Erich Juskowiak

Der schwärzeste Tag

Biografie
Geboren am: 7.9.1926 in Oberhausen
Gestorben am: 1.7.1983 in Ratingen
Grabstätte: Ratingen-Lintorf
Waldfriedhof
Krummenwegerstraße 119
Feld 22 a; Nr. 72/73
Stationen der Karriere als Fußballer
Position: rechter Verteidiger
Vereine: Concordia Lierich (1935 -1943)
FC 08 Oberhausen (1943 -1946)
Rot-Weiß Oberhausen ( 1946 -1950)
Wuppertaler SV (1950-1951)
Rot-Weiß Oberhausen (1951 -1953)
Fortuna Düsseldorf (1953-1961)
31 Länderspiele (1951-1959); 4 Tore
WM-Teilnehmer 1958

Erich Juskowiaks Revanchefoul an Kurt Hamrin in der 60. Minute des WM-Halbfinales 1958 zwischen Schweden und Deutschland in Göteborg, der anschließende Platzverweis und die darauf folgende 1:3-Niederlage des deutschen Teams in der aufgeheizten Atmosphäre des Ullevi-Stadions lösten in der noch jungen Bundesrepublik einen Schwedenhass aus wie seit dem Dreißigjährigen Krieg nicht mehr. Objektiv betrachtet war Schweden an diesem Tag unabhängig von Juskowiaks Ausfall und der schweren Verletzung Fritz Walters – es durfte 1958 noch nicht ausgewechselt werden – die bessere Mannschaft. Aber Juskowiak wurde zum Sündenbock gemacht, zumal er der erste Spieler einer deutschen Nationalmannschaft war, der nach dem Zweiten Weltkrieg des Platzes verwiesen wurde. Er wusste, was auf ihn zukam, als er weinend den Platz verließ. „Es war der schwärzeste Tag in meinem Leben. Das Foul verfolgt mich ewig. Nach dem Spiel hat niemand mit mir gesprochen. Es war wie ein Begräbnis, als ließen sie mich in einem Sarg ganz langsam runter, Stück für Stück, als hätte ich alleine die Schuld, dass Deutschland nicht Weltmeister wurde“, klagte er noch Jahre später.

„Das Foul verfolgt mich ewig“

Vermutlich ist Juskowiak am Trauma dieses Feldverweises zerbrochen. Zu diesem Schluss kann man jedenfalls kommen, wenn man seine weitere Fußballkarriere betrachtet, sein tragisches Leben nach dem Ende seiner sportlichen Laufbahn besieht und nach der tieferen Ursache für seinen frühen Tod fragt.

Der „Hammer“, wie ihn die Fans von Fortuna Düsseldorf wegen seiner enormen Schusskraft nannten, war ein Sohn des Ruhrgebiets. Als 18-Jähriger musste er noch in den Krieg und wurde mehrmals verwundet, unter anderem durch einen Kopfsteckschuss. 1951 debütierte er als Spieler von Rot-Weiß Oberhausen in der Nationalmannschaft und wechselte 1953 zur Fortuna, einem der führenden Vereine der damaligen Oberliga West. Herberger nannte ihn „eines der größten Talente nach dem Krieg“, und alle seine Trainer schätzten seine Ruhe, Übersicht und Zweikampfstärke. Die WM in Schweden sollte der Höhepunkt seiner Karriere sein, aber es kam anders. Nach dem Eklat in der „Schlacht von Göteborg“, wie die deutschen Zeitungen martialisch formulierten, deutete sich schnell an, dass Juskowiak psychisch schwer angeschlagen war. Herberger setzte ihn im ersten Länderspiel nach der WM gegen Dänemark (1:1) zwar wieder ein, doch vor der anstehenden Begegnung gegen Frankreich einen Monat später in Paris flehte Juskowiak Hans Körfer, den Spielausschussvorsitzenden des DFB und Freund der Düsseldorfer Fortuna, an: „Sorgen Sie bitte dafür, dass ich nicht in Paris spielen muss. Ich schaffe das nicht!“

Erich Juskowiak nach dem Platzverweis in der 60. Minute des Spiels
Schweden – Deutschland (3:1) am 24. Juni 1958 in Göteborg.

Im November 1958 schrieb ihm Herberger einen Brief: „Machen Sie endlich mit Göteborg Schluss. Trainieren Sie hart. Besinnen Sie sich darauf, was Sie können. Wenn Sie gegen Helmut Rahn [von Rot-Weiß Essen, Anm. des Autors] im nächsten Punktspiel und gegen Erwin Waldner [vom VfB Stuttgart, Anm. des Autors] im Pokalendspiel gut spielen, sind Sie wieder mein Mann.“ Aber dem Comeback 1959 mit noch fünf Länderspielen wohnte bereits das Scheitern inne. Zudem lief es auch mit der Fortuna nicht gut, die sich in der Saison 1960/61 plötzlich in der 2. Liga West wiederfand.

In der Nationalmannschaft verdrängte ihn der junge Schnellinger, und mit der Fortuna hatte er es nun mit Gegnern wie Hagen, Bottrop oder Benrath zu tun. Immer öfter zeigte er sich undiszipliniert auf dem Spielfeld, sodass die Fortuna nicht umhinkam, ihn im März 1961 für zwei Monate zu sperren. Juskowiak versuchte es anschließend nochmals in der Reservemannschaft, verletzte sich aber und beendete seine Fußballerkarriere. Was nun folgte, beschädigte das Ansehen des großen Fußballers endgültig. Die Worte seiner Ehefrau drückten es aus: „Wir können uns in Düsseldorf nicht mehr sehen lassen.“

Auslöser waren 1962 und 1964 zwei Anklagen vor Gericht wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“. Kinder hatten Juskowiak beobachtet, wie er in seinem Auto „unzüchtige Handlungen an sich selbst“ vornahm, wie es die Anklageschrift formulierte. 1962 kam er mit einer Geldstrafe von 600 DM davon. Der Verteidigung und einem Sachverständigen gelang es, dass Gericht davon zu überzeugen, dass eine quälende Hautflechte ihn zu dieser scheinbar exhibitionistischen Handlung veranlasst habe. 1964 aber verurteilte ihn das Düsseldorfer Jugendschöffengericht nach dreimonatiger Untersuchungshaft zu sechs Monaten Gefängnis, ausgesetzt auf fünf Jahre zur Bewährung. Juskowiak zog sich danach völlig aus der Öffentlichkeit zurück. Seinen Tabakgroßhandel in Düsseldorf gab er auf, er wurde Geschäftsführer einer Reinigung und arbeitete später im Stahlgroßhandel seines Sohnes Horst.

Grabstätte von Erich Juskowiak:
Ratingen-Lintorf, Waldfriedhof, Krummenwegerstraße 119, Feld 22 a; Nr. 72/73.

Psychisch und physisch krank, starb er bereits mit 56 Jahren am Nachmittag des 1. Juli 1983. Er war etwas früher nach Hause gekommen, um sich das Wimbledon-Halbfinale McEnroe gegen Lendl anzuschauen. Er hatte gerade seinen Wagen in die Garage gefahren, als er bei noch laufendem Motor einen tödlichen Herzinfarkt erlitt.

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