen 1795 verschwand dieser historisch so bedeutsame Nationalstaat von der politischen Landkarte Europas.  Die Könige und Kaiser von Preußen, Russland und Österreich hatten Polen einfach unter sich aufgeteilt.  Dieser Landraub   wurde bei den Verhandlungen während des Wiener Kongresses 1814/1815 zur Neuordnung Europas der nach-napoleonischen Zeit erneut legitimiert. Nichts war es mit der Rückübertragung der Souveränität an Polen. Preußens König Friedrich Wilhelm III sprach Klartext in seiner Rede am 19.5.1815, die sich an die neuen Bürger Preußens polnischen Ursprungs richteten. “Auch ihr habt ein Vaterland… Ihr werdet meiner Monarchie einverleibt, ohne eure Nationalität verleugnen zu dürfen… Eure Religion soll aufrechterhalten werden…“

Leere Versprechungen. Das stolze polnische Volk wurde in den nächsten Jahrzehnten von den Russen, Deutschen und Österreichern entnationalisiert. Aus dieser Melange kamen die späteren Einwanderer in das im Zuge der Industrialisierung immer stärker  preußisch geprägte Deutsche Reich.  Von 1795 bis 1870 waren sie (mit Ausnahme von 1807 nach dem Frieden von Tilsit, bis zum Wiener Kongress 1815) zunächst preußische Staatsbürger und sie durften sich in einem engen, vom preußischen  Obrigkeitsstaat gesetzten Rahmen auch politisch artikulieren.

Nach der Reichsgründung von 1871 wurden diese Neubürger aus den östlichen Provinzen Preußens (Masuren, Kaschuben, Posen und Schlesien), -nicht ganz liebevoll Polacken genannt – dann deutsche Staatsbürger mit deutschem Pass. Aber sie sprachen kein Wort Deutsch.  Robert Lewandowski, 1988 in Posen geboren, wäre, wenn die Geschichte nicht anders verlaufen wäre,  Deutscher. Keine schlechte Perspektive für die Offensive der deutschen Nationalmannschaft.

Als  Bürger des preußischen, später deutschen Territoriums  unterlagen die Ost-und Westpreußen oder Schlesier keinen Restriktionen bei der Einwanderung. Sie suchten Arbeit und  arrangierten sich mit der neuen Heimat, auch wenn die herausgehängte Wäsche von der kohlengeschwängerten Luft  schnell schwarz wurde oder der Vater eine Staublunge vom  Abbau in den Schächten mit nach Hause brachte. Denn: Sie hatten  Arbeit und Lohn,  gründeten  Familien und wurden sesshaft. Im Jahre 1898 betrug der Anteil polnisch sprachiger Bergarbeiter zum Beispiel im Kreis Gelsenkirchen 28 Prozent.  Allerdings gab es strenge Trennungslinien und Diskriminierung seitens der einheimischen Bevölkerung, die in den „Ruhr-Polen“ von den Zechen-Herren angeworbene Lohndrücker sah.

Bergarbeiter des Reviers 8, Zeche Hannover 1/2 Bochum im Jahre 1899
Quelle Foto: montan.dok/BBA 20/4748

Dann änderten sich die politischen Rahmenbedingungen. Nach dem Ersten Weltkrieg entstand infolge des „ Versailler Vertrages“  1919  ein neues Polen aus der Konkursmasse Russlands, Preußens  und Österreich-Ungarns. Aber nur wenige  „Ruhr-Polen“ kehrten in ihren neu entstandenen National-Staat zurück. Dort herrschte bis 1921 Krieg zwischen Polen und Russland. Die meisten blieben lieber im „Pütt“  „Ruhrpott oder Kohlenpott“,  einer sprachlichen Verballhornung dieser stark wachsenden  Region. Der Assimilations-Prozess hatte schon längt begonnen.  Die Kinder wuchsen bereits zweisprachig auf.  Einige „Ruhr-Polen“ zogen jedoch  weiter Richtung Westen,  nach Belgien und Frankreich, in die Kohle- und Stahlregionen von Lüttich/Charleroi in Belgien oder von  Lille / Lens  in Nordfrankreich. Vor allem auf Druck der belgischen und französischen Besatzer nach der Besetzung des Ruhrgebietes von 1923 bis 1925.  Die Gebietsverluste Deutschlands an das neugegründete Polen in der Folge von Versailles  1919 lösten eine erneute  Auswanderungswelle aus den  nunmehr polnischen Gebieten  aus. Wieder  ging es für viele Familien – mit nur einem Koffer in der Hand – in die Industrieregionen West-Europas. Sie flohen vor dem Krieg  mit Russland und suchten mehr  existenzielle Sicherheit. Viele hatten nach der langen Zeit der Okkupation ihres Landes durch Preußen teilweise auch  deutsche Mentalität angenommen.  Die Zuwanderer  aus dem Osten, seien sie aus der ersten oder zweiten Einwanderungswelle, waren bei den Unternehmen gern gesehene Arbeiter. Fleißig, belastbar, zuverlässig, meist katholisch. Die Stahl-und Zechen-Barone schätzten sie, weil sie so das Lohnniveau international wettbewerbsfähig halten konnten. Aber  die Unternehmer investierten auch in das soziale Umfeld ihrer hart arbeitenden Mitarbeiter. Zum Beispiel  in Werkswohnungen, die heute noch  denkmalgeschützte Refugien ihrer jetzigen Bewohner in vielen Ruhrgebiets-Städten sind. Alfred Krupp wusste warum. „Wer gut wohnt, streikt nicht“.

Bergarbeiter-Leben um 1870
Quelle: Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv, Köln

Dennoch: Für die alteingesessene deutsche Bevölkerung blieben die „Ruhr-Polen“ lange  Fremdlinge und Konkurrenten um Arbeitsplätze und Wohnungen. Dazu kam noch die manchmal gewaltige sprachliche Distanz.  Es war kein perfektes Umfeld,  in dem die Kinder aufwuchsen. Die  Begriffe Kita und Kindergarten hatten noch keinen  Eingang in die deutsche Sprache gefunden. Aber es gab ein gemeinsames Band für die Kinder. Fußball spielen. Ein Ball, und wenn es nur Stofffetzen waren, genügte, um auf der Straße, den Bolzplätzen  oder auf der Wiese zu spielen. Nationalitäten übergreifend. Dort begannen die Karrieren großartiger Spieler, die in den Folgejahren das Publikum bezauberten. Im Stadion, nicht vor dem Fernsehgerät. Fußball war ein wunderbarer  Integrationsfaktor.  Er legte die Grundlagen, die heute noch emotionale Ausbrüche bei den Fans auslösen, wenn ein Spiel Borussia Dortmund gegen Schalke 04 bevorsteht. Oder Rot Weiß Oberhausen gegen Rot Weiß Essen. Oder Wattenscheid gegen Bochum. All die Derbys in einer Fußball – verrückten Region, wo man den Ball von einem Fußballplatz auf den nächsten schießen kann. Wo der Riss durch Familien geht. „Omma“ ist für Schalke, „Oppa“ für Dortmund. Kinder und Kindeskinder unterliegen samstäglich in den Familien einem Wechselbad der Gefühle. Schwarz-gelb oder weiß und blau. Und wo die Fans sich in den Armen liegen, egal mit polnischem oder deutschem Nachnamen.

Aus den Spielern mit polnisch-preußischen Wurzeln ließen sich einige veritable Nationalmannschaften Deutschlands bilden. Hier wäre eine.

Quelle Foto: Borussia Dortmund
Biografie
Geboren am 12.7.1935 in Dortmund
Gestorben am 5.1.2020 in Dortmund
Grabstätte: Enkenbach-Alsenborn
Ortsfriedhof; Burgstraße
Grab-Feld A; Reihe 22; Nr.20
Stationen der Karriere als Fußballer
Position: Torwart
Vereine: VfL Husen (1946-1949)
SuS Kaiserau (1949-1955)
Westfalia Herne (1955-1963)
Borussia Dortmund (1963-1967)
Eintracht Frankfurt (1967-1970)
39 Länderspiele (1957-1967)
WM-Teilnehmer 1962 und 1966
Deutscher Pokalsieger 1965
Europapokal (Pokalsieger) 1966
Fußballer des Jahres in Deutschland 1965

Hans Tilkowski    

Und ewig  fällt das Wembley-Tor.  Hans Tilkowski  hat zwei schwere persönliche  und sportliche Niederlagen hinnehmen  müssen. Die erste erlitt er 1962 vor Beginn des ersten WM-Spiels in Santiago de Chile gegen Italien, als ihn Bundestrainer Sepp Herberger düpierte und ihm als der bisherigen Nr.1 den unerfahrenen Wolfgang Fahrian als Torwart vorzog. Die zweite folgte am 30.Juli 1966 im Wembley-Stadion von London.

Im WM-Endspiel gegen England kassierte er eines der wohl am meisten zitierten, interpretierten, analysierten Tore der WM-Geschichte, das sogenannte „Wembley-Tor“. Vergleichbar vielleicht mit Maradonas Tor „mit der Hand Gottes“ im Spiel Argentinien gegen England bei der WM 1986. Nur in Wembley war kein Fußballgott im Spiel. Es war ein Dolchstoß aus Baku, von  Tofiq Bahramow, einem  Bahnbeamten  aus Aserbeidschan. Mit einem „Goal, Goal, Goal“ überzeugte er Schiedsrichter Gottfried  Dienst aus der Schweiz, der zuvor auf „Kein  Tor“ entschieden hatte, das Tor anzuerkennen. Auch der deutsche Bundespräsident Heinrich Lübke  sah den „Ball im Netz zappeln“. Das war die Entscheidung. England wurde Weltmeister. Man sollte es dieser Fußballverrückten Nation einfach gönnen, dem Mutterland des Fußballs. 1966 hätte Tilkowskis Karriere – Höhepunkt werden können. Mit Borussia Dortmund gewann er als erster deutscher Verein ein Europapokal-Finale. Gegen die Giganten aus Liverpool, im Hampden-Park in Glasgow am 5. Mai mit 2:1 nach Verlängerung. Dank Libudas Bogenlampe in der 106. Minute. Am 30. Juli hätte die Legendenbildung  dann ihren Abschluss in Wembley gefunden. Weltmeister. Dann bist du unsterblich.  Der Wink des Bahnbeamten  aus Aserbeidschan mit der Fahne verhinderte diese frühe Lebensverlängerung.

Hans Tilkowski konnte  nach dem Karriereende 1970 ein schönes Leben im Umfeld des Fußballs führen. Als Trainer, Unternehmer, allseits beliebter Mensch  mit hohem sozialen Engagement und  als begnadeter Anekdotenerzähler.

Grabstätte : Enkenbach-Alsenborn
Ortsfriedhof, Burgstrasse
Quelle Foto: Borussia Dortmund
Biografie
Geboren am 16.7.1926 in Gelsenkirchen
Gestorben am 23.5.2008 in Dortmund
Grabstätte: Dortmund
Südfriedhof
Große Heimstraße 119
Feld B 21;Grab Nr. 204
Stationen der Karriere als Fußballer
Westfalia Schalke (1938-1947)
FC Schalke 04 (1947-1950)
Rot-Weiß Essen (1950-1952)
Borussia Dortmund (1952-1965)
4 Länderspiele (1954-1958)
WM –Teilnehmer 1954 und 1958
Deutscher Meister 1956 und 1957

Heinrich „Heini“ Kwiatkowski  

Ihm war ein Torhüterschicksal beschieden, an dem auch ein Klasse-Fußballer zerbrechen kann. Heini Kwiatkowski bestritt zwei Länderspiele bei den Weltmeisterschaften 1954 und 1958 und kassierte dabei 14 Gegentore. Er wurde das größte Opfer von Bundestrainer  Sepp Herbergers Verschleierungstaktik  beim Vorrundenspiel  der WM 1954 gegen die starken Ungarn.  Herberger  ließ die Nummer 1, Toni Turek,  und viele andere Stammspieler nicht auflaufen, weil er eine Niederlage einplante. Denn dann käme es zu einem Entscheidungsspiel in dieser Gruppe gegen  die Türkei,  um in das Viertelfinale einzuziehen und damit den Ungarn zumindest bis zu einem möglichen Endspiel aus dem Wege zu gehen. Aufgrund des 3:8 stand Kwiatkowski  aber als „ armer Hund“  in der Kritik. Herberger übrigens auch. „Kaufen Sie sich einen Strick“, waren einige Reaktionen aus Deutschland.

 Aber  aus  den Prügelknaben dieses Spieles,  Herberger und Kwiatkowski, wurde der eine ein gefeierter Weltmeistertrainer, der andere  ein Publikumsliebling bei Borussia Dortmund.  1958 berief ihn Herberger  erneut in das Aufgebot für die Weltmeisterschaft in Schweden.  „Kwiat“  folgte dem Ruf! Es gehörte sich einfach so, der Einladung des Weltmeister-Trainers von 1954 zu folgen. Aber Heini machte erneut nur ein Spiel.  Herberger  nominierte ihn erst nach dem verlorenen Halbfinale gegen Schweden für das   Spiel  um den recht unbedeutenden dritten Platz  gegen die starken Franzosen rund mit Raymond Kopa und Just Fontaine. Und dem „armen Hund“ widerfuhr erneut das Missgeschick, bei einer B-Elf im Tor zu stehen. Er vertrat den Stammtorwart Fritz Herkenrath und kassierte diesmal  weniger Tore als gegen Ungarn 1954. Es waren nur  sechs. Endergebnis 3:6 . In der Nacht danach wird ihm wahrscheinlich schon der Text des Briefes, den er Herberger schreiben würde, durch den Kopf gegangen sein. „ Sehr geehrter Herr Herberger! Bitte laden Sie mich nicht mehr ein“.

Grabstätte: Dortmund Südwestfriedhof
Große Heimstraße 119
Quelle Foto: Peter R. Seeber

Ein  Schalker Junge im Dortmunder Tor?Einige Verwirrungen in diesem hoch emotionalen Milieu der Ruhrgebietsvereine verhinderten seine Karriere bei  Schalke 04 oder Rot-Weiß Essen. Sie führten ihn zu Borussia Dortmund. Und da  wurde  er gleich Deutscher Meister mit den Kumpels von der „Roten Erde“. 1956 und 1957.  Und  blieb weiterhin die Nr. 1 in Dortmund. Trotz der für ihn unglücklichen Weltmeisterschaft in Schweden 1958. Sogar als 39 – jähriger  bestritt „Heini“ noch 4 Spiele in der neu gegründeten Fußball-Bundesliga 1963/64. Dann wurde er bürgerlich. Bis zu seiner Pensionierung arbeitete er als Repro-Fotograf bei den Dortmunder Stadtwerken. Der Schalker Junge war ein Borusse geworden und geblieben. Was man nicht weiß?  Wo war  Heinrich Kwiatkowski am 19. Mai 2000, dem letzten Spieltag der Bundesliga.  Was mag er am Fernsehschirm oder im Parkstadion gedacht haben,  als Schalke 04 für 4 Minuten „Deutscher Meister“ war. Borussia Dortmund spielte bei Hertha BSC und hatte keine Chance mehr auf den Titel.

Hat er mit Schalke 04 gelitten, er, der 1946 als Zwanzigjähriger aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft zurückkam und von seinem Ursprungs – Verein Westfalia Schalke  zum Nachbarverein Schalke 04 wechselte. Man kann sich sicher sein.  Ja!  Die Luft weicht schwerlich ganz aus dem Ball.

Biografie
Geboren am 2.8.1938 in Lünen
Gestorben am 12.3.2012 in Brunnen/Schweiz
Die Asche wurde im Vierwaldstädter See verstreut.
Stationen der Karriere als Fußballer
VfB 08 Lünen (1952-1958)
Borussia Dortmund (1958-1965)
TSV 1860 München (1965-1967)
FC Winterthur/Schweiz (1967-1971)
FC Zürich/Schweiz (1971-1973)
9 Länderspiele (1962-1965); 3 Tore
Deutscher Meister 1963 und 1966
Deutscher Pokalsieger 1965
Schweizer Pokalsieger 1972

Friedhelm  „Timo“ Konietzka  

Als der gebürtige Lüner  von seinem Grundwehrdienst  zurückkehrte  und in das Mannschaftstraining von Borussia Dortmund einstieg, verpasste ihm sein Mannschaftskamerad Jockel Bracht den Namen „Timo“. Konietzka trug eine stark gekürzte Haarpracht, die Bracht an den russischen General im zweiten Weltkrieg, Semjon Timoschenko erinnerte. Der in Deutschland noch nicht geläufige Vorname begleitete ihn sein ganzes Leben.  Aus Friedhelm wurde sein offizieller Name Timo, den er sich auf dem Standesamt in Lünen für eine Gebühr von DM 300,- eintragen ließ. Es gab diesen Namen nicht im deutschen Namensregister. Ob Timo Werner die Historie seines Namens  kennt? Bestimmt nicht.

Der „erste Timo Fußball-Deutschlands“  verschaffte den Historikern  der neu gegründeten Bundesliga eine nette Anekdote. Auf allen Spielplätzen sollten die Partien   am 24. August 1963 um 17.00 Uhr beginnen, auch die von Werder Bremen gegen Borussia Dortmund. Der Schiedsrichter des Spiels – damals wohl noch nicht im Besitz einer Quarzuhr- pfiff aber bereits um 16.59 Uhr an. Nach 37 Sekunden bekam Timo den Ball von Lothar Emmerich auf den „Schlappen“ und verwandelte zum 1:0 gegen Werder Bremen. Die anderen Spiele hatten noch gar nicht begonnen. Es gibt  weder ein Foto,  ein Fernsehbild  noch einen Bericht der damals in den Kinos so bedeutsamen „Wochenschau“ von diesem „historischen“ Treffer.

Als Deutscher Meister 1963 mit Dortmund und 1966 mit 1860 München verließ  “Timo“ Deutschland. Seine 72 Tore in den ersten 100 Bundesligaspielen sind bis heute noch ein Rekord, den nicht einmal Gerd Müller erreichte. Fortan lebte er als Spieler und Trainer überwiegend in der Schweiz. Sehr erfolgreich.   „Dieses Tor hat mein Leben geprägt. Ich habe in meiner Karriere viele schönere Tore geschossen. Aber dieses Tor in Bremen hat mir am meisten genutzt“, erzählte er bis zu seinem Tod den Gästen im Gasthaus „Ochsen“ in Brunnen am Vierwaldstädter See, welches er mit seiner Frau Claudia führte. Auf einem Regal stand der vergoldete Schuh als einziges Erinnerungsstück an diesen historischen Moment 1963 in Bremen.

2012 wählte Timo Konietzka, schwer erkrankt, den Freitod in seinem Schweizer Domizil.

Quelle Foto: DFB
Biografie
Geboren am 29.8.1934 in Erkenschwick
Gestorben am 9.10.2009 in Melle
Grabstätte: Melle
Friedhof Melle Mitte, Am Friedhof 10
Teil A; Abt.312; Grab 74
Stationen der Karriere als Fußballer
SpVgg Erkenschwick (1942-1955)
Wuppertaler SV (1955 -1959)
Karlsruher SC (1959-1961)
CC Catania/Italien (1961-1963)
Inter Mailand/Italien (1963-1964)
FC Varese/Italien (1964-1965)
Tasmania 1900 Berlin (1965-1966)
FC Biel/Schweiz (1966-1967)
Chicago Spurs/USA (1967-1968)
SV Steinheim (1968-1970)
43 Länderspiele (1956-1966); 2 Tore
WM-Teilnehmer 1958 und 1962

Horst „Schimmi“  Szymaniak  

Dieser Oer-Erkenschwicker Bergmannssohn – so die Legende -hatte es nicht so mit dem Bruchrechnen. Er soll ein Angebot seines Clubs Wuppertaler SV, das  Gehalt um  mindestens ein Drittel angesichts guter  Leistungen und verlockender  Angebote italienischer Clubs zu erhöhen, entrüstet  zurückgewiesen haben . „Ich will mindestens ein Viertel mehr“.  Spätestens jetzt hätte das Zeitalter der Spielerberater begonnen -wenn Horst das so gesagt hätte. Hat er  aber nicht. Horst Szymaniak wurde eines der ersten Opfer von „Kuckuckszitaten“, die mehr oder weniger erfunden oder falsch adressiert wurden. Andi Möller kann  ein Lied davon singen. „Den Spruch Mailand oder Madrid –Hauptsache Italien, den hat man mir reingesungen. Juventus Turin wollte mich an Atalanta Bergamo weiterverkaufen. Ich aber wollte nicht dahin“. Es gab ein Hickhack und selbst seriöse Zeitungen schlachteten das plötzlich auftauchende „Kuckuckszitat“ – wer es auch immer geschaffen hat – genüsslich aus. Es ging bei der Posse um das genaue Gegenteil von „Hauptsache Italien“. Hat Mario Basler wirklich gesagt, als er in Kaiserslautern spielte? „ Wir wollen keine Spieler, die wo die deutsche Sprache nicht mächtig sind“.

Wie 36 seiner 42 Klassenkameraden der Volksschule von Oer-Erkenschwick begann  der junge Horst Szymaniak  im zarten Alter von 14 Jahren  als Bergmann wie Großvater und Vater  „auf Zeche Ewald“. Fünf Jahre lang. Zwei davon  hat er unter Tage „malocht“. Das war für die Lunge eines künftigen Nationalspielers nicht gerade ideal.  Hätte ja auch eine Staublunge werden können. Nicht gut für einen 6er, der normalerweise den Staubsauger in den heutigen Spielsystemen spielt.  Die Vorstellung, dass Joshua Kimmich gelegentlich unter Tage Steinkohle abbaut und am nächsten Tag auf dem Spielfeld zaubert  treibt einen an die Grenzen der Phantasie.  Am 30. April 1962 heiratete „Schimmi“ in Wuppertal seine Freundin Elfriede Kuliszewski.  Elfriede entschied sich, keinen Doppelnamen zu führen. Den Standesbeamten erfreute es. Wahrscheinlich auch die Verwandtschaft.

„Schimmi“ war entgegen der Legende  auch niemals Bademeister, sondern von 1957 bis 1959 Pächter des Wannenbades Höchsten in der Elberfelder Nordstadt in Wuppertal. Das Wannenbad führte sein Vater. Szymaniak  machte Karriere in Italien. Als einer der ersten Deutschen Fußballprofis  wechselte er 1961 für das damals sehr hohe Handgeld  von  200.000 DM zum CC Catania. Er spielte so gut, dass  Inter Mailand ihn  1963 kaufte. Das war die damals beste Vereinsmannschaft der Welt. Nun spielte er mit Weltklassespielern wie Facchetti, Suarez, Mazzola und Jair zusammen. Er wurde unter Trainer Helenio Herrera  Europapokalsieger der Landesmeister 1964. Im Finale saß er allerdings nur auf der Bank, weil Herrera sehr defensiv mit einer Spitze spielte (Jair) und damals noch nicht ausgewechselt werden durfte. 1965 kehrte Szymaniak  noch mal für ein Jahr in die Bundesliga zurück, aber sein neuer Verein Tasmania 1900 Berlin war so schlecht, dass am 19. Spieltag gegen Borussia Mönchengladbach nur 827 Zuschauer ins Olympiastadion kamen. Tasmania stellte über diesen Minusrekord hinaus fast alle Negativrekorde der Bundesliga auf. 31 Spiele in Folge ohne Sieg, die wenigsten Tore erzielt, die meisten Gegentreffer erhalten. Ein Desaster. Da ließ „Schimmi“ seine Karriere lieber „für ein paar Dollar mehr“ bei den Chicago Spurs ausklingen.

Grabstätte Melle:
Friedhof Melle Mitte. Am Friedhof 10
Quelle Foto: Heiko Bockstiegel

Ohne Fußball wurde sein Leben unstet. Ein paar Stationen als Trainer von Amateurvereinen, dann als Gastronom mit seinem „Haus der 7 Biere“ in Melle bei Osnabrück. Nach vier Jahren als Kneipier kam ihm wieder seine Beidfüssigkeit zu Gute,  die ihn einst zum Weltklassespieler  gemacht hatte.  Nun jedoch nur für Kupplung, Bremse und Gaspedal im LKW einer Spedition. Vielleicht hat er bei seinen Fahrten durch Deutschland gelegentlich darüber nachgedacht, ob er sich diese Strapazen hätte ersparen können, wenn er die Lire, DM oder Dollar besser angelegt hätte? Aber Horst Szymaniak  schien zufrieden mit seinen Lebensumständen. Eine schöne Mietwohnung, ein sicheres Einkommen, eine Knappschaftsrente, das hatte er sich als junger Bergmann mit 14 Jahren so gewünscht.  Er behielt seine sozialen Kontakte, vor allem zu seinen ehemaligen Mitspielern.  In vielen Prominentenspielen leistete er seinen Beitrag für soziale Zwecke. Er blieb in Melle der sympathische Ruhrgebietsjunge.

Biografie
Geboren am 19.5.1922 in Gelsenkirchen
Gestorben am 15.9.2001 in Gelsenkirchen
Grabstätte: Gelsenkirchen
Hauptfriedhof Ortbeckstrasse 2; Feld 181; Grab 10
Stationen der Karriere als Fußballer
SV Erle 08 (1933-1935)
FC Schalke 04 (1935-1943)
VfB Königsberg (1943-1944)
Eintracht Braunschweig (1944-1945)
SV Erle 08 (1945-1946)
FC Schalke 04 (1946-1949)
Werder Bremen (1949-1954)
5 Länderspiele (1941-1951), 2 Tore
Deutscher Meister 1940 und 1942
mit Schalke 04

Herbert Burdenski    

Wie der Vater, so der Sohn. Es kommt gelegentlich  vor, dass Vater und Sohn Nationalspieler ihres Landes werden. Cesare und Paolo Maldini für Italien, Peter und Kasper Schmeichel für Dänemark, Johan und Jordi Cruyff für die Niederlande. Da erfüllten die Söhne die großen Erwartungen. Meistens zerbrechen jedoch die Söhne an diesen  Erwartungshaltungen der Fans und Medien  angesichts ihres großen Namens und erreichen dann nur  Mittelmaß. Franz und Stefan Beckenbauer. Andi und Pascal Köpke. Mehmet und Lucas Scholl. Maurizio und Gianluca Gaudino. Jürgen und Jonathan Klinsmann. Es kann eine große Tragödie sein, ein Genie als Vater zu haben (Marcel Reich-Ranicky).

Herbert und Dieter Burdenski, beide „Budde“ genannt, teilten dieses Schicksal nicht und liefen für Deutschland auf. Beide, Vater und Sohn,  stehen für zwei besondere Spiele in der deutschen Fußball-Geschichte. Budde 1 erzielte das erste Tor der deutschen Nationalmannschaft nach dem zweiten Weltkrieg, nach exakt acht  Jahren ohne Länderspiele. Gegen  wen hätte man auch spielen können.  England, Sowjetunion oder Frankreich?  Ging während und nach dem Krieg natürlich nicht. Deutschland war geächtet. Die neutrale Schweiz war aber  bereit, am 22. November 1950 in Stuttgart gegen Deutschland ein Freundschaftsspiel mit Genehmigung der FIFA auszutragen. Herbert Burdenski erzielte das Siegtor zum 1:0 durch Elfmeter. Keiner wollte den Elfer schießen. Unter dem Erwartungsdruck der mehr als 100.000 Zuschauer, die vom Länderspielfußball völlig entwöhnt waren, hatten die Spieler, die bis auf Anderl Kupfer und Burdenski noch nie ein Länderspiel bestritten hatten, Versagensängste. „Auf gehts’s Budde“, flehten die Kameraden, weil der Bremer schon ein paar Kriegsländerspiele sowie Frontbewährung auf Führerbefehl hinter sich hatte. „Da bin ich eben“, berichtete der Tapfere später „die 60 Meter nach vorne durch den Morast gewatet und hab den Ball aus dem tiefen Schlamm hoch unter die Latte gesetzt“. Vier Tage später wurde sein Sohn Dieter geboren.

Budde 2 erwarb sich  seinen „Ruhm“  in einem etwas anders gearteten Spiel. Am 17. April 1971  stand das Bundesligaspiel Schalke 04 gegen Arminia Bielefeld an. Für die Ost-Westfalen ging es um den Klassenerhalt.  Schalkes Stammtorwart Norbert Nigbur  (auch Ruhrgebietspole) hatte sich verletzt und Budde 2 sprang ein. Das Spiel seines Lebens, wie er dachte. Er hielt, was zu halten war. Nur das Tor zum 0:1 musste er kassieren. In der 83. Minute. Verteidiger Galbierz von Schalke 04 stoppte einen Ball bewusst so schlecht, dass der Bielefelder Gerd Roggensack  gar nicht umhin konnte, an Dieter Burdenski vorbei einzulochen. Was muss der gedacht haben  angesichts des völligen Leistungseinbruchs seiner Vorderleute. Zumal  ihm ein anderer Verteidiger noch zurief: “Mensch Budde, nun geh doch mal zur Seite“. Er war wohl der einzige aller 22 Spieler, der nicht wusste, dass  die Funktionäre von Arminia Bielefeld das Spiel für eine Zahlung von DM 2.300 pro Spieler von Schalke 04 gekauft hatten.  Alle 10 anderen Schalker Spieler wussten von der  Bestechungsprämie. Eine  schöne Anzahlung für einen neuen Opel Manta, cash nach dem Spiel ausgehändigt.

Grabstätte: Gelsenkirchen
Hauptfriedhof Ortbeckstrasse 2

Die Bestechung machte der Präsident der Offenbacher Kickers, Gregorio Canellas anhand von Tonbandaufnahmen mitgeschnittener Bestechungsgespräche mit Spielern öffentlich. Natürlich unter Generalverdacht stehend  kam Dieter Burdenski  vor dem DFB-Gericht aber glimpflich davon. Der DFB-Kontrollausschuss unter dem Vorsitzenden Klaus Kindermann –Beiname Großinquisitor- verurteilte ihn zu einer  Sperre vom  4. Februar 1973 bis 21. Mai 1973 und einer Geldbuße von DM 2.300,- Begnadigt wurde Budde 2  schon am 15. Mai 1973. Er war Kronzeuge. Nach dem Spiel hatte er auch Geld genommen. Wohl auch die  2.300,-DM.  Wenn die Kohle  schon da war. Warum nicht? Ansonsten gab es viele Meineide, die den anderen Spielern danach voll auf die Füße fielen. Man glaubte ihm, von der Absprache nichts gewusst zu haben. Nachvollziehbar angesichts seiner Leistungen in diesem Spiel. Das DFB Gericht sperrte ihn nicht so lange wie all die anderen.   Klaus Fischer, neben  Rolf Rüssmann, Klaus Fichtel, Reinhard Libuda und vielen anderen Spielern an dieser Manipulation beteiligt, formulierte das ganze Desaster später sehr präzise: „Dümmer kann man nicht sein“.  Übrigens: Beim  Saisonabschluss 1970/1971 waren mindestens 18 Partien manipuliert. Die wohl schwärzesten Stunden der Fußball-Bundesliga.

Biografie
Geboren am 15.12.1912 in Gelsenkirchen
Gestorben am 25.2.1991 in Gelsenkirchen
Grabstätte: Gelsenkirchen
Kath. Altstadtfriedhof Kirchstraße 57 An Friedhofshalle rechts vorbei, 1. Weg links. Weg rechts; Feld 4; Grab Nr. 136a
Stationen der Karriere als Fußballer
FC Schalke 04 (1922-1949)
2 Länderspiele
Deutscher Meister 1934/1935/1937/1939/1940/1942
Deutscher Pokalsieger 1937

Otto „Ötte“ Tibulsky

Ohne „Ötte“  hätte es den „Schalker Kreisel“ nicht gegeben. Weil Fritz Szepan und Ernst Kuzorra für ihr Kurzpass-Spiel kongeniale Mitspieler brauchten. Charakteristisch für das Schalker Spiel war das aktive Freilaufen der nicht ballführenden Mitspieler, um Szepan immer mehrere Anspielstationen zu bieten und den Ball förmlich in das Tor des Gegners zu tragen. Das brachte Schalke 04 zwischen 1934 und 1942 sechs Deutsche Meisterschaften ein. Es ist nicht verbürgt, dass Pep Guardiola viele Filmsequenzen der damaligen Meister-Mannschaft studiert hat. Allzu viel Material existiert nicht mehr. Aber sein Tika-Taka war die moderne Umsetzung 75 Jahre später.  Dazu braucht es die richtigen Spieler. So wie damals die „Ruhr-Polen“ Szepan, Kuzorra,  Tibulsky und Kalwitzki waren es nun beim FC Barcelona die Zauberer  Iniesta, Xavi, Messi und David Villa, die diesen Spielstil zelebrierten.

Grabstätte: Gelsenkirchen
Kath. Altstadtfriedhof Kirchstrasse 57

Kirchstrasse 57

Tibulsky agierte im Sinne von Spielmacher  Fritz Szepan als defensiver Dreh-und Angelpunkt.  „Ötte war in seiner Art einmalig. Er beteiligte sich an unseren Kombinationen mit der Eleganz und der Klugheit eines Franz Beckenbauer. Er rundete den Schalker Kreisel ab und behielt die Ruhe, um zusammen mit Torhüter Hans Klodt die Abwehr zu dirigieren“. Im 2. Weltkrieg wurde er an der Ostfront verwundet, überlebte aber im Gegensatz zu seinem Mannschaftskameraden “Ala“ Urban (siehe Porträt). Am 12. Dezember 1948, beim Spiel von Schalke 04 gegen Rot-Weiß Oberhausen beendete eine schwere Verletzung seine Spielerkarriere.

Mit dem bald beginnenden Wirtschaftswunder, auch im Ruhrgebiet, schlug die Stunde der Gastronomen. Die Kumpel, ob in Duisburg, Wanne-Eickel, Dortmund oder auf Schalke waren nach Ende der „Schicht im Schacht“ meistens sehr durstig und nahmen, bevor es nach Hause zum Abendessen bei „Mutti“ ging, noch schnell ein paar Halbe Bier. Otto Tibulsky profitierte als Pächter der Gaststätte des Schalker Clubheims nahe der Glückauf-Kampfbahn von dieser nachvollziehbaren Lust auf ein erfrischendes  Bier vom Fass. Und an den Heimspiel-Wochenenden spülten die Schalker Fans nicht nur das Bier in ihre Kehlen, sondern Otto Tibulsky viele Deutsche Mark in die Kasse.
Mit 65 Jahren ging „Ötte“ in den Ruhestand.

Hans „Cissy“ Cieslarczyk

Biografie
Geboren am 3.5.1937 in Herne
Gestorben am 10.6.2020 in Ortenau
Grabstätte: Offenburg
Stadtfriedhof Weingarten; Weingartenstraße 80
Stationen der Karriere als Spieler
Rasensport Holthausen (1947-1955)
SV Sodingen (1955-1958)
Borussia Dortmund (1958-1962)
Westfalia Herne (1962-1964)
Karlsruher SC (1964 -1968)
SV Morsbach/Sieg (1968-1970)
7 Länderspiele (1957-1058)
WM Teilnehmer 1958

Der SV Sodingen 1912, der Kumpelverein aus dem Herner Osten spielt zur Zeit in der der Westfalen-Liga 2, der 6. Klasse. Die Gegner sind nicht mehr Borussia Dortmund, Schalke 04 oder Rot-Weiß Essen, sondern SpVgg Erkenschwick, DSC Wanne-Eickel oder Lüner SV. Westfalia Herne spielt nur eine Klasse höher, in der Oberliga Westfalen. Tempi passati!
Hans Cieslarzcyk zog es nach seinem erfolgreichen Länderspiel-Jahr 1958 wie die meisten Herner und Sodinger dahin, wo es mehr Geld zu verdienen gab. Seine beste Zeit hatte er bei Borussia Dortmund von 1958 bis 1962. Nach Beendigung seiner Fußballer-Karriere tingelte er als Trainer durch die Niederungen der zweiten und dritten Liga. „Am Schluss hatte ich Magengeschwüre. Ich musste aufhören“. Er ließ sich zum Physiotherapeut ausbilden. Mit 68 Jahren ging der „Ruhrkumpel“ in den Ruhestand

Hans Cieslarczyks Länderspielkarriere währte nicht sehr lange, bescherte ihm aber zwei Länderspiele während der Fußball WM 1958 in Schweden, die es in sich hatten und noch lange Gesprächsstoff boten. Zum einen die „Schlacht von Göteborg“ am 24. Juni 1958 im Halbfinale gegen Schweden (1:3) mit unschönen Szenen auf beiden Seiten. Diese Niederlage löste in Deutschland einen „Schwedenhass“ aus wie seit dem „Dreißigjährigen Krieg“ nicht mehr. Zum anderen seine Nominierung als Linksaußen im „kleinen Finale“ um den dritten Platz vier Tage später, erneut in Göteborg. Er erzielte ein Tor, aber das ging im Sturmwirbel der französischen Mannschaft unter. Just Fontaine alleine zerlegte die deutsche Abwehr mit vier Toren, was ihn zum WM-Torschützenkönig mit 13 Treffern machte, eine Trefferquote, die bis heute unerreicht ist. Neben ihm ging der Stern von Raymond Kopa (siehe Porträt) auf, der zum Fußballer Europas 1958 gewählt wurde.
Die WM in Schweden hatte gezeigt, dass Deutschland nicht mehr die Qualität hatte, seinen Titel von 1954 zu verteidigen. Hätte man das Finale erreicht, was gegen Schweden noch möglich gewesen wäre ohne den Platzverweis von Juskowiak und die schwere Verletzung von Fritz Walter, spätestens dann wäre der deutschen Mannschaft von Brasilien aufgezeigt worden, wer jetzt und in den nächsten Jahren die Vorherrschaft im Weltfußball inne hatte. Die WM 1962 in Chile bestätigte das.

Grabstätte: Offenburg
Stadtfriedhof Weingarten Weingartenstrasse 80
Quelle Foto: Klaus Paap

Hans Cieslarczyk spielte zu dieser Zeit noch beim SV Sodingen in der Oberliga West. Sodingen ist ein Stadtteil von Herne. Diese vom Steinkohlebergbau geprägte Stadt mit ihren damaligen Zechen Constantin, Mont Cenis und Friedrich der Große steht für die Bedeutung des Ruhrgebiet-Fußballs für den deutschen Fußball im 20. Jahrhundert. Beide Vereine spielten in der höchsten deutschen Spielklasse, der Oberliga, und brachten in den 50er und 60er viele Nationalspieler heraus. Der SV Sodingen unter anderem Hans Cieslarzcyk, Gerd Harpers, Günter Sawitzki. Bei Westfalia Herne spielten Hans Tilkowski, Alfred Pyka und Helmut Benthaus. Die wirtschaftlichen Strukturveränderungen des Ruhrgebietes gingen aber an den vielen erstklassigen Vereinen dieser Region, wo man den Ball damals noch von einem Stadion in das andere schießen konnte, nicht vorbei. Heute wird der professionelle Ruhrgebietsfußball nur noch von den beiden großen Clubs Borussia Dortmund und Schalke 04 international repräsentiert.

Alfred „Fredy“ Kelbassa, „die drei Alfredos“

Quelle Foto: Borussia Dortmund
Geboren am 21.4.1925 in Gelsenkirchen
Gestorben am 12.8.1988 Dortmund
Grabstätte: Dortmund
Bauernfriedhof Renninghausen
Stockumer Strasse
Stationen der Karriere als Fußballer
Schwarz-Weiß Bülse (1933-1940)
SC Buer-Hassel (1940-1946)
STV Horst-Emscher (1946-1952)
Preußen Münster (1952-1953)
STV Horst Emscher (1953-1954)
Borussia Dortmund (1954-1963)
6 Länderspiele (1956-1958), 2 Tore
Deutscher Meister 1956 und 1957
Torschützenkönig Oberliga West 1957 und 1958
WM-Teilnehmer 1958

Würste sind ein fester Bestandteil der polnischen Küche. Dazu gehört auch die populäre Gattung der Kielbasa-Würste, allen voran die Krakowska, bei uns bekannt als „Krakauer“, die den Besuch eines Fußballspiels zusammen mit einem guten Bier abrundet. Es können auch schon mal mehrere Biere werden. Alfred Kelbassas Vorfahren trugen diesen Namen, vielleicht waren sie Metzger oder Schlachter, als sie noch im polnisch sprechenden Teil Schlesiens lebten. Im 19. Jahrhundert wanderten viele dieser Schlesier ins Ruhrgebiet aus, wollten aber wohl nicht so wie Conchita Wurst heißen und nahmen den mehr deutsch klingenden Nachnamen Kelbassa an.
Borussia Dortmund verfügte ab Mitte der 50er Jahre über die wohl beste deutsche Vereinsoffensive der damaligen Dekade, die „drei Alfredos“. Es stürmten Alfred (Fredy) Kelbassa, Alfred (Adi) Preissler und Alfred (Niepo) Niepieklo. Mit diesem Paradesturm gewann die Borussia die Deutsche Meisterschaft, sogar zweimal hintereinander, 1956 und 1957. Trainer war bei beiden Spielen Helmut Schneider.

Die drei Alfredos von link: Adi Preissler, Fredy Kelbassa und Alfred Niepieklo
Quelle Bild: Borussia Dortmund

Es war schon merkwürdig. Da wurde Dortmund zweimal hintereinander überzeugend Deutscher Meister. Aber Bundestrainer Sepp Herberger ignorierte die Qualität dieser Mannschaft, vor allem die des Sturms mit den „drei Alfredos“. Und um das Maß vollzumachen, verzichtete er gleich auch noch auf den genialen Lenker des Dortmunder Spiels, Max Michallek, von dem einst Franz Beckenbauer sagte, der sei sein Vorbild gewesen bei der Interpretation der Rolle des spielerischen Liberos, mit der er dann Bayern München und die Nationalmannschaft an die Spitze des Weltfußballs führte.

„Aki“ Schmidt

Am 23. Dezember 1956 gewann Deutschland ein Länderspiel gegen Belgien mit 4:1. Erstmals war kein Spieler der WM-Elf von 1954 im Aufgebot. Im Sturm spielten die Stuttgarter Erwin Waldner und Rolf Geiger, Willi Schröder von Werder Bremen und Heinz Vollmar vom 1. FC Saarbrücken. Lediglich ein Dortmunder durfte ran, „Fredy“ Kelbassa , aber ohne seine Strumpartner Niepieklo, Preissler und den „vierten“ Alfredo, Alfred „Aki“ Schmidt.


„Don Alfredo“ Preissler bestritt zwar nur zwei Länderspiele, fand aber trotzdem nationalen Eingang in die Trainersprache. Er drückte klar aus, um was es im Fußball geht: „Grau is‘ alle Theorie. Wichtich is‘ auf’m Platz“. Neben Bill Shanklys Klartext „First is first, second is nothing“ und Sepp Herbergers Behauptung „der Ball ist rund und das Spiel dauert 90 Minuten“ hat kein Statement eines Fußballers so klar ausgedrückt, um was es beim Spiel wirklich geht, ungeachtet aller Taktiken und spielerischen Qualitäten der Akteure. Einsteins Relativitätstheorie dürfte ähnliche Auswirkungen auf die moderne Physik gehabt haben.

Fredy Kelbassa beendete nach der Saison 1961/62 seine Karriere, kam aber in der nächsten Saison noch einmal zu vier Einsätzen in der Endrunde. Weil sich der Mittelstürmer Jürgen Schütz verletzt hatte sprang der 38jährige Kelbassa noch mal ein und machte vier Spiele bis zum Finale 1963 gegen den 1.FC Köln (3:1), in dem dann wieder Jürgen Schütz spielte. Nach seiner aktiven Zeit arbeitete Kelbassa als Angestellter im Sportamt der Stadt Dortmund.

Wer heute auf den Spuren der Kielbiesa-Familien aus dem alten Schlesien wandern und eine schöne „Krakauer Wurst“ genießen möchte könnte vielleicht bei Kelbaßa-Feinkost , Kirchhörderstrasse 49 in Dortmund fündig werden. Aber die Wochenkarte vom Juli 2020 offerierte „Gazpacho Andaluz“, eine kalte spanische Gemüsesuppe, und „Spaghetti Bolognese“. Ach Ruhrgebiet, wie hast du dich verändert.

Grabstätte Fredy Kelbassa: Dortmund
Bauernfriedhof Renninghausen, Stockumerstrasse, in Sichtweite des Westfalenstadions.
Grabstätte Adi Preissler: Duisburg Waldfriedhof
Düsseldorferstr. 601
Grabstätte Aki Schmidt: Dortmund
Grabeskirche Liebfrauen, Amalienstrasse21a
Grabstätte Max Michallek: Dortmund
Martener Friedhof, Martener Hellweg 68
Grabstätte Alfred Niepiklo: Castrop-Rauxel
Friedhof Frohlinde, Kuopiostrasse

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Biografie Fritz Szepan
(siehe Porträt)
Geboren am: 16.10.1905 in Gelsenkirchen
Gestorben am: 14.12.1974 in Gelsenkirchen
Grabstätte: Gelsenkirchen
Am Rosenhügel
Haupteingang geradeaus
Erster Weg links hinter dem Glockenturm
Grab links
Stationen der Karriere als Fußballer
Position: Halbstürmer
Verein: Schalke 04 (1916-1950)
34 Länderspiele (1929-1939); 8 Tore
WM-Teilnehmer 1934, 1938
Mitglied der „Breslau-Elf“
Deutscher Meister 1934, 1935, 1937, 1939,
1940, 1942
Stationen der Karriere als Trainer
Vereine: SSV Wuppertal (1947-1949)
Schalke 04 (1949-1954)
Rot-Weiß Essen (1954-1956)
TSV Marl Hüls (1956-1959)
Deutscher Meister 1955
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Biografie Ernst Kuzorra (siehe Porträt)
Geboren am: 2.9.1907 in Gelsenkirchen
Gestorben am: 1.1.1990 in Gelsenkirchen
Grabstätte: Gelsenkirchen
Am Rosenhügel
Haupteingang geradeaus
Rechts vor dem Glockenturm
Stationen der Karriere als Fußballer
Position: Stürmer
Verein: Schalke 04 (1915-1950)
12 Länderspiele (1927-1938); 7 Tore
Deutscher Meister 1934, 1935, 1937, 1939,
1940, 1942
Stationen der Karriere als Trainer
Vereine: Borussia Dortmund (1935-1936)
SpVgg Erkenschwick (1942-1945)
SpVgg Erkenschwick (1948-1949)
Borussia Hückelhoven (1949-1951)
SpVgg Erkenschwick (1951-1952)
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Biografie Erich Juskowiak (siehe Porträt)
Geboren am: 7.9.1926 in Oberhausen
Gestorben am: 1.7.1983 in Ratingen
Grabstätte: Ratingen-Lintorf
Waldfriedhof
Krummenwegerstraße 119
Feld 22 a; Nr. 72/73
Stationen der Karriere als Fußballer
Position: rechter Verteidiger
Vereine: Concordia Lierich (1935 -1943)
FC 08 Oberhausen (1943 -1946)
Rot-Weiß Oberhausen
( 1946 -1950)
Wuppertaler SV (1950-1951)
Rot-Weiß Oberhausen (1951 -1953)
Fortuna Düsseldorf (1953-1961)
31 Länderspiele (1951-1959); 4 Tore
WM-Teilnehmer 1958
Biografie Reinhard „Stan“ Libuda (siehe Porträt)
Geboren am: 10.10.1943 in Gelsenkirchen
Gestorben am: 25.8.1996 in Gelsenkirchen
Grabstätte: Gelsenkirchen
Ostfriedhof
Erdbrüggenstraße 113
Feld 37a; 7. Reihe; 7. Stelle
Hauptweg zur Friedhofshalle geradeaus
bis zur Verjüngung, dann 200 m nach links
Stationen der Karriere als Fußballer
Position: Rechtsaußen
Vereine: Schalke 04 (1952-1965)
Borussia Dortmund (1965-1968)
Schalke 04 (1968-1972)
Racing Club Strasbourg (1972-1973)
Schalke 04 (1973-1974)
26 Länderspiele (1963-1971); 3 Tore
WM-Teilnehmer 1970
264 Bundesligaspiele
(28 Tore)
Europapokal der Pokalsieger 1966
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