Bayern München

„Der immerwährende Deutsche Meister“

Die Mannschaft des FC Bayern München, die 1932 erstmals Deutscher Meister wurde, ist ein Kaleidoskop von Spielern und persönlichen Schicksalen, die einem ans Herz gehen. Vielleicht hat die Siegermentalität, die diesen Club seit mehr als 50 Jahren prägt, mit dieser Meisterschaft ihr Fundament erhalten.

Bayern München – Deutscher Meister 1931-32
Sigi Haringer, Josef Bergmaier, Johann Welker, Conny Heidkamp, Josef Lechler, Ernst Nagelschmitz, Robert Breindl, Franz Krumm, Hans Schmid, Ludwig Goldbrunner, Oskar Rohr
Quelle Foto: FC Bayern Museum

Das kolorierte Bild der damaligen Meistermannschaft ist ein Monument von Spielern, die nicht alle aus Bayern stammten, zumindest nicht aus Oberbayern. Aus Budapest, Mannheim, Düsseldorf oder dem niederbayrischen Aldersbach. Das hat sich verändert. Die heutigen Geburtsorte der Spieler des FC Bayern München lassen sich nur noch über Google Earth ermitteln.

Die Spieler Josef Bergmaier, Franz „Fasa“ Krumm, Oskar „Ossi“ Rohr, Conny Heidkamp und ihr Trainer Richard „Little“ Dombi stehen in diesem Porträt stellvertretend für diese große Mannschaft, die nach dem Triumph am 12. Juni 1932 im Städtischen Stadion in Nürnberg gegen Eintracht Frankfurt (2:0) erstmals die damalige Siegestrophäe, die Victoria, nach München mitnahm und dieses Monstrum (24,6 Kilo schwer und 1,02 Meter hoch) in einem großen Wagen-Corso mit Landauer-Kutschen (das hatte nichts mit dem Präsidenten Kurt Landauer zu tun), gezogen von Brauereigäulen, am nächsten Tag den enthusiastischen Münchnern rund um dem Marienplatz präsentierte.

Meisterschaftskorso anno 1932
Quelle Foto: FC Bayern Museum, Nachlass Conny Heidcamp
Grabstätte Kurt Landauer: Israelitischer Friedhof München, Garchinger Strasse 37

Aber am Horizont zogen schon dunkle Wolken auf. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 endete der Siegestaumel jäh. Der charismatische jüdische Präsident Kurt Landauer und sein erfolgreicher Trainer Richard „Little“ Dombi mussten sofort ihre Ämter aufgeben. Und viele Spieler gerieten in die Mühlen des neuen politischen Systems. Zwei mussten mit dem Leben bezahlen. Andere wurden verfolgt und bedroht. Das war das Ende dieses FC Bayern. Es dauerte lange, bis der Club wieder in die Spitzengruppe der Oberliga Süd zurückkehrte. Es war einmal mehr der Verdienst von Kurt Landauer, der nach seiner Rückkehr 1947 aus dem Exil in der Schweiz den FC Bayern auf den moralischen und bombengeprägten Trümmern der schwer zerstörten Stadt wieder aufbaute.

Richard „Little“ Dombi

„Die kleine Eminenz“

Richard „Little“ Dombi machte zwischen 1908 und 1912 sechs Länderspiele für Österreich, aber unter dem Namen Richard Kohn. Zu seinem Alias kam er in Ungarn als Spieler des MTK Budapest (1914-1917). Aus dem ungarischen Wort „Domb“ für Begriffe wie „Hoheit“ oder „Eminenz“ wurde ein „Dombi“, da er nicht der Größte war, aber hoheitlichen Fußball zelebrierte.

Geboren am 27.2.1888 in Wien
Gestorben am 16.Juni 1963 in Rotterdam;
Grabstätte : Einäscherung am 19. Juni 1963 im Krematorium von Dieren, Niederlande. Die Asche wurde am 27. Juni 1963 im „Garden of Remenbrance“ Streufeld Box E des Krematoriums von Dieren verstreut.
Stationen der Karriere als Trainer
Hertha BSC Berlin (1923-1924)
HSK Gradanski Zagreb (1925)
First Vienna FC Wien (1925-2/1926)
FC Barcelona (2/1926).12/1926
KS Warszawianka Warschau (1927)
Sportfreunde Stuttgart (1927-1928)
TSV 1860 München (1928-11/1929)
VfR Mannheim (12/1929-1930)
FC Bayern München (1930-1933)
FC Barcelona (1933-1934)
FC Basel (1934-1935)
SC Feyenoord Rotterdam (1935-1939)
SC Feyenoord Rotterdam (1951-1952)
SC Emma Dordrecht (1952-1953)
EBOH Dordrecht (1954-1955)
SC Feyenoord Rotterdam (1955-1956)
Spanischer Pokalsieger 1926
Deutscher Meister 1932
Holländischer Meister 1938 und 1938

Während seiner Trainerkarriere nach dem 1. Weltkrieg stand er in der Gesellschaft von Trainern wie Hugo Meisl oder später Bela Guttmann, die auch nach dem Zerfall der Habsburger Donaumonarchie 1918 weiter den „Donaufußball“ der Prager, Wiener und Budapester Schule spielen ließen. Das trilaterale Kulturkarussell vereinte das direkte Kurzpass-Spiel der Tschechen mit dem rasanten Flügelspiel der Ungarn und dem betont flachen Zuspiel der sogenannten Wiener Schule. Die Trainer ließen „scheiberln“ im schönen sprachlichen wienerischen Duktus. Dombi erklärte. „Vor allem kommt es darauf an, das Training mit dem Ball dem Spiel anzupassen. Ich lasse nur in Bedrängnis stoppen oder köpfen, wie es eben während eines ernsten Spiels der Fall sein kann“.

Der jüdische Präsident des FC Bayern München, Kurt Landauer, verpflichtete seinen Glaubensgenossen (vorher Trainer des FC Barcelona 1926/27, des TSV 1860 München 1928/29 und für kurze Zeit des VfR Mannheim in der Saison 1929/30) für die Spielzeit 1930/31. Mit Dombi führte Landauer professionelle Strukturen im Verein ein. „Der Wiener war Trainer, Masseur, Geschäftsführer und Organisator“, heißt es in der Chronik „50 Jahre FC Bayern“.  Dieses professionelle Management brachte dem FC Bayern schon in der Saison 1931/32 die erste Deutsche Meisterschaft. In dieser personellen Konstellation und mit dem hervorragenden Spielerpotential hätte es eine längerfristige Dominanz der Bayern im deutschen Fußball geben können. Aber mit der Machtergreifung der Nazis am 30. Januar 1933 und der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler durch Reichspräsident Paul von Hindenburg kam es zu einer Vollbremsung. Innerhalb von ein paar Monaten änderten sich die Perspektiven des Clubs radikal. Präsident Landauer und Trainer Dombi wurden sofort als Juden schwer angefeindet. Es herrschte Pogromstimmung in Deutschland. Kurt Landauer emigrierte sehr spät, aber noch rechtzeitig am 17.Mai 1939 in die Schweiz.  Dombi hingegen verließ München sofort im Sommer 1933 und wurde Trainer des FC Barcelona, dann des FC Basel. Von der Schweiz wechselte er 1935 zu Feyenoord Rotterdam und wurde 1936 und 1938 holländischer Meister. 1940 besetzte Deutschland die Niederlande. Er überlebte die Naziherrschaft, in der drei Viertel der niederländischen jüdischen Bevölkerung (über 100.000 Menschen) in die Vernichtungslager deportiert wurden. Einige konnten sich verstecken. Das „Tagebuch der Anne Frank“ beschreibt die Ängste dieser Versteckten aus der Sicht eines 14 jährigen Mädchens. Ein Mann namens Koch, Mitglied der Rugby-Abteilung des FC Bayern und zeitweise Vorstand, sagte am 12. Mai 1947 vor einer Spruchkammer wohl im Rahmen eines Entnazifizierungsverfahrens aus. „Unter anderem übergab ich ihm (Dombi A.d.V.),) auf seinen Wunsch hin und zu seiner Sicherheit im Jahre 1941 anlässlich eines Besuches bei ihm eine Pistole und Munition“. Der Münchner Historiker Gregor Hofmann schreibt in seiner Dissertation „Der FC Bayern und der Nationalsozialismus“: „Bemerkenswert ist, dass Dombi diese Geschichte nur zehn Tage später vor einem Rotterdamer Notar bestätigte. Er kenne Koch seit 1930, lebe seit 1935 in den Niederlanden. Koch habe ihn 1940 besucht. Er selbst habe sich dem holländischen Widerstand angeschlossen und könne dies auch nachweisen. Koch habe ihm im Oktober 1941 seine Dienstpistole und Munition übergeben. Drei weitere Zeugen bestätigten Dombis Aussagen.“ Naheliegend ist die These, dass Dombi die Möglichkeit zum Suizid gegeben wurde, wenn die Schergen an die Tür geklopft hätten, um ihn abzuholen. Julian Barnes beschreibt in seinem Roman „Der Lärm der Zeit“ die Ängste des großen Komponisten Dimitri Schostakowitsch, dem Stalin seine Gunst entzogen hatte. Ab Mai 1937 wartete er jede Nacht neben dem Fahrstuhl seiner Leningrader Wohnung darauf, dass Stalins Häscher kommen und ihn abholen. Er wartete am Lift, um seiner Familie den Anblick seiner möglichen Verhaftung zu ersparen. Schostakowitsch entging der Säuberung. Auch Richard Dombi überlebte diese schlimme Zeit des möglichen Verrates und der organisierten Durchsuchungen. Anne Frank nicht. Dombis Jahre des Überlebens in diesem gewaltgeprägten Umfeld sind nicht bekannt. 1951 kehrte er auf die Trainerbank von Feyenoord Rotterdam zurück und betrieb zusätzlich eine Massagepraxis, die ihm auch noch einen Dr.hc. einbrachte. Dr. Richard „Little“ Dombi, der „Wunderdoktor“. Im Sommer 1956 beendete er seine Karriere im damaligen internationalen Fußball. Feyenoord Rotterdam gewährte dem schwarzhaarigen, glutäugigen kleinen Mann eine Pension auf Lebenszeit. Mit Ernst Happel prägte dreizehn Jahre später erneut ein Wiener die Geschicke dieses Vereins, der neben Ajax Amsterdam und dem PSV Eindhoven das Triumvirat des niederländischen Vereinsfußballs bildet. Ernst Happel trainierte Feyenoord von 1969-1973 und führte den Verein zum größten Titel der Vereinsgeschichte, dem Gewinn des Europapokals der Landesmeister am 6. Mai 1970 im Mailänder San-Siro-Stadion gegen Celtic Glasgow (2:1 n.V.). Richard „Little“ Dombi hätte seine Freude daran gehabt.

Krematorium Dieren, Niederlande

Der berühmte österreichische Kabarettist Helmut Qualtinger sagte einst:: “In Wien musst erst sterben, bevor`s di hochleben lassen. Aber dann lebst ‘lang! „In Rotterdam gibt es seit 1997 eine „Richard Dombistraat“. Auch Landauer wurde mit einem „Kurt Landauer Weg“ geehrt, der vor der Allianz-Arena des FC Bayern München in die Esplanade mündet, über die jährlich mindestens eine Million Fans von der U-Bahn kommend in Siegeszuversicht zum Stadion gehen und den seit 2015 vor dem Stadion befindlichen Kurt Landauer Platz betreten, bevor sie eine Leibesvisitation über sich ergehen lassen und dann das Ticket, mittlerweile elektronisch, an der Eingangssperre zum Eintritt präsentieren. In der Arena inszenieren die Fans in der Südkurve gelegentlich eine Kurt Landauer Choreografie oder sogar eine mit Richard „Little“ Dombi, zum Beispiel am 27. Januar 2013 beim Auswärtsspiel gegen den VfB Stuttgart. Landauer und Dombi sind nicht vergessen und ein wichtiger Bestandteil der Historie des FC Bayern München, dem „immerwährenden Deutschen Meister“.

Choreo Schickeria Fanclub FC Bayern München: Kurt Landauer
Choreo Schickeria Fanclub FC Bayern München: Richard „Little“ Dombi

Josef Bergmaier und Franz „Fasa „Krumm
„Wem die Stunde schlägt“

Josef Bergmaier und Franz Krumm

Josef Bergmaier
Geboren am 5.3.1909 in München-Pasing
Gestorben am 5.3.1943 in Ljada nahe Loknya/Russland
Grabstätte: Loknya, st. Urizkojo 37 an der “Kirche der Verklärung des Herrn “
Stationen der Karriere als Fußballer:
Position: Halbstürmer rechts
Vereine: TV 1888 München (1917-1923)
SV Pasing (1923-1925)
FC Wacker München (1925-1928)
FC Bayern München (1928-1938)
TSV 1860 München (1938-1941)
8 Länderspiele (1930-1933),
1 Tor

Franz „Fasa“ Krumm
Geboren am 16.10.1909 in München
Gestorben am 9.3.1943 nahe Komaritschi/Russland
Grabstätte: Komaritschi, Russland
Stationen der Karriere als Fußballer:
Position: Stürmer
Vereine: Vorwärts München (1918-1930)
FC Bayern München (1930-1938)
TSV 1860 München (1938-1943)
2 Länderspiele (1932-1933);
1 Tor

Am Morgen des 5.März 1943 schaute Josef Bergmaier, deutscher Fußball-Nationalspieler vom FC Bayern München, jetzt Gefreiter der 3. Kompanie des Sicherungsbataillons 865, aus seinem Gefechtsstand nahe dem kleinen Ort Ljada im Dreiländereck Russland, Weißrussland und Lettland. Es herrschte schlechtes Wetter (Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht vom 5.3.1943). Er freute sich auf den Tag. Heute würde er am Abend mit einigen Kameraden seinen 38. Geburtstag feiern. Die Feldküche funktionierte noch. Alkohol würde es auch geben nebst manch guter Zigarette. An der Front brauchten die Soldaten diese weichen Drogen. Vielleicht auch Pervitin, um alles auszuhalten. Den Dreck, die Läuse, den Hunger, die Angst, die Kälte und den permanenten Schlafentzug. Josef Bergmaier erlebte die geplante Feier nicht mehr. Er verstarb an seinem Geburtstag bei Kämpfen nahe seinem Gefechtsstand und wurde einige Tage später auf einem Soldatenfriedhof an der Kirche „Der Verklärung des Herrn“ in der kleinen Ortschaft Loknya bestattet

96 Stunden später verlor sein Mannschaftskamerad und Sturmpartner Franz Krumm, Torschütze zum 2:0 im Finale um die Deutsche Meisterschaft 1932 und ebenfalls Nationalspieler, rund 750 Km entfernt auch sein Leben.

Diese beiden Schicksale stehen beispielhaft für all die der jungen Menschen der 20er und 30er Jahre, die dank der „Gnade der späten Geburt“ den Ersten Weltkrieg nicht mehr mitmachen mussten, aber dann in der Zeit der Turbulenzen der Weimarer Republik erwachsen wurden. Inflation, Arbeitslosigkeit und politisch motivierte Aggression auf den Straßen der Großstädte prägten ihre Jugend. Und dennoch konnten diese recht knorrigen Typen (siehe Mannschaftsfoto der Meistermannschaft von 1932) abseits der gesellschaftlichen Verwerfungen ihren geliebten Fußball spielen und auch als Nationalspieler für Deutschland auflaufen. Aber dann kam der schreckliche Zweite Weltkrieg. Viele Spieler wurden während und nach dem Ende ihrer Karriere zur Wehrmacht eingezogen. Und dann ging es an die Front. Jetzt kämpften sie um ihr Leben, nicht um den Ball, mögliche Meistertitel oder Pokalsiege. Und manche verloren den Kampf. Und ihr Leben.

Ab 1942 hielt Gevatter Tod, der Sensenmann, reiche Ernte auf den Schlachtfeldern Europas, vor allem auf denen Russlands und der Ukraine. Am 31. Januar 1943 endete die Schlacht von Stalingrad mit der Kapitulation der 6. Deutschen Armee unter dem Oberbefehl von Generalfeldmarschall Friedrich Paulus. Zwischen Oktober 1942 und Januar 1943 starben bei dieser Schlacht an der Wolga,-3.000 Km von München entfernt-ungefähr 250.000 deutsche und über 500.000 russische Soldaten. Die Überlebenden, man schätzt rund 70 .000 deutsche Wehrmachtsangehörige-gingen nach der Kapitulation halbverhungert, zerlumpt und völlig zermürbt bei eisigen Temperaturen in die Gefangenschaft nach Sibirien. Nur wenige kehrten zurück. (siehe Porträt Igor Netto: Moskau 1955)

Nach Stalingrad kam es zu einem schnellen Rückzug der deutschen Heeresgruppen in Richtung ukrainische und weißrussische Grenze. Aber Anfang März 1943 begannen zwei gewaltige Gegenoffensiven der deutschen Wehrmacht.

Am 1. März 1943 erließ das Oberkommando des Heeres (OKW) die Anweisung, einen Frontbogen im heutigen Dreiländereck Russland, Lettland und Weißrussland zu räumen und die dort eingesetzten Verbände der 4. und 9. Armee bis auf die sogenannte „Büffelstellung“ nahe Smolensk zurückzunehmen. Diese Begradigung dauerte bis zum 16. März 1943 und verkürzte die Frontlinie der Heeresgruppe Mitte unter Generalfeldmarschall von Kluge um etwa 230 Kilometer. Dadurch wurden 20 bis 22 Divisionen (damals rund 150.000 Soldaten) frei und in andere Einsatzgebiete an der Ostfront verlegt. In diesem Frontbereich war Josef Bergmaier stationiert.

Einen Tag später, am 2. März 1943, begann rund 750 Km südlich an der Grenze Russlands zur Ukraine eine Offensive der Heeresgruppe Süd im Raum Charkow und Kursk unter Oberbefehlshaber Generalfeldmarschall Erich von Manstein. Diese Heeresgruppe trug bis zum Frühjahr 1944 die Hauptlast der Kämpfe an der Ostfront. In diesem Inferno musste der Gefreite Franz Krumm kämpfen. Am 9. März 1943 vermeldete das Oberkommando der Wehrmacht in seinem Kriegstagebuch: „Bei der 17. Armee nur örtliche Kampfhandlungen“. An diesem Tag erlag Franz Krumm, 96 Stunden nach dem Tod seines Mannschaftskameraden Josef Bergmaier seinen tödlichen Verletzungen während dieser Kampfhandlungen. Er wurde auf einem bereits 1941 beim Vormarsch (Unternehmen Barbarossa) angelegten Soldatenfriedhof in Komaritschi bestattet. Der Friedhof existiert heute nicht mehr, weil er nach dem Krieg überbaut wurde. Aber Franz Krumm ruht dort noch. Das kann für die Angehörigen vielleicht mehr bedeuten als die schreckliche Nachricht: Ihr Mann, Sohn, Bruder oder Vater sind vermisst. Verschollen in der endlosen Weite Russlands.

Beim Rückzug aus der Sowjetunion praktizierten die Wehrmachtseinheiten eine menschenverachtende Vorgehensweise. Die Soldatenfriedhöfe wurden eingeebnet, um den nachrückenden russischen Truppen Grabschändungen zu erschweren. So wurde auch der Friedhof von Loknya mit dem Grab 717 von Josef Bergmaier dem Erdboden gleich gemacht.

Soldatenfriedhof Komaritschi (Krumm)
Grabstätte Josef Bergmaier
Oblast Pskow, Siedlung Loknya, st. Urizkogo 37

Soldatenfriedhof Loknya (Bergmaier)

Aber nach dem Krieg wurde der Friedhof nicht wie der in Komaritschi überbaut, sondern für verstorbene russische Staatsangehörige genutzt. Bergmaier‘s Grab wurde „überbettet“, wie man eine spätere zusätzliche Grabnutzung für einen anderen Verstorbenen bezeichnete. Und der Münchner aus Pasing ruht noch da. 900 sterbliche Überreste deutscher Soldaten dieses Friedhofs konnte der VdK (Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge) in den letzten 30 Jahren auf Sammelfriedhöfe überführen. Ein bewundernswertes Engagement.

Insgesamt starben mehr als 40 Nationalspieler im Verlauf und in der Folge des Zweiten Weltkriegs, sei es bei Kampfhandlungen, im Lazarett durch Infektionen, in der russischen Gefangenschaft oder bei einem Bombenangriff auf Hamburg 1944 (Adolf Jäger). Und viele Nationalspieler kamen mit Verwundungen zurück wie Ottmar Walter, Toni Turek, Werner Kohlmeyer, alle Weltmeister von 1954. Und der Kapitän Fritz Walter hatte sich die Malaria in Italien eingefangen und wurde sie zeitlebens nicht mehr los. Einer wurde vergast, in Auschwitz: Julius Hirsch. Am 8. Mai 1945 wurde er für tot erklärt.

Rohr, Oskar „Ossi“  
„Zwischen allen Stühlen      

Geboren am: 24.4.1912 in Mannheim
Gestorben am: 8.11.1988 in Mannheim
Grabstätte: Mannheim: Hauptfriedhof Eingang Cheliusstrasse
Urnenhalle 3 im alten Krematorium
Urnengrab rechts oben unter der Kuppel
Nr. 06, Band 8, Nr.32
Stationen der Karriere als Fußballer
Position: Mittelstürmer
Vereine: Phönix Mannheim (1920-1928)
VfR Mannheim (1928-1931)
FC Bayern München (1931-1933)
Grashoppers Zürich (1933-1934)
Racing Strassbourg (1934-1939)
FC Sete (1939-1941)
VfR Mannheim (1945)
Schwaben Augsburg (1945-1946)
FK Pirmasens ((1946-1948)
SV Waldhof Mannheim (1948-1949)
4 Länderspiele (1932 -1933); 4 Tore
Deutscher Meister 1932 mit dem FC Bayern München
Schweizer Pokalsieger 1934 mit Grashoppers Zürich

Oskar Rohr ist die Inkarnation eines großartigen Fußballers der 30er und 40er Jahre in Deutschland, der zwischen alle Stühle geriet. Politisch bedingt.

Sein „staubiger Elfmeter“ in der 36. Minute des Endspiels am 12. Juni 1932 um die Deutsche Fußball-Meisterschaft im Städtischen Stadion von Nürnberg zwischen dem FC Bayern München und Eintracht Frankfurt führte den FC Bayern zur ersten Deutschen Meisterschaft. Sein Mitspieler Sigmund Haringer schilderte als Beobachter den Elfer. „Durch den Stoß in die Erde bekam sein Fuß eine andere Richtung. Hätte „Ossi“ den Ball direkt getroffen, wäre der gute und aufmerksame Schmitt (Torhüter von Eintracht Frankfurt) angeschossen worden“. Angesichts der Wucht des Schusses hätte jeder Staatsanwalt in Deutschland auf eine Anklage wegen „Körperverletzung mit Todesfolge“ plädieren müssen. Es kam dank des leichten Fehltritts Gottseidank nicht dazu. Bayern wurde erstmals Deutscher Meister. Keiner hatte die Vorahnung, was seit 1969 integraler Bestandteil der Fußball-Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist: Der FC Bayern München als immerwährender Deutscher Meister.

Grabstätte von Oskar Rohr:
Mannheim, Hauptfriedhof, Eingang Cheliusstrasse
Urnengrab rechts oben in der Kuppel.
Nr. 06; Band 8; Nr 32

Oskar Rohr konnte nach den Meisterschaftsfeiern 1932 in München nicht erahnen, was ihm und seinen Mitspielern in den nächsten Jahren bevorstand. Es fing alles noch gut an. Er war Profi und wechselte vom FC Bayern zu den Grashoppers Zürich. Dann zu Racing Straßburg. Er wollte Geld verdienen. In diesen Ligen konnten die Stars schon vom Fußball leben. Der DFB lehnte professionellen Fußball vehement ab. „Asozial“ nannte DFB-Präsident Felix Linnemann den „Bezahlfußball“. Der deutsche Angriffskrieg 1940 gegen Frankreich brachte dann sein Leben völlig durcheinander. Er wurde als Fahnenflüchtiger und Vaterlandsverräter gebrandmarkt. 1942 im Süden Frankreichs -der nicht besetzten Zone-verhaftet, kam er für drei Monate in ein Arbeitslager in Kislau nahe Karlsruhe, dann ging es an die Ostfront. Er überlebte im Gegensatz zu seinen Mannschaftskameraden Bergmaier und Krumm und spielte nach dem Krieg noch einige Jahre hochklassig in der Oberliga Südwest. Danach kam Ruhe in sein bewegtes Leben. Als Angestellter der Mannheimer Stadtverwaltung konnte er den Beginn der Ära des immerwährenden Deutschen Meisters, seines FC Bayern verfolgen, dem er 1932 zum ersten Meistertitel (mittlerweile sind es 32) verholfen hatte.

Heidkamp, Conrad „Conny“
Der Retter der Pokale“

Die Wiege der „Via Triumphalis“ im Museum des FC Bayern in der Allianz-Arena mit der Ansammlung von Siegespokalen wie kaum bei einem anderen Fußballverein (Real Madrid, FC Barcelona, Manchester United oder die Boca Juniors mal ausgenommen) war ein Stall und später ein Garten im ländlichen Oberbayern. Ohne Conny Heidkamp, assistiert von seiner Frau Magdalena (Magda), stünden am Eingang zur „Via Triumphalis“ einige Pokale aus der Zeit bis 1945 nur als Repliken. Nicht nur Menschen haben Schicksalswege, manchmal auch Trophäen. Wie einige des FC Bayern aus der Zeit vor und während des 2. Weltkriegs.

Biografie
Geboren am 27.9.1905 in Düsseldorf
Gestorben am 6.3.1994 in München
Grabstätte: München, Westfriedhof, Baldurstrasse 28
Sektion 29; Reihe 1; Grab Nr. 82
Stationen der Karriere als Fußballer
Düsseldorfer SC 99 (1918-1928)
FC Bayern München (1928-1937
BC Augsburg (1937-1942)
FC Bayern München (1942.1945)
9 Länderspiele (1 Tor)
Deutscher Meister 1932

Am 27. März 1940 erging ein Aufruf von Reichsfeldmarschall Hermann Göring zur „Metallspende“. Der Überfall auf Frankreich und ein Jahr später auf die Sowjetunion stand bevor. Die Kriegsproduktion brauchte dringend Metalle aller Art. Am beliebtesten waren die Kirchenglocken. Zur Not tut es auch ein Fußballpokal auf dem Weg zum „Endsieg“. Ein Nichtbefolgen werde mit drakonischen Strafen sanktioniert, so Göring. Der FC Bayern lieferte nicht. Auch Magda und Conny Heidkamp, damals Spielertrainer des FC Bayern München, folgten dem Dekret nicht, sondern nahmen 1942 die gewonnenen Pokale einfach aus den Vitrinen der FC Bayern Geschäftsstelle in der Münchner Innenstadt in der Weinstraße 14. Ein Beweggrund war der dringliche Schutz der Trophäen vor der Einschmelzung in den Reichswerken Hermann Göring. Und mittlerweile hatte es die ersten von insgesamt 73 alliierten Luftangriffen auf die „Hauptstadt der Bewegung“ gegeben, die bis 1945 große Teile der Innenstadt in Schutt und Asche legten, auch die Geschäftsstelle des FC Bayern.

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Conny Heidkamp mit der Victoria (links) 1932
Quelle Foto: FC Bayern Museum; Nachlass Conny Heidkamp

Magda kannte einen Bauernhof in Ascholding nahe dem Starnberger See und versteckte das wertvolle Gut in Kisten in einem Gebäude neben den Stallungen. Nach dem endgültigen Niedergang des Tausendjährigen Deutschen Reiches (das übrigens nur zwölf Jahre bestand) im Mai 1945 drohte der Pokalsammlung neue Gefahr. Nun waren es amerikanische Soldaten (GIs) auf der Suche nach Trophäen und Souvenirs zwecks Versandes in die USA. Die Pokale hätten sie auf jeden Fall mitgenommen, obwohl sie von Fußball keine Ahnung hatten. Magda vergrub deshalb vor dem Anrücken der amerikanischen Armee die Pokale irgendwo auf den Feldern des Bauernhofes und merkte sich den Standort. Als die Streifzüge der GIs nach ein paar Monaten zu Ende gingen und sich das Verhältnis der Bevölkerung zu den amerikanischen Besatzern entspannt hatte gruben Magda und Conny das immateriell so wertvolle Gut wieder aus. Magda Heidkamp sah die Pokale erstmals ohne Kisten 1970 wieder, bei der Eröffnung des Vereinszentrums des FC Bayern in der Säbener Straße. Jetzt sind sie am Beginn der „Via Triumphalis“ im Museum der Allianz-Arena zu sehen.

Und da dominiert zunächst die gewichtige „Victoria“, eine Replik des Meisterpokals von 1932 (24,6 Kilo schwer, 75 Zentimeter hoch, mit Sockel sogar 102 Zentimeter). Erstmalig wurde sie am 31. Mai 1903 in Hamburg -Altona dem ersten Deutschen Meister überreicht. Es war der VfB Leipzig, der mit einem 7:2 das Finale gegen den DFC Prag gewonnen hatte. Als Wanderpokal war sie in Deutschland viel unterwegs bis zum Endspiel am 18. Juni 1944 in Berlin zwischen Dresdner SC und dem LSV Hamburg (4:0). Victoria, die Göttin des Sieges, Sinnbild der Ästhetik und des Erfolges, entzog sich nach der Übergabe an den Dresdner SC als Deutschem Meister der Öffentlichkeit und dem DFB, vermutlich in den Bombennächten Berlins oder Dresdens. Sie verschwand spurlos und galt aus westdeutscher Sicht in der Nachkriegszeit als verschollen.

Der DFB ließ einen neuen Meisterpokal, die jetzige Schale kreieren, die aber bis zum Endspiel 1948 1.FC Nürnberg-1.FC Kaiserslautern (2:1) noch nicht fertiggestellt war. Der Kapitän der „Clubberer“ erhielt nur den traditionellen Meisterschaftswimpel. Der VfR Mannheim als Deutscher Meister 1949 nach dem Sieg im Endspiel gegen Borussia Dortmund (3:2 n.V.) durfte als erster Verein die Schale in die Höhe stemmen und den Fans präsentieren.

Und jetzt schließt sich der Kreis zwischen den Rettungsaktivitäten Heidkamps und dem Verbleib der „Victoria“.  Es existieren verschiedene Varianten über ihren Verbleib ab 1944 und ihrem unerwarteten Auftauchen 1990, als der „Kalte Krieg“ endete und Deutschland sich wiedervereinigte. Ruhte die „Göttin des Sieges“ die ganze Zeit auf einem Dachboden in Dresden? Oder lagerte sie in einem Tresor des Deutschen Fußballverbands in Ost-Berlin? Oder irgendwo beim Dresdner SC, dem letzten gesamtdeutschen Meister (1944). Es ist egal. Sie ist wieder da.  Es muss einen Retter wie Conny Heidkamp gegeben haben. Aber er ist nicht bekannt. Heute steht das Original im DFB-Museum in Dortmund.

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Grabstätte von Conny Heidkamp: München, Westfriedhof, Baldurstrasse 28. Sektion 29, Reihe 1; Grab Nr. 82

Lechler, Josef
Geboren als Josef Schwarzfischer am 16.6.1907 in München. Ab ca. 1930 Josef Lechler
Gestorben am 6.8.1948 in München
Position: Torwart
Grabstätte: München, Friedhof Sendling, Albert Roßhaupterstrasse 5. Gräberfeld 15; Reihe 1; Grabnummer 0030; jetzt Grabstätte Jovan Bajic

Haringer, Sigmund „Sigi“ (Siehe Einzelportät)
Geboren am 9.12.1908 in Karling/Aldersbach
Gestorben am 23.2.1975 in München
Position:  Linker Verteidiger
Grabstätte: München, Westfriedhof, Baldurstrasse 28; Sektion 113; Reihe 1; Grab Nr.113

Welker, Johann „Hans“
Geboren 21.8.1907 in München
Gestorben am 24.7.1968 in München
Position: Halbstürmer links
Grabstätte: München, Ostfriedhof, St. Martinsplatz 1; Sektor 88; Reihe 19; Grab Nr. 5

Breindl, Robert „Pius
Geboren am 24.10.1909 in München
Gestorben am 27.08.1995 in München
Position: Linker Läufer
Grabstätte: München,Waldfriedhof, Fürstenriederstrasse 188, Gräberfeld 122: Reihe W; Grabnummer 0021A/B

Goldbrunner, Ludwig „Lutte“
Geboren am 5.3.1908 in München
Gestorben am 26.9.1981 in München
Position: Halbstürmer linker Mittelläufer
Grabstätte: München, Ostfriedhof, St. Martinsplatz 1, Sektor 111; Reihe 5; Grab Nr. 16

Nagelschmitz, Ernst
Geboren am 1.5.1902 in Budapest
Gestorben am 21.5.1987 in München
Position: Rechter Läufer
Grabstätte: München, Nordfriedhof, Ungererstrasse 130, Sektion 75; U; Grab Nr. 33

Schmid, Hans
Geboren am 14.10.1904 in München
Gestorben am 18.12.1979 in Krailling bei München
Position: Linksaußen
Grabstätte: München, Nordfriedhof, Ungererstrasse 130; Sektion 98-3-6
Das Grab wurde 2009 aufgelassen

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