Josef „Jupp“ Posipal

Der zwölfte Ungar

Biografie
Geboren am: 20.6.1927 in Lugosch (Rumänien)
Gestorben am: 21.2.1997 in Hamburg
Grabstätte: Hamburg-Niendorf
Alter Friedhof
Eingang Niendorfer Markt
Abt. 6; Reihe 3; Grab 77-80
Ca. 200 m links an der Kirche vorbei
Stationen der Karriere als Fußballer
Position: Mittelläufer, Verteidiger
Vereine: Linden 07 (1946-1947)
Arminia Hannover (1947-1949)
Hamburger SV (1949-1958)
32 Länderspiele (1951-1956); 1 Tor
Weltmeister 1954

Josef „Jupp“ Posipal wurde im heute rumänischen Lugoj (deutsch: Lugosch) als Sohn eines Donau-Schwaben und einer Ungarin geboren. Die Kleinstadt gehörte in seiner Kindheit zum ungarischen Teil des Banat, in dem seit dem 18. Jahrhundert auch die sogenannten Donau-Schwaben siedelten. Außer Deutsch konnte Posipal deshalb Ungarisch, was ihm und seinen Mitspielern im WM-Finale 1954 zugute kam: Er war in der Lage, die Zurufe der aufgrund des Spielverlaufs immer unruhiger werdenden Ungarn zu verstehen und seine Mannschafts-Kollegen zu informieren. Seine ungarischen Sprachkenntnisse könnten auch eine Rolle gespielt haben, dass Puskas beim 3:8 in der Vorrunde eine schwere Verletzung erlitt und in der 65. Minute den Platz verlassen mußte. Er spielte erst wieder im Endspiel und war eindeutig gehandicapt. Das hat sicherlich auch dazu beigetragen, daß Deutschland das Endspiel gewann. Wie kam es wohl zu dieser Verletzung? Liebrich hatte die Aufgabe beim Vorrundenspiel Puskas zu decken, was er auf seine harte Art auch Tat. Auf dem Weg in die Halbzeitpause sagte Puskas zu Posipal: „Sag dem Roten, wenn er so weiter spielt werde ich ihm den Ball öfters durch die Beine spielen“. Posipal hat es Liebrich wohl gesagt.

Mit dem Fußball begann Posipal bereits in Lugosch, wo er das deutsche Gymnasium besuchte. 1943 jedoch, er war gerade 16 Jahre alt, deutete sich Unheil an. Seit der Niederlage von Stalingrad rückte die Ostfront immer näher. Im Rahmen der NS-Aktion „Heim ins Reich“ und auf Drängen seiner Mutter – die selber dableibt, der Vater war bereits verstorben – verschlägt es den jungen Posipal nach Wülfel in die Nähe von Hannover. Dort wohnt er zunächst in der Jugendherberge und erlernt im örtlichen Eisenwerk den Beruf des Maschinenschlossers. Er kommt am Wehrdienst vorbei und findet eine Anstellung in den MNH-Werken in Hannover, einer Panzerfabrik. Nach dem Krieg hält er sich wie viele andere mit Schwarzmarkt-Geschäften über Wasser, zugleich nimmt er seine Fußballkarriere in Angriff, die ihn über die Stationen Linden 07 und Arminia Hannover im Jahr 1949 zum Hamburger SV führt. Er wird zum dominierenden Spieler des Clubs und führt ihn achtmal zur Meisterschaft der Oberliga Nord. Als ebenso wichtig erweist sich für den Verein seine Fähigkeit, junge Spieler wie Uwe Seeler und Klaus Stürmer in die Mannschaft zu integrieren und in die nationale Spitze zu führen.

1951 bestritt Posipal sein erstes Länderspiel und wurde aufgrund seiner Vielseitigkeit sowohl im Defensiv- als auch Offensivbereich zum Stammspieler in der Nationalmannschaft. Sepp Herberger mochte ihn, und wenn es noch eines Vertrauensbeweises bedurft hätte, dann lieferte ihn „der Chef “ dadurch, dass er Posipal im November 1953 nach London mitnahm, um mit ihm das Spiel England-Ungarn (3:6) zu beobachten. Wie Posipal später erzählte, sagte ihm Herberger auf der Rückfahrt, als sie über das „Jahrhundertspiel“ sprachen, plötzlich: „Ich weiß, wie es geht!“ Damit meinte er sein taktisches Konzept gegen das ungarische System, die Stürmer permanent rochieren zu lassen und mit hängendem Mittelstürmer zu spielen. Herberger konnte nicht ahnen, wann die Ungarn bei der ein halbes Jahr später stattfindenden WM in der Schweiz den Weg seiner Mannschaft kreuzen würden; die Qualifikation zur WM war noch nicht beendet, und folglich hatte es noch keine Auslosung zur Gruppeneinteilung gegeben. Was er aber wusste, war, dass der Titelgewinn nur über diese spektakulär spielende ungarische Mannschaft führen würde. Posipal blieb für ihn ein wichtiger Ratgeber, weil er die Mentalität (Ungarns Superstars Puskás, Kocsis, Hidegkuti hatten sogar, wie Posipal, donauschwäbische Wurzeln) und die Sprache der Ungarn kannte. Posipal war vom Emigranten mit dem Pappkarton zum Vertrauten des großen Trainers aufgestiegen.

„Ich weiß, wie es geht!“

Persönliche Nähe hinderte Herberger aber nicht daran, um des Erfolges willen auch ihm sehr nahestehende Spieler im Falle von taktischen Zwängen oder bei Formschwäche zurückzusetzen. Das wäre auch Posipal fast passiert. Sein Einstieg in die WM war recht schwach. Zunächst machte ihm der großartig aufspielende und sich im Kaiserslauterer Block sehr heimisch fühlende Werner Liebrich die Position des Mittelläufers streitig, dann hatte Fritz Laband, sein Teamkollege vom HSV, vor allem im schweren Viertelfinalspiel gegen Jugoslawien (2:0) auf der Position des rechten Verteidigers eine starke Partie geliefert. Kohlmeyer war sowieso gesetzt.

Jupp Posipal (rechts) in einer Spielszene des Endspiels um den DFB-Pokal am 5. August 1956 im Karlsruher Wildparkstadion (Karlsruher SC – Hamburger SV 3:1).

Fritz Walter schildert in seinem Buch „3:2“ Sepp Herbergers Überlegungen vor dem Halbfinalspiel gegen Österreich: „Soll Herberger Posipal wieder als Mittelläufer aufstellen und Werner Liebrich nach seiner überragenden Leistung im Jugoslawien-Spiel herausnehmen? Soll er Laband, der sich ebenfalls hervorragend bewährt hat, stehen lassen? Pausenlos schlägt sich der Chef mit diesen Überlegungen herum. Schließlich ringt er sich dazu durch, an Liebrich als Mittelläufer festzuhalten und Posipal an Labands Stelle als rechten Verteidiger aufzustellen. Liebrich als Verteidiger zu nehmen, riskiert er vorsichtshalber nicht, denn immer, wenn der Chef das in einem Spiel versucht hat, klappte es nicht so recht. „Fragt sich nur, ob Jupp Posipal ein so glänzender Verteidiger sein wird, wie er ein erstklassiger Mittelläufer ist.“ In langen Gesprächen vermittelte Herberger dem manchmal von Selbstzweifeln befallenen Hamburger seine große Bedeutung für die Mannschaft, auch auf der für ihn ungewohnten Verteidigerposition.

Grabstätte von Josef „Jupp“ Posipal:
Hamburg-Niendorf, Alter Friedhof
Eingang Niendorfer Markt,
Abt. 6; Reihe 3; Grab 77-80,
ca. 200 m links an der Kirche vorbei.

Die Geschichte der WM 1954 ist bekannt. Herberger hatte alles richtig gemacht, obwohl er sich zwei Wochen zuvor nach dem desaströsen Vorrundenspiel gegen Ungarn (3:8) noch mit Forderungen nach seinem sofortigen Rücktritt konfrontiert sah. Posipal rechtfertigte Herbergers Vertrauen im Halbfinale und spielte stark auf der ungewohnten Position als rechter Verteidiger, die er auch im Endspiel gegen den voraussichtlichen Linksaußen Czibor einnehmen sollte. Aber der ungarische Trainer überraschte Herberger und Fritz Walter, indem er den schnellen Czibor als Rechtsaußen brachte und Toth, mit gerade fünf Länderspielen die unbekannte Größe in Ungarns „Goldener Mannschaft“, auf links gegen Posipal auflaufen ließ. Diese Taktik ging zunächst auf, Kohlmeyer bekam Czibor nicht richtig in den Griff, und der erzielte auch das Tor zum 2:0 für Ungarn. Das änderte sich erst, als der ungarische Trainer Sebes in der Halbzeit reagierte und Czibor auf seine angestammte Position als Linksaußen beorderte. In Zimmermanns Reportage fehlt dieser Hinweis, vielleicht hatte er es gar nicht bemerkt. Welch verrückte Konstellation. Der Banat-Deutsche Posipal spielt gegen den Banat-Ungarn Czibor, mit dem er einst die Schulbank gedrückt hatte. Der Neu-Hamburger löste seine Aufgabe gegen den Neu- Budapester Weltklassestürmer so erfolgreich, daß die Abwehr nunmehr wesentlich stabiler stand als in der ersten Halbzeit.

Es ist zu  vermuten, dass Jupp Posipal bei der Frage, welche Spiele für ihn die Höhepunkte seiner Karriere waren, zwei Begegnungen nennt. Das „Wunder von Bern“ und das „Spiel des Jahres“ 1955 in Moskau, als die Sowjet-Union den Weltmeister von 1954 mit 3:2 besiegte. In brütender Hitze war die deutsche Nationalmannschaft mit noch vielen „Weltmeistern“ des Vorjahrs ein Vorbote der Entspannungspolitik zwischen den beiden Nationen, die rund 30 Millionen Tote in dem mörderischen Krieg zwischen 1941 und 1945 zu beklagen hatten. Rund drei Wochen später traf Konrad Adenauer in Moskau ein und erreichte durch die Aufnahme diplomatischer Beziehen mit der UDSSR die Freilassung der letzten 10.000 deutschen Kriegsgefangenen.

Posipal wurde als Weltmeister populär, aber nicht reich. Als Vertragsspieler verdiente er beim HSV bis 1958 rund 320 Mark im Monat. Seinen soliden Wohlstand erarbeitete er sich bis 1993 als regionaler Repräsentant für den Polstermöbelhersteller Wagner aus Coburg. 1997 starb er während einer Routineuntersuchung im Uni-Krankenhaus Eppendorf an plötzlichem Herzversagen.

We are using cookies to give you the best experience. You can find out more about which cookies we are using or switch them off in privacy settings.

GDPR